Читать книгу Das Kartell der Skorpione - Mario Monteiro - Страница 7

2. Kapitel

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César Barrios wunderte sich. Die Sekretärin saß nicht am Tisch und beide Doppeltüren waren angelehnt. Also musste Claudia im Allerheiligsten sein. Auch auf ihrem Schreibtisch lag diesesmal keiner der üblichen Schmierzettel, so dass Barrios nicht die geringsten Anhaltspunkte hatte, was kommende Überraschungen betraf.

Vorsichtshalber spähte er durch den Türspalt, hüstelte dann hörbar, bevor er den Koloss seines athletischen Körpers, Militärmaß eins, 88 nahezu lautlos auf den dicken Teppich setzte.

Nur wer zu den wenigen gehörte, die es schafften, bis hierher vorzudringen, konnte das knappe Kopfnicken Cariagas, unterstrichen durch einen vagen Wink mit der Spitze des Kugelschreibers, als Aufforderung werten, sich vorschriftsmäßig vor dem Schreibtisch aufzustellen.

Während Barrios beide Türen zuzog, schnupperte er unauffällig, da er seiner Nase mindesten ebenso traute, wie Augen und Ohren. Guimaraes war also noch nicht dagewesen. Sonst wäre in der seltsamen Umgebung des Raumes, die gelegentliche Besucher an die Sterilität eines Operationssaales erinnern mochte, doch noch die eine oder andere Spur festzustellen gewesen. Barrios fand das Parfüm jedenfalls widerlich und es gehörte zu den ungelösten Rätseln des Hauses, warum sich der empfindliche Cariaga den penetranten Geruch nicht längst verbeten hatte.

Auch auf dem peinlich geordneten Arbeitstisch lag heute nicht das Geringste, was für César Barrios, einen ehemals gerissenen Polizeibeamten, interessant genug gewesen wäre, um unverzüglich registriert zu werden.

Lediglich der verschnörkelte Brief, dessen Absender er zu gerne erfahren hätte, wäre Grund genug gewesen, seine späherischen Instinkte wachzurufen. Doch seinen Blick allzu auffällig über den auf Hochglanz polierten Tisch schweifen zu lassen und das im ungeeignetsten Moment, wäre mehr als nur leichtsinnig gewesen.

»Setzen Sie sich, Barrios! Setzen Sie sich!« Es klang monoton, wie elektronisch aufgenommen und jeweils abgespielt. Dabei sah der Mann hinter dem Schreibtisch keinesfalls auf. Vielmehr schien er immer noch damit beschäftigt zu sein, jene geheimnisvolle Nachricht, und darum handelte es sich zweifellos, mit einer Reihe roter Randnotizen vollzukritzeln.

»Danke, Senhor Cariaga.«

Also hinsetzen und warten. Barrios kam nicht umhin, an die erbärmliche Kammer zu denken, in der ihn sein Stiefvater täglich schlug, während er selbst auf dem Stuhl regungslos zu verharren hatte. Keinen Mucks durfte er sich erlauben, wenn es nicht noch schlimmer kommen sollte. Als er dann erwachsen war, kam die Zeit, in der er selbst zuschlug. Und zwar hemmungslos. Das hatten sie ihm während der regelmäßigen Lehrgänge auf dem Seminar beigebracht.

»Leutnant Barrios«, hieß es meistens, »erklären Sie das den Kameraden!«

Ohne eine einzige Sekunde zu verlieren, war er jedes Mal aufgespritzt, stellte sich in Position und schoss los. Bald war er das Paradebeispiel eines guten Polizisten.

Viel zu gut für die Beamtenlaufbahn, wie einige Dienstkollegen lästerten. Eines Tages war es dann so weit. Unter Beifall der gesamten Presse gelang es ihm endlich, Cariaga zu verhaften. Von da an änderte sich sein Leben. Denn sein prominentester Gefangene saß nur knappe vier Stunden in Untersuchungshaft und noch vor Sonnenuntergang waren seine Anwälte mit einem tadellosen ›habeus corpus‹ erschienen und unter den Augen perplexer Staatsbediensteter hatte Cariaga den jungen Barrios gleich mitgenommen. Aus war es mit der Karriere bei der Polizei.

»Danke«, sagte Barrios ein zweites Mal. Es durfte nicht unhöflich klingen. Nur eben knapp, so wie es bei Cariaga schon immer üblich war. César Barrios quälte sich in den Armstuhl, dessen Hersteller vermutlich nur an Körpermaße durchschnittlicher Mitmenschen gedacht hatte. In der wenig komfortablen Lage blieb Barrios nichts anderes übrig, als Bügelfalten und Schuhspitzen zu überprüfen und dabei unauffällig die rosafarbene Wand auf mögliche Neuanschaffungen zu überprüfen. Doch außer dem goldgerahmten Foto einer brünetten Dame, die zum Zeitpunkt der Aufnahme in ihren besten Jahren gewesen sein musste, bevor sie Cariaga zum Frühwitwer gemacht hatte, war nichts zu sehen. Was die übrige Ausstattung der näheren Umgebung betraf, so war sie von spartanischer Einfachheit und passte nicht recht zu der nahezu festsaalartigen Ausdehnung des Raumes und auch nicht im Hinblick auf die vielen Millionen, die der alte Mann für das Kartell zusammenscheffelte.

Dennoch war Cariaga alles verhasst, was den leisesten Verdacht auf Luxus oder gar Prunksucht hätte aufkommen lassen. Nichts als ein weit ausladender Arbeitstisch, dahinter ein hoher weicher Ledersessel, auf den der Boss wegen ständiger Rückenschmerzen nicht verzichten konnte, ein geräumiger Bücherschrank, gleich daneben eine massive Truhe aus tiefschwarzem Jacarandá und die Sitzecke mit Konferenztisch im Hintergrund waren geduldet worden.

César Barrios hatte an diesem Morgen seine Rambomuskeln unter einem blendend weißen Jackett verborgen. Der Respekt einflößenden Boxerfäuste wegen hätte man den ehemaligen Polizeioffizier für alles andere halten können, nur nicht für ein gerissenes, mit allen Wassern gewaschenes Finanzgenie. Das habe Barrios nur seinem enormen Schädel zu verdanken. Ein Hirn wie ein Computer, der von einem Zimmer ins andere schleicht. Ganz so unrecht hatte Guimaraes sicher nicht.

Nur einen Tag nach dem überraschenden und nie richtig aufgeklärten Herzinfarkt des früheren Chefbuchhalters war César Barrios zum zweiten Mann im Kartell aufgestiegen. Und seitdem plagte er sich damit ab, das kunstvoll verschlungene Netz der Organisation zusammenzuhalten, für die stets verzwickter werdenden Probleme eine von Cariaga akzeptierte Lösung zu finden und neue Kapitalanlagen ausfindig zu machen, um den rasant anwachsenden Gewinnen aus Kokain und Maconha, illegalem Glückspiel, Crack und Prostitution einen seriösen Anstrich zu geben.

Das ausgesprochene Talent für finanzielle Kniffe, seine Aufrichtigkeit Cariaga gegenüber und alte, tief wurzelnde Verbindungen zum Polizeiapparat, die er nie hatte abreißen lassen, sicherten Barrios jenen Anteil am Erfolg des Kartells, den die beiden Männer in stillem Einvernehmen für angemessen hielten.

»Wie läuft Ihr Institut?«, fragte Cariaga , als er endlich aufsah, um sich nach der Sportschule zu erkundigen. Barrios nickte höflich.

Einen Grund unzufrieden zu sein, hatte er nicht. Die dritte Filiale seiner › Academia Paratí – Esporte Total ‹, war erst letzte Woche eröffnet worden.

Muskeltraining, Capoeira, Jiu-Jitsu, Karate oder Fullcontact von frühmorgens bis spät in die Nacht stand auf dem Programm. Doch davon einmal abgesehen waren es oft geheimnisvolle Meetings und das lag an der Herkunft der Besucher. Sport sei Sport, sagte man sich in der Academia. Doch andererseits ... nicht nur die Drogenkapitäne schickten ihre harten Jungs ins Paratí, um sie zu brutalen Gorillas abrichten zu lassen. Auch Alberto Cariaga bezahlte manchen Kurs für ausgewählte Polizisten, fügsame Männer, die dem Kartell allmählich näher kamen und sich von den Sportlehrern im ›Paratí‹ jene Überlebenstechnik beibringen ließen, die ihnen der Staatsdienst nicht hatte garantieren können.

»Die Computerauszüge bitte.«

Barrios schob beide Bögen über den Tisch und legte die Fingerspitzen aneinander.

»Die Boys haben den Yankee erledigt.« Mehr als eine nüchterne Bemerkung sollte es nicht sein. Dabei bemühte sich Barrios, seine harte, metallene Stimme so gut wie möglich zu dämpfen, um Cariagas Unmut nicht zu reizen. Das kurze Zucken in den Augen des Anwalts war dem erfahrenen Polizisten nicht entgangen. War er bereits zu weit gegangen?

Nur eine Sekunde lang trafen sich die Blicke. Doch Cariaga schwieg und ließ den Brief, der ihn bis jetzt beschäftigt hatte, in die oberste Schreibtischschublade gleiten. Danach rückte er die Brille zurecht und vertiefte sich in die Reihe der Konten, um die es heute Morgen ging.

Die Operation McGooley war jedenfalls gelaufen. Jener halsstarrige Manager war ausgeschaltet, und das Thema war tabu. Bei anderen Mitgliedern der Organisation hätte es sich der alte Mann energisch verbeten, darüber auch nur noch ein einziges Wort fallen zu lassen.

»Da es sich nicht vermeiden ließ.« Das Gemurmel erstarb wie im schalltoten Raum, und hätte Barrios seinen Boss nicht zur Genüge gekannt, so hätte er die paar Worte lediglich für ein Selbstgespräch gehalten. War der Fall McGooley wirklich erledigt?

Barrios machte sich keine Illusionen. Die Geschichte mit dem New Yorker hatten sie nur zu Hälfte hinter sich. Jetzt ging es darum, die letzten Spuren zu verwischen.

»Sie sorgen mir dafür, dass alles glattgeht!«

»Selbstverständlich, Senhor Alberto.« Barrios neigte sich leicht nach vorne. »Oberst Bonrosa wird das für uns erledigen.«

»Steht er auf der Liste?«

»Nein.«

»Weshalb nicht?« Cariaga streifte die Reihe der Namen.

»Er ist ein guter alter Freund von mir“, wich Barrios aus. Cariaga wiegte den Kopf. Als ob Freunde nichts kosteten.

»Setzen Sie ein Honorar für ihn fest und sprechen Sie den Betrag dann mit mir durch.«

Barrios nickte während er auf das unangenehme Kratzen lauschte, das der Rotstift auf dem Computerblatt verursachte. Unerwartet stieß Cariaga mit dem Stift mehrmals auf die Schreibtischunterlage.

»Gut Barrios! Wie kriegen wir von jetzt an die Dollar sauber?«

An dem gequälten Gesicht des alten Mannes war abzulesen, dass es hauptsächlich diese Frage war, die ihn an diesem Morgen nicht zur Ruhe kommen ließ und somit auch von seinem Magengeschwür zur Kenntnis genommen wurde. Dass es mit dem Amerikaner am Ende doch noch Schwierigkeiten geben werde, hatte Barrios schon vor einigen Wochen vorausgesehen. Eine Doppelfunktion der Ethylacetatverschiffungen in San Francisco, die raffinierten Tauschgeschäfte mit den blutrünstigen Chefs in den kolumbischen Anden, die auf diese Weise gleich etliche Millionen sauberkriegen wollten, war zwar Barrios’ eigene Idee gewesen. Nach einigem Hin und Her gab Cariaga auch sein Okay. Doch dann scheiterte alles an einem einzigen Punkt. Und dieser Punkt hieß Anthony McGooley.

»Bellini wird uns behilflich sein«, tröstete Barrios, obwohl er sich dessen überhaupt nicht sicher war.

»Ihr Italiano ...«, fragte Cariaga respektlos. Barrios nickte.

»Ja, der Italiano«, gab er zurück, ohne seinen Partner anzusehen.

Hatte Cariaga seine eigenen Vorfahren, die vor drei Generationen mit einem Bündel Habseligkeiten unter dem Arm an Bord eines maroden Frachters nach Santos gekommen waren, so schnell vergessen?

»Ist Ihr Bellini ... ist der Mann denn ...?«

»Er ist okay«, erwiderte Barrios entschieden, um jeden Zweifel auszuschließen. »Ich verbürge mich für ihn.«

»So ... Sie verbürgen sich also? Na dann ...«

Verbürgen. Das war ein Wort, das man nur selten von Barrios zu hören bekam. Cariaga räusperte sich und es hörte sich an, als erwarte er, weiteres zu erfahren.

»Ein blitzsauberes Dreiecksgeschäft zwischen den USA und Italien, mit Luxemburg dazwischen. Dazu müssen wir ...« Barrios verfiel in seinen gewohnten Anlauf, um das Verfahren haargenau zu erklären. Cariaga winkte ab. »Später dann ... später.«

Barrios besah sich seine Fingernägel. Schade, dass der Mann heute Morgen für nichts einen Sinn hatte als für bohrende Fragen, auf die man nicht immer die passende Antwort hatte. Außerdem kostete es Barrios Nerven genug, seinen Widerwillen zu verbergen und dabei beobachten zu müssen, wie sich Cariaga darauf vorbereitete, Gefälligkeits-Honorare reihenweise zusammenzustreichen.

Lächerliche Sümmchen, dachte Barrios, die sie monatlich an Menschen zahlten, die entweder am Hungertuch nagten oder einfach charakterlos genug waren, um für eine Handvoll Greenbacks alles zu machen, was man von ihnen verlangte.

So oder so. Cariaga konnte es gleichgültig sein, da man sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie alte Glühlampen ersetzen konnte. Mit dem Italiener, den ihm Barrios an den Konferenztisch zu setzen beabsichtigte, wird es sicher nicht ganz so einfach sein.

Die raffinierten Kniffe, mit denen der Kerl ankam und dann die Art, wie er sie präsentierte. Während stundenlanger Meetings zog dieser smarte Früchtehändler einen Trick nach dem anderen aus dem Ärmel. Der reinste Zauberkünstler.

Nur Bellini könne die aufgestauten Probleme, die mit Millionensummen unerklärlicher Herkunft zusammenhingen, sicher lösen, versprach Barrios. Und nicht nur das. Selbst weitere Gewinne könnten dabei in die Kassen des Kartells geschaufelt werden.

»Was ist denn mit diesem Delegado«, ärgerte sich Cariaga, offenbar ohne den Triumph in den Augen seines Beraters zur Kenntnis genommen zu haben.

»Delegado Franciso Silveira?« Barrios zuckte mit den Schultern und lächelte vorsichtig.

»Er hat Schwierigkeiten ... privater Art. Streitereien in der Familie. Geldgeschichten natürlich. Vielleicht sogar Scheidung.«

Das war zwar reichlich übertrieben und außerdem völlig belanglos, wie Cariaga meinte. »Seine eigenen Probleme«, mokierte sich Cariaga.

Barrios war anderer Ansicht, ganz besonders was Silveira betraf.

»Der Mann hat sich da in ein paar deftige Probleme verwickeln lassen«, machte er unbeirrt weiter. »Eine von den Weibern nimmt ihn gehörig aus und jetzt will seine Frau wissen, wo das ganze Geld geblieben sei.«

Cariagas Miene verfinsterte sich, als er auf die Liste blickte. Wenn Barrios so anfing, dann war abzusehen, worauf er hinauswollte.

»4o.000 Dollars ... jeden Monat!« Das Kinn Cariagas sprang bedrohlich nach vorne. Hatte Barrios eigentlich die letzte Spur an Verstand verloren? Oder hatte er Silveira bereits Versprechungen gemacht und wusste jetzt nicht, wie er da herauskommen sollte?

»Unmöglich«, war Cariagas knapper Kommentar. Kürzung um eine Null. Barrios zwang sich, kühl zu bleiben.

»Denken Sie doch mal, was wir den anderen zahlen«, erinnerte Cariaga. Irgendwo müssten Grenzen gezogen werden. Barrios sah demonstrativ an die Wand. Sollte er sich wochenlange Vorarbeiten durch einen einzigen Strich Cariagas vermasseln lassen? Seit drei Monaten hatte er den Polizeichef in der Zange. Mit einer Stichelei bei einem der wöchentlichen Tanzabende im Korps hatte er die Offensive eingeleitet. Silveira sei zu fett und müsse endlich etwas für seine Figur tun, witzelte Barrios. Eine Woche später hatte er den ehemaligen Polizeikameraden im ›Paratí‹ und Silveira schien allen Ernstes entschlossen, seinem Wanst ein Ende zu machen. Drei mal wöchentlich kam er ins Institut. Den Rest besorgte Eleonora. Die attraktive Gattin ließ sich gerne überzeugen. Dabei schien sie der gelegentliche Flirt Silveiras mit dem jungen Ding nicht einmal sonderlich zu stören. Sie selbst nahm es ja auch nicht so genau. Nur die Kohlen müssten stimmen, beschwerte sie sich.

Barrios lächelte taktvoll. Sie könnten es doch viel schöner haben, machte er ihr klar. Wenn Francisco nur nicht so pingelig wäre.

Plötzlich streckte sie sich.

»Ach Barrios«, stöhnte sie und gab ihm einen vertraulichen Kuss auf die Stirn, während Silveira noch unter dem Muskeltrainer Schweißtropfen produzierte.

»Wenn du nur wüsstest ...«

Barrios lächelte und winkte ab. Dann rechnete er ihr vor, was dabei herauskommen könnte.

Von da an hatte Silveira keine Ruhe mehr. Barrios bearbeitete ihn Tag für Tag und Eleonora in der Nacht. Sie hätte allmählich genug von den d00fen Weibern im Korps und wolle in den Country-Club zum Golfen. Natürlich könnten sie sich dort mit ihrer alten Kutsche nicht sehen lassen und die meisten Kollegen Silveiras säßen schon längst in noblen Importkarossen.

»Guck dich doch endlich um, wie die das machen«, quälte sie ihn. Dann ließe sich die Scheidung vielleicht doch noch vermeiden und die koste schließlich auch ein Schweinegeld.

Barrios wandte seinen Blick von der Wand ab und blickte ungerührt in Cariagas versteinertes Gesicht. Abwehrend hielt er ihm die Hände entgegen.

»Ich weiß, ich weiß«, sagte er beschwörend. Für die ungezählten Manöver, mit denen Barrios einen Polizeioffizier nach dem anderen an Land zog, interessierte sich Cariaga meistens nicht. Nur finanzielle Erfolge zählten und das Riesenfass an Schmiergelder durfte nicht überlaufen.

Barrios war der gleichen Meinung, nur passten Cariagas Wege nicht in sein Konzept. Seit letzter Woche musste er plötzlich aufpassen, sich mit dem Boss nicht gründlich auseinander zu diskutieren. Am liebsten hätte er gleich mal richtig mit dem Kopf geschüttelt.

»Also«, kam es hart über den Tisch. Und dann noch einmal: »Also?«

Cariaga klopfte mit dem Kugelschreiber auf den Bogen. Barrios ließ seine Neuronen funken.

»Silveira hat über 200 Haftbefehle auf seinem Tisch!«

»Was für Haftbefehle?«

»Leute von uns. Dealer, Banker, einen Cessna-Piloten.«

Die Information schlug wie eine Bombe ein.

»Zwei...hun...dert?«, fragte Cariaga ungläubig.

»Mindestens.« Barrios wagte vorsichtiges Grinsen. »Letzte Woche war ich in Silveiras Büro. Dabei ließ er mich ein bisschen in seinen Akten blättern. Wohl nicht ganz ohne Absicht seinerseits. Da steht eine ganze Batterie von unseren Leuten drin. Wichtige Männer, Senhor Cariaga. Okay! Silveira versprach mir, nicht einen Einzigen zu verhaften!«

»Warum eigentlich nicht?«

»Natürlich hängt das mit der Prämie zusammen.«

Der Anwalt presste die Lippen zusammen. Sein schmächtiges Kinn nach vorne schiebend, betrachtete er sich die Höhe des eingesetzten Betrages, während Barrios Daumen und Zeigefinger aneinander rieb.

„... Wenn er die Burschen nicht finden kann ... wenn die Adressen nicht stimmen ... wenn sie informiert werden, bevor das Kommando losfährt, um sie abzuholen. Wie sollen sie dann verhaftet werden?«

»Mhm.«

»Und außerdem ...«

»Ja, was denn noch?«, fragte Cariaga gereizt. »Was gibt’s denn noch?«

Barrios wusste, dass er die Gefahr, in der er sich jetzt befand, nicht unterschätzen durfte. Cariaga erwartete sofortige Antwort, und zwar mit einem unwiderlegbaren Argument.

»Francisco Silveira ist mit Richter Parotti verschwägert«, platzte er heraus. Die Nachricht, der Staatspräsident sei soeben ermordet worden, hätte den Anwalt nicht empfindlicher schocken können.

»Was ...?« Er schien nach Luft zu schnappen. »Sie wollen behaupten, dass diese Eleonora Silveira die Schwester von Richter Parotti ... Mann ... und damit kommen Sie erst jetzt?«

»Ich weiß es erst seit letzter Woche«, log Barrios. »Aber es gibt keinen Zweifel. Sie ist seine Schwester. Übrigens seine einzige.«

Cariaga schien es noch immer nicht glauben zu wollen. Dann lachte er schallend. Unkontrolliert und außer sich, so wie ihn seine Umgebung nur selten erlebte, dröhnte Cariagas Gelächter über den Tisch. In einem Anfall rasender Heiterkeit warf er den Rotstift auf die Liste.

»So ist das also!« Fassungslos verschränkte er die Arme und sah Barrios mitten ins Gesicht. »Dieser widerspenstige, aufgeblasene Parotti, der seine Fratze jedes Mal vor die Kamera streckt, sobald er wieder so ein mickriges Dealerchen ins Gefängnis schicken kann ... das also ist der Schwager von ... von Ihrem Silveira?«

»Genau der«, bestätigte Barrios und schien aus der Gefahrenzone heraus zu sein. Cariaga spielte mit dem Rotstift.

Wer kannte ihn nicht, den dicken, redegewandten Juristen, populär und zugleich mit seiner unersättlichen Gier, bei jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit zu erscheinen und Millionen vor den Fernsehapparaten zu beeindrucken. Als ob Parotti allein in der Lage wäre, mit den Burschen in den Bergen abzurechnen. Ärgerlich schüttelte Cariaga den Kopf. Barrios war seiner Sache sicher. Nur noch ein leichter Druck und dann ...

»Wie ich höre soll Parotti Ende des Jahres pensioniert werden. Man sagt, er wolle eine Anwaltspraxis aufmachen.«

»Natürlich.« Cariaga grinste an die Decke. »Typisch Parotti! Verschwägert sind die beiden und jetzt geht der Kerl in Pension.«

Als ob er die Pläne des Kartells durchkreuzen könnte. Ganz im Gegenteil! »Gott sei mit ihm!«, beendete Cariaga das Thema. Dennoch, einfach zuzugeben, dass man in diesem Fall vor einer ganz anderen Situation stehe, fiel Cariaga nicht leicht. »Trotzdem«, fing er noch einmal an, »so einen Haufen für Silveira ... ganz allein für Silveira ...«

Barrios dachte nicht daran, aufzugeben.

»Die Haftbefehle«, erinnerte er. Ganze LKWs voll könne Silveira hinter Gitter schicken, wenn er nur wolle. Cariaga schien ins Leere zu blicken. In Wirklichkeit war er mit seinen Gedanken bei einem Untersuchungsrichter, der in irgendeiner Amtsstube saß und einen Haftbefehl nach dem anderen ausstellte.

»Und was? An was denken Sie?«, fragte Cariaga völlig unerwartet. Barrios fühlte sich ertappt. »Sie wollen doch nicht etwa Parotti engagieren?«

Barrios lachte befreiend. »Nicht so direkt natürlich. Nur ihn ab und zu ... sagen wir mal ... ihn um eine kleine Gefälligkeit bitten ... Silveira würde das sehr gerne für uns arrangieren.«

Cariaga schien immer noch an etwas herumzuschrauben.

»Warum eigentlich nicht«, erwiderte er endlich. »Und später, wenn Parotti seinen Abschied einreicht ... Barrios! Vielleicht haben Sie Recht. Parotti muss doch Kunden haben, wenn er seine eigene Praxis aufmachen will. Leute die zahlen können.« Cariaga grinste über den Tisch. »Das braucht er vor allem! Freunde genug hat er doch im Justizpalast.«

Barrios atmete auf.

»Die hängen doch aneinander wie die Kletten. Zweihundert Haftbefehle hat er auf dem Tisch? Sagten Sie wirklich zweihundert?«

»Über zweihundert«, verbesserte Barrios, »und jede Woche kommen noch ein paar dazu.«

Zweihundert! Cariaga überlegte angestrengt. Was ihm selbst dabei durcheinander purzeln könnte. Das musste unter allen Umständen vermieden werden. Er hakte den Namen Silveiras ab.

»In Gottes Namen! Zahlen wir eben, wenn es nicht anders geht!«

Schließlich war Silveira nicht der einzige.

»Constantinos zum Beispiel!« Cariaga klopfte auf die Schreibtischplatte. „... Constantinos der Grieche«, filosofierte er.

»Naturalisierter Brasilianer«, bemerkte Barrios. »Seit einem halben Jahr hat er`s zum Generalinspektor im Hafenamt gebracht. Übrigens ... er war uns schon mehrmals behilflich.«

»Ja ja«, brummte Cariaga. »Geht in Ordnung.«

»Außerdem, Constantinos und Periston sind dicke Freunde.«

»Periston?« Cariaga wühlte in seinem Gedächtnis.

»Vom technischen Dienst«, half Barrios weiter. »Natürlich hat der Mann überall grünes Licht. Letztes Mal hat er nichts gehört und nichts gesehn, als der Tote aus dem Kranhaus auf die Kaimauer stürzte ... Sie erinnern sich?«

Cariaga machte ein Gesicht, als habe er zwei saure Gurken auf einmal verschluckt.

»Obwohl der doch droben Im Kranhaus gar nichts zu suchen hatte«, machte Barrios unbeirrt weiter. »Fürchterlich ungeschickt hatten die das damals gemacht, aber wenigstens war man ihn los. Als dann die Polizei eintraf, um alles aufzunehmen, lagen unter den Pappkartons nur ein paar Steine und ein abgesägtes Dreikanteisen. Der Tote war weg und die Blutflecken hatte Constantinos recht zeitig abwaschen lassen.«

»Gut«, sagte Cariaga ohne von weiteren Erklärungen viel wissen zu wollen. »Constantinos geht okay.« Solche Burschen brauchten sie doch. Cariagas Rotstift fuhr die Liste entlang.

»Also weiter dann ... Bernardi, Demóstenes, Manzanela ... Biela?«

Wer Biela sei, wollte Cariaga wissen.

»Er gehört zu dem Trupp aus meiner Akademie. Leutchen, die wir dann und wann brauchen ... kleinere Einsätze, Aufräumereien und so.«

Cariaga hörte nicht auf den verächtlichen Unterton. Aufräumerei. Typisch Barrios. Gleichmütig murmelte er die Namen vor sich hin und überschlug die Kosten dieses Monats.

»2.000 Dollar, 1.200 dieser hier, 500.«

Mit halb offenem Mund sah er zu Barrios hinüber. »5.600? Gabeiro! Antonio Gabeiro? Warum so viel?«

Gabeiro bekomme das nicht allein, informierte Barrios. Der Mann habe ein paar Untergebene.

»Mitwisser also«, murrte Cariaga. Das Netz, in dem sie sich verfingen, wurde immer dichter. »Lessa! Lessa!« Richter Lessa war auch so ein Fall, der Cariaga jedes Mal das Blut in den Kopf steigen ließ.

»Seit Jahren kriegt er seinen Zaster und was sehen wir von ihm?«

Barrios suchte nach einer Antwort und sah zur Seite.

»Informationen, Barrios!« reklamierte Cariaga. In Zukunft wolle er die Gerichtsberichte sehen. Vor allem die Freisprüche, die Richter Lessa bestimme. »Freisprüche ...« und dabei trommelten Cariagas Finger auf die Tischplatte. Er zahle nicht für nichts und wieder nichts.

»Nächste Woche werden wir die Unterlagen hier haben«, versprach Barrios, während sich Cariaga die nächste Seite vornahm.

»Gutendorf?«

»Der Beauftragte für Jugendfragen.«

»Und? Ein wichtiger Mann für uns, glauben Sie nicht?«

In Barrios’ Gesicht machte sich Unmut breit. »Ich weiß nicht recht. Wir müssen aufpassen mit ihm.«

»Warum?«

»Vor ein paar Monaten wollte er sich unbedingt in diese Kindergartengeschichte in den Favelas einmischen«, bemerkte Barrios. »Wir mussten ihn zur Ordnung rufen. Inzwischen hat er Ruhe gegeben. Wenn er sich noch einmal mucksen sollte ...«

»Übertreiben Sie das nicht.« Cariaga wusste, was Barrios damit sagen wollte. Seit Monaten kam die Presse mit den schrecklichen Fotos an. In Favelas zusammengeschossen, gefesselt mit dem Kopf unter Plastiktüten, Brei aus Fleisch und zusammengehauenen Knochen, Tote auf Gehsteigen, direkt aus dem 12. Stock, runter mit ihnen. Abrechnungen. Nichts als Abrechnungen!

Cariaga machte ein Gesicht, als werde es ihm übel. Nach dem nächsten Namen fasste er sich an die Stirn.

»Evaldo Santos“, stieß er mit knallrotem Gesicht hervor. »Dieser Affe! Lebt der immer noch? Und Vascone? Was ist mit Vascone los?«

Das alte Thema. Barrios hatte die beiden Namen absichtlich ans Ende der Liste gesetzt. Vorsichtig schielte er auf die Schreibtischuhr. 11. 45. Sein Magen meldete sich.

»Ein wahres Rhinozeros«, tobte Cariaga. »Nur nicht so stark.« Seit Jahren hielt er sich an diesen Burschen auf. Dabei hatte er sich mit Vascone schon in der Wolle, als sie noch im gleichen Hörsaal saßen. Und trotzdem musste er den Kerlen vierstellige Beträge auszahlen. Jahrelang ging das nun so.

»Politschurken«, fauchte Cariaga. »Die rennen doch nur von einer Sonderkommission in die andere. Kein Untersuchungsausschuss ist ihnen zu lächerlich und nach jedem Auftritt kommen sie an und halten die Hand auf!«

»Vascone wird bald von der Bildfläche verschwinden«, tröstete Barrios.

»Hoffentlich! Woher wollen Sie das wissen?«

»Sein politisches Credo ist beim Teufel. Und die Wahlen stehen vor der Tür.«

Cariaga räusperte sich. »Was schlagen Sie vor?«

»Wahlhilfe streichen, meine ich.«

Cariaga hielt den Daumen hoch. »Okay. Machen Sie das!«

Wer nicht mehr zu gebrauchen war, fiel bei nächster Gelegenheit unter den Tisch. So wie das mit Gonzalez und Medeiros war. Aus irgendeinem Grund erinnerte sich Barrios an die beiden Polizisten. Ein paar Monate lang kamen die beiden sogar ins ›Paratí‹. Viel gelernt hatten sie offenbar nicht. Und eines Tages strauchelten sie. Weiß der Teufel warum sie auf einmal nicht mehr mitmachen wollten. Obwohl sie doch ganz gut im Futter standen. Prompt kamen sie beim nächsten Einsatz um. Mangelhafte Kugelwesten, hieß es als erstes. Viel Sinn hatten die Westen damals nicht gehabt, denn beide starben an Kopfschüssen, die aus nächster Nähe abgefeuert wurden. Natürlich kamen gleich ein paar Reporter, die den Braten rochen. Denn die verfolgten Koksbrüder standen zu diesem Zeitpunkt gute 300 Meter weiter unten. Als dann auch noch durchsickerte, die Dealer hätten mit Pistolen ganz anderen Kalibers zurückgeschossen und die tödlichen Verletzungen unmöglich hervorgerufen, war der Ofen aus. Gar nichts passte mehr zusammen. Entscheidende Fotos verschwanden samt Negativen aus dem Archiv. Zwei Tage später fehlten die sichergestellten Geschosse. Ballistische Tests fielen ins Wasser und eine der beiden Leichen wurde aus der Kühlkammer geholt. Ein bedauerlicher Irrtum eines Angestellten, teilte man der Presse mit. Verfahren eingestellt!

Und wenn schon. Verloren sie nicht täglich Polizisten? Junge Leute meistens. Niedere Ränge, die ihre Waffen selbst bezahlen mussten und zusehen konnten, wie sie zu Kugelwesten kamen. Man musste schon aufpassen, wenn man alt werden wollte in dieser Stadt.

Langsamer, als man es von ihm gewohnt war, beinahe schleichend bewegte sich Barrios in Richtung Tür. Cariagas Misstrauen regte sich. Irgendetwas schleppte der Mann mit sich herum. Jetzt lag die Hand auf dem Türknopf. Cariagas Gesichtshaut spannte sich.

»Übrigens, Doutor Cariaga ...«

Also doch!

»Safado sitzt aber ganz schön in der Tinte. Ein Antidrogentrupp hat seinen LKW mit 1.200 Kilo Kokain erwischt. Und einen Haufen Karabiner. Jetzt hocken zwei Kerle von ihm im Distrikt 17-A.«

»Na und ... Was haben wir damit zu tun?« Cariagas Augen waren jetzt nur einen Spalt weit geöffnet.

»Ich meine ... dass wir sie heraushauen sollten.«

Cariaga schluckte. War Barrios noch bei Verstand?

„... heraus ... hauen? Wir? Wie kommen Sie denn auf so etwas? Wer nicht aufgepasst hat, waren doch diese Brüder von Tres Rochas. Verdammte Esel sind das. Sollen selber sehen, wie sie da rauskommen.«

Barrios drehte unhörbar am Türknopf. Wenn es so weit kam, musste man Cariaga Zeit lassen, um sich zur richtigen Entscheidung durchzuringen. Barrios ließ den Türknopf los und dann stand er plötzlich mitten im Raum. »Ich glaube ganz so einfach geht das nicht«, sagte er vorsichtig.

»Wieso nicht?«

»Weil man die Kerle zum Singen bringen wird und zwar ziemlich schnell. Sie kennen ja die Methoden!«

»Na, und wenn schon!«

Sackgasse. Senator Curzio ... richtig. So war es doch »Die Karabiner auf dem LKW sollen von der ORION stammen«, stieß Barrios hervor. Beschwörnd hob er die Hände. »Doutor Cariaga, wenn man bei der ORION im Dreck wühlt, und das würde die Bundespolizei zweifellos tun, dann könnte das sehr unangenehm werden. Für Sie persönlich, meine ich.«

Pelo amor de Deus! Äußerst unangenehm sogar, schoss es Cariaga durch den Kopf. Die nächste Heereslieferung! Und ganz besonders wegen dem Senator. Sie brauchten sich doch. Curzio durfte keinesfalls mit hineingezogen werden. Barrios beobachtete, dass sich die Lippen des alten Mannes millimeterweit öffneten. Zwischen den gelben Zähnen kam die Zungenspitze hervor, dann schloss sich der Mund. Cariaga lächelte gequält. Hätte er sich doch nie darauf eingelassen.

»Senhor, wir müssen zu einer sofortigen Entscheidung kommen«, erinnerte Barrios unbarmherzig. Cariaga stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Fingerkuppen zusammen. Das alles müsste gründlich durchdacht werden und dazu brauchte er Zeit. Wenn nur Curzio nicht wäre. Der bekannte Senator im Waffengeschäft! Von da an wäre es für Curzios Gegner nur ein Tagesmarsch und Cariaga hätte die Reporter vor der Tür. Der Konzernchef hatte nicht allzuviel Phantasie. Dennoch sah er die Orion bereits in fettgedruckten Schlagzeilen auftauchen. Was für ein Fressen für die Haie vom Fernsehen.

»Warten Sie!« Cariaga senkte den Kopf und schien sich etwas zu notieren. Oder tat er nur so? Ja oder nein? Barrios setzte alles auf eine Karte. Entschlossen ging er zur Tür.

»Einen Moment noch, Barrios.«

»Doutor Cariaga!« Barrios versuchte, seiner Stimme einen warnenden Ton zu geben, ohne jedoch die geringste Bewegung eines Muskels im Gesicht des alternden Mannes feststellen zu können. Wusste Cariaga wirklich nicht, dass sie nur einen Ausweg hatten?

Oder spekulierte er vielleicht damit, diese Kerle im Gefängnis auf die Schnelle liquidieren zu lassen, bevor sie viel quatschen konnten? Das erste Mal wäre es nicht.

»Nur in diesem Fall ...«, fing Barrios an.

»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Cariaga gereizt. »So kriegen wir die Waffen nicht wieder, und die Untersuchung ließe sich nicht mehr aufhalten.«

»Ganz genau!« Barrios nickte und sagte nur: »Safado!«

»Mistkerl«, wetterte Cariaga und meinte damit den Boss von Três Rochas. »Haben Sie eine brauchbare Idee?«

»Ich fürchte, wir werden nicht mehr viel Zeit haben, um nach neuen Ideen zu suchen«, antwortete Barrios und damit hatte er nicht Unrecht. »Die beiden Kerle von Três Rochas sollen morgen in die Lehmgruben kommen, wie ich informiert wurde und das hielt bis jetzt noch keiner durch.«

»Safado wird uns das Kokain zahlen müssen und die Waffen natürlich auch. Und zwar bis auf den letzten Centavo!« schnaubte Cariaga.

Barrios schwieg. Als ob die paar Kilo Kokain und ein LKW voll Waffen jetzt das Wichtigste wären. Barrios bemühte sich, ein gleichgültiges Gesicht zur Schau zu stellen, während er auf den stoßweisen Atem Cariagas lauschte. Dreißig lange Sekunden. Dann kam der Befehl.

»Machen Sie, dass wir wieder zu den Waffen kommen!«

Barrios atmete durch und verneigte sich kurz. Cariagas Befehl ließ keinen Zweifel zu. Im Klartext hieß das nichts anderes, als ein Kommando auf die Beine zu stellen.

»Carlo di Flora wird das übernehmen. Verlässlich wie immer«, sagte Barrios gerade laut genug, so dass es von Cariaga noch verstanden werden konnte. Der Anwalt starrte vor sich hin. Schon wieder Carlo di Flora! Persönlich kannten sie sich nicht. Außerdem hatte Cariaga nicht die geringste Lust, diesem Mann jemals zu begegnen. Es genügte, zu wissen, dass es ihn gab. Sein Name war tabu im Haus und wenn man ihn einmal nannte, dann höchstens hinter vorgehaltener Hand. Wusste nicht jeder, was dabei herauskam, wenn man die Dienste dieses Mannes in Anspruch nahm? Einen Haufen Tote natürlich! Bei zweitausend Dollar pro Leiche fing di Flora’s Preisliste an. Was bekam man schon umsonst?

Barrios schloss lautlos die Tür. Im Vorzimmer warf er Claudia ein Küsschen zu.

»Neuigkeiten?«, fragte Guimaraes auf dem Korridor.

»Nicht dass ich wüsste!« Barrios lächelte ihm zu und verschwand in seinem Büro. Er musste di Flora noch vor Mittag erreichen.

»Wir haben da ein Problemchen, Carlo«, flüsterte er in sein Handy. »Sag schnell, wann können wir uns treffen?«

Das Kartell der Skorpione

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