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Prolog

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Sâo Sebastiâo de Rio de Janeiro! Die Stadt am Zuckerhut. Berauschend, seltsam, magisch, mehr noch! Viel mehr! Ein einmaliges Mosaik, das irgendwann in einem Moment unerwarteter Schöpferlaune entstanden sein mag.

Grellbunt und überraschend wie seine Menschen, steil aufsteigend und abfallend in die Tiefe, so bietet sich uns jenes überwältigende Panorama, sich atemberaubend in nie verebbende Hektik stürzend, dann plötzlich träge dahinfließend, verloren im Labyrinth dahinrasender Zeit, so hat längst verblasste Geschichte das Bild der Stadt geprägt. Glück und Wollust, Gier auf Leben, verzaubert, von tausend Illusionen umgarnt, eine Galaxis aus Zufällen, Hoffnungen, Begeisterung und erschütternder Tragik hat dich, den ›Carioca‹ als Menschen dieser Stadt durch fünf Jahrhunderte begleitet.

Mit wuchtigen Granitblöcken fing es an. Stein auf Stein zu einer Festung vermauert, 1567 vollendet, überdauerte das Fort fast ein halbes Jahrtausend, Wacht und Schutz der schicksalhaften Bucht der Guanabara, einst eingebettet in dichten, undurchdringlichen Urwald, unangreifbare Basis portugiesischen Unternehmungsgeistes in einer rauen Welt.

Zucker war es jahrzehntelang, der von dort aus kommend, das Leben der Alten Welt versüßte. 200 Jahre später war es das Gold. Magisches Minas Gerais! Fregatte auf Fregatte schuf den Reichtum europäischer Könige und Kaiser, turmhoch wucherndes Wachstum finanzieller Interessen, gepaart mit Machthunger am Hof von Lissabon.

Eingeschnürt zwischen Dschungelmauern und der befreienden Küste der See trafen sich Abenteurer und Spekulanten, ehrgeizige Emporkömmlinge und lebenshungrige Europäer zu Begegnungen, deren Wurzeln Jahrhunderte überdauerte.

Generation auf Generation, sich Jubel und nicht zu übertreffender Lebenslust an der erfrischenden Brise des Atlantiks hingebend, verdrängten sie Tausende in die Fron Gezwungener, aufgegangene Saat Millionen Verarmter, in die gebirgige Wildnis, rund um die Bucht. Das ist nun 450 Jahre her. Längst sind die vom Urwald überwucherten Berge abgeholzt. Sintflutartige Wolkenbrüche haben die Favelas von Rio, Elendsquartiere am Abgrund ausgewaschener Steilhänge heimgesucht, haben sie im Schlamm von Not und Hoffnungslosigkeit begraben.

Und dennoch. Ein hinreißendes Panorama breitet sich vor dem Auge des Fremden aus, von woher er sich der Stadt auch nähern möge. Herrliches, einmaliges Rio! Nur unter der unbarmherzigen Lupe des kühlen Beobachters stellt es sich weniger beeindruckend dar, oft genug mit erschreckender Grausamkeit. Wie ein halbes Jahrtausend zuvor erholen sich Reiche wie mäßig Begüterte, von brennender Tropensonne versengt in der Brandung, verbringen üppig bemessene Zeit auf belanglosen Cocktailparties, bei abgestandenem Tratsch auf Empfängen und Cocktailparties.

Ob es um den Skandal des Monats geht oder ob eine Mammuterbschaft die Gemüter erhitzt, ob Börsenkurse in den Keller stürzen oder steil nach oben schießen, der letzte Schrei Pariser Mode – alles ist ›in‹.

Und kaum ein paar tausend Meter abseits prächtiger Strandpromenaden, der Galavorstellungen und glänzender Hotelpaläste stößt der Entdecker oft auf Unerwartetes, verliert sich in Regionen des Elends, trifft auf Menschen, die nie teilnahmen an der stürmischen Entwicklung der Stadt. Am Abgrund des Existenzminimums vegetierend, fristen sie ihr Dasein noch immer dort droben, auf den ›Morros‹ von Rio, in verwirrendem Auf und Ab zwischen Zuckerhut und Corcovado.

Und wie viele der weniger Begünstigten, Hunderttausende, Namenlose, zwischen Luxusstränden und Favelas durchs Leben irrend, vielleicht morgen schon abgleitend in die Finsternis der Armut, hetzen hinter trügerischem Glück her, den Blick nach vorne gerichtet, um ungeachtet der anzuwendenden Mittel Barrieren zu überrennen, die sich der Gier nach Wohlstand und vermeintlichem Glück entgegenstellen könnten. Sie alle sind die Figuren dieser Geschichte. Möge der Leser entscheiden zwischen Recht und Unrecht, zwischen Triumph und lebenslanger Verdammnis, zwischen Paradies und Hölle. Voilà! Die Stadt am Zuckerhut!

Pardon, was ich nicht vergessen will. Nicht die nervenaufpeitschende, erregend im Strudel von tausend Gefahren dahin treibende Weltstadt ist es, die mich aufgesogen hätte. Die Menschen sind es, immer wieder Menschen, denen ich dort begegnete.

Was ich erlebte auf Höhen menschlichen Glücks, an Abgründen des Leids für den Einzelnen, das war es, was mich nicht ruhen ließ, und mich bewegte, diese Geschichte aufzuschreiben.

Das Kartell der Skorpione

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