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ОглавлениеEin Käfer für die Potenz
Mehrere Studien haben es an den Tag gebracht: Rund 20 Prozent aller Männer im Alter zwischen 40 und 50 Jahren leiden unter einer erektilen Dysfunktion – sprich haben größere oder kleinere Potenzprobleme. Kein Wunder also, dass Männer zu allen Zeiten und in allen Kulturen immer wieder versucht haben, mit allerlei Wundermitteln ihre Lust und Liebeskraft zu stärken. Während im antiken Griechenland zur Stärkung ihrer Manneskraft noch überwiegend auf pflanzliche Produkte wie Basilikum oder Granatäpfel zurückgegriffen wurde, setzte man im Rom der Cäsaren in erster Linie auf Potenzmittel tierischer Herkunft. So versuchte der römische Kaiser Tiberius, der angeblich durch eine Kriegsverletzung impotent war, dieses Malheur durch den Verzehr von Singvogelzungen zu beheben, die für den Herrscher extra tiefgekühlt aus dem weit entfernten Germanien importiert werden mussten.
Im alten Rom sorgte aber auch erstmals ein kleines Insekt als hochbegehrtes Potenzmittel für Furore: die „Spanische Fliege“. Hier gilt es jedoch zunächst einmal festzuhalten, dass es sich bei dieser „Fliege“ nicht um eine Fliege im biologischen Sinn, sondern um einen kleinen, metallisch-grün glänzenden Käfer handelt, der den wohlklingenden wissenschaftlichen Namen Lytta vesicatoria trägt.
Das amouröse Geheimnis des Käfers liegt in seinem Blut, denn der Lebenssaft der kleinen Käfer enthält ein Reizgift namens Cantharidin. Nimmt man eine ausreichende Menge getrockneter und zu Pulver gemahlener Käfer zu sich, kommt es, dank des in den Käfern enthaltenen Cantharidins, zu einer heftigen Reizung der Schleimhäute von Harnröhre und Harnblase, verbunden mit einer besseren Durchblutung der Sexualorgane – und damit beim Mann zu einer imposanten, aber bedauerlicherweise auch ziemlich schmerzhaften Erektion. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das sexuelle Verlangen wird durch den Konsum der Spanischen Fliege nicht gesteigert. Die Einnahme von Cantharidin war aber auch stets ein Spiel mit dem Feuer, denn nirgendwo liegen Liebe und Tod so nah beieinander wie beim Konsum der Spanischen Fliege. Bei einer Überdosierung (bereits drei hundertstel eines Gramms Cantharidin wirken tödlich) wird das Zentralnervensystem angegriffen und innerhalb von zwölf Stunden tritt der Tod durch Lebervergiftung und Nierenversagen ein. Zu allem Unglück liegt die wirksame Dosis des Aphrodisiakums jedoch fast auf dem Niveau der tödlich giftigen Dosis, weshalb viele Konsumenten ihre Lust mit dem Leben bezahlen mussten. Dass sie dies in den Armen ihrer Geliebten tun durften, ist sicherlich nur ein schwacher Trost gewesen.
Aber zurück zu den alten Römern: Bereits Livia Drusilla, die skandalumwitterte dritte Ehefrau des Kaisers Augustus, soll dem Vernehmen nach ihren Gästen Cantharidin in das Essen geschmuggelt haben, um sie zu sexuellen Ausschweifungen zu animieren, mit denen sie sie später dann möglicherweise erpressen konnte.
Im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts gehörten Cantharidinpillen zur Grundausstattung eines älteren Kavaliers. Die Lustpillen wurden übrigens nach dem Maréchal de Richelieu, einem berüchtigten Lüstling, „pastilles à la Richelieu“ genannt – nicht zu verwechseln übrigens mit seinem Großonkel, dem berühmten Kardinal Richelieu, dem Alexandre Dumas in seinen „Drei Musketieren“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Ein Potenzmittel, das nach einem hochrangigen Kirchenvertreter benannt wurde – das wäre doch etwas zu viel gewesen.
Die Mutter aller Kurtisanen, die legendenumwobene Madame du Barry, setzte dagegen auf „pastilles de sérail“, gezuckerte Cantharidinpillen, um sich die Gunst des schon etwas in die Jahre gekommenen Ludwigs XV. zu erhalten.
War der Konsum der Spanischen Fliege in früheren Zeiten lediglich dem Adel und dem hohen Klerus vorbehalten, fand der Käfer Mitte des 19. Jahrhunderts auch den Weg in die Stuben der Bürger, wie folgender Merksatz aus einem Hauskalender von 1856 zeigt: „Man gebe nicht allzu viel dazu, sonst wird das Weibsbild verrückt.“ Kein Wunder also, dass 1870 der ölige Käfer auf dem Stuttgarter Wochenmarkt gleich kiloweise gehandelt wurde.
Heute ist der Verkauf der Spanischen Fliege aufgrund seines hohen Giftgehalts in vielen Ländern per Gesetz strengstens untersagt. Aber Verbot hin, Verbot her, einige Menschen können offensichtlich einfach nicht vom gemahlenen „Lustkäfer“ lassen und gehen damit kein geringes Risiko ein. So wurden 1995 vier Studenten von Krämpfen geschüttelt und mit blutigem Urin ins Temple University Hospital in Philadelphia eingeliefert. Sie hatten auf einer Party mit Spanischer Fliege angereicherte Limonade konsumiert.
Die heute in Erotikshops verkauften bzw. auch übers Internet vertriebenen Spanische-Fliege-Produkte enthalten dagegen nur bestenfalls homöopathische Dosen an Cantharidin und sind daher ungefährlich, aber auch völlig wirkungslos – sieht man von einem nicht zu unterschätzenden Placeboeffekt ab.