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Die Bandwurmdiät

Sie wollen abnehmen, aber dabei munter weiterfuttern – abnehmen, ohne dieses quälende Hungergefühl. Und 6-mal in der Woche ins Fitnessstudio gehen, ist auch nicht Ihr Ding. Dann sollten Sie vielleicht einen Blick über den großen Teich ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten riskieren. Dort wird in regelmäßigen Abständen eine nicht nur bizarre, sondern auch überaus unappetitliche Art des bequemen Abspeckens diskutiert: die Bandwurmdiät, ein Darmparasit als Schlankmacher also.

Das Prozedere der außergewöhnlichen Diät scheint vergleichsweise simpel zu sein, zumindest wenn man den Anleitungen in diversen Internetforen folgt: Man schluckt einfach Kapseln, die Bandwurmeier enthalten. Kapseln, die man bei mehr oder weniger vertrauenswürdigen Anbietern im Internet bestellen kann. Im Darm entwickeln sich die Eier zu ausgewachsenen Bandwürmern. Diese werden bis zu 10 Meter lang und haben daher einen ganz schönen Energiebedarf. Um den zu stillen, bedienen sich die Darmparasiten kräftig an der Nahrung, die der Mensch, sprich ihr neuer Vermieter, aufgenommen hat und die sich jetzt im Darm befindet. Was wiederum bedeutet, dass man bei dieser Form der Diät hemmungslos schlemmen kann, dabei aber gleichzeitig durch den „Mitesser“ Bandwurm kräftig an Gewicht verliert. Hat man sein Traumgewicht erreicht, unterzieht man sich einfach einer Wurmkur und schon ist man die parasitären Untermieter wieder los.

Was auf den ersten Blick einleuchtend klingt, kann allerdings aus rein biologischen Gründen so überhaupt nicht funktionieren: Durch den Verzehr von Bandwurmeiern kann man sich nicht mit einem erwachsenen Bandwurm infizieren – einfach, weil der Entwicklungszyklus eines Bandwurms das nicht hergibt. Aus einem Bandwurmei schlüpfen zunächst einmal die Larven des Bandwurms, die sogenannten Finnen. Die können sich aber nur dann zu einem erwachsenen Tier entwickeln, wenn sie auch den Wirt wechseln. Einen Schweinebandwurm kann man sich zum Beispiel nur durch folgenden Zyklus einhandeln: Ein Schwein frisst zusammen mit dem Kot von Menschen die Eier eines Schweinebandwurms. Im Schwein entwickelt sich dann aus dem Ei eine Finne, die sich in der Muskulatur des Borstentiers festsetzt und dort auch bleibt. Erst wenn ein Mensch jetzt ein rohes Stück Schweinefleisch isst, das von Finnen befallen ist (also ein Wirtswechsel stattfindet), kann sich aus den Finnen im Darm des Menschen ein erwachsener Bandwurm entwickeln. Will heißen, ein Mensch kann sich nur einen Bandwurm einhandeln, wenn er ein rohes Stück Fleisch isst, das von den Larven eines Bandwurms befallen ist. Natürlich ist mit Bandwurmfinnen infiziertes Fleisch nicht an jeder Ecke erhältlich. In den USA beispielsweise, wo immer wieder in diversen Foren das Für und Wider einer „Bandwurmdiät“ ausgiebig diskutiert wird und wo viele verzweifelte Abspeckwillige auch zu einer solchen Diät bereit sind, ist sowohl der Besitz als auch der Verkauf und der Import von Bandwürmern streng verboten. US-Bürger, die sich einer Bandwurmdiät unterziehen wollen, müssen sich schon nach Mexiko begeben. Dort wird offenbar in einigen Orten an der Grenze zu den USA in Hinterzimmern mit Rinderbandwurmfinnen infiziertes Fleisch verhökert. Ein „Starterkit“ ist angeblich für die stolze Summe von 1500 Dollar zu haben.

Wer aber, wie das in den diversen Internetforen propagiert wird, Bandwurmeier zu sich nimmt, spielt mit seiner Gesundheit, möglicherweise sogar mit seinem Leben. Die Larven, die aus den Eiern eines Bandwurms schlüpfen, wandern zum Teil bis zum Gehirn und verursachen dort gefährliche Entzündungen. Entzündungen, die von Seh- und Sprachstörungen über Lähmungen und Organausfälle bis hin zum Tod führen können.

Aber auch „korrekt angewandt“ kann eine Bandwurmdiät einige sehr unangenehme Nebenwirkungen haben: Bandwürmer entziehen ihrem Wirt durch ihre „Mitesserschaft“ nicht nur Nährstoffe, sondern auch wichtige Mineralstoffe und Vitamine. Und das wiederum kann zu signifikanten Mangelerscheinungen führen. Ein oder gar mehrere tierische Untermieter im Darm können, vom Ekelfaktor einmal ganz abgesehen, durchaus Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Durchfall, Schwindelgefühle und ein allgemeines Unwohlsein verursachen. Und natürlich wäre bei einer Bandwurmdiät, genauso wie bei einer „normalen“ Diät auch, der sogenannte „Jo-Jo-Effekt“ vorprogrammiert. Schließlich hat der Körper, während der oder die Bandwürmer ihm Nahrung vorenthalten haben, auf Sparflamme gelebt. Und nach einer Reduktionsdiät kommt es bei „normaler“ Nahrungsaufnahme meist zu einer unerwünschten und schnellen Gewichtszunahme, da, wie wir heute wissen, der Körper alles daran setzt, die Zeit des Mangels möglichst rasch wieder auszugleichen.

Außerdem ist eine Bandwurmdiät last, but not least auch vom sozialen Standpunkt aus keineswegs zu empfehlen. Einen Bandwurm im Darm zu haben, ist keinesfalls eine Privatangelegenheit. Wer auch nur einen einzigen Bandwurm als Untermieter in seinem Darm hat, der scheidet pro Tag über den Stuhlgang bis zu 200.000 Bandwurmeier aus – und diese Eier sind extrem widerstandsfähig. Eine Verbreitung lässt sich, selbst bei perfekter Hygiene, nicht hundertprozentig verhindern. So kann es durchaus sein, dass sich ein anderer Mensch oder ein Tier mit den Eiern infiziert, und das kann, wie bereits erwähnt, auch tödlich enden.

Eine Bandwurmdiät ist im Übrigen nicht irgendeine „hippe“, dem Zeitgeist geschuldete völlig neue Idee. Die Vorstellung, möglicherweise mithilfe von Bandwürmern bequem und ohne Hungern abnehmen zu können, existiert bereits seit über 100 Jahren. So fanden sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in zahlreichen einschlägigen Journalen Anzeigen, in denen „Bandwurmpillen“ als bequeme Abnehmhilfe für die figurbewusste Dame von Welt angepriesen wurden. Ob diese Pillen damals tatsächlich Bandwurmeier enthielten, lediglich eine Mogelpackung waren oder möglicherweise gar nicht existierten, lässt sich heute nicht mehr einwandfrei klären.

In den 1960er-Jahren sorgte die wohl berühmteste Opernsängerin aller Zeiten, die stets immer auch etwas skandalumwitterte Maria Callas dafür, dass die Bandwurmdiät erneut in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Damals wollten die Gerüchte nicht verstummen, dass die Primadonna assoluta ihren rapiden Gewichtsverlust von mehr als 30 Kilogramm innerhalb kürzester Zeit einer ausgeklügelten Bandwurmdiät verdankte, zu der ihr angeblich „ein berühmter Arzt aus der Schweiz“ geraten hatte. Callas soll sich – so viel Luxus muss bei einer echten Diva sein – die gewichtsreduzierenden Parasiten sogar mit einem Glas Champagner einverleibt haben. Heute wissen wir durch den Callas-Biografen Bruno Tosi, der in seinem bemerkenswerten Buch „La divina in cucina“ in Sachen Bandwurmdiät gründlich recherchiert hat, dass es sich bei der Bandwurmstory um einen modernen Großstadtmythos handelt, der jedoch ausgiebig in zahlreichen Medien kolportiert und von der Sängerin selbst nie vollständig dementiert wurde. Möglicherweise hat sich die „Göttliche“ jedoch unabsichtlich mit einem oder mehreren Rinderbandwürmern infiziert, denn sie liebte Steak-Tatar. Das würde eventuell auch den großen Gewichtsverlust erklären.

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