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Schwimmendes Altersheim

Shannon faltete ihre Serviette und legte diese neben ihren noch halbvollen Teller. Ihr erwartender Blick verriet, dass sie auf eine Fortsetzung des im Salon begonnenen und dann abgebrochenen Gesprächs war­tete. Eddie wusste die Zeit nun gekommen, mit dem Überzeugungsgespräch zu beginnen.

»Wegen deiner Idee Urlaub zu machen. Ich finde die­se grundsätzlich gut. Auch ich habe mir diesbezüglich schon Gedanken gemacht. Allerdings bin ich davon ausgegangen, dass wir ein wenig länger als nur gerade eine Woche wegfahren würden. Ich habe da an eine Abwesenheit von ungefähr zwei oder drei Monaten gedacht.“ „Wie soll denn das gehen? Du hast ja eine Firma, die kannst du doch nicht einfach so lange sich selbst über­lassen!«

»Warum denn nicht? Ich habe ja bestausgebildete Führungsleute, die auch sonst ohne mich entscheiden. Die können das sicher selber machen. Schliesslich werde ich ja auch einmal älter und werde mir Gedan­ken darüber machen müssen, was mit der Firma ge­schehen soll, wenn ich mich zur Ruhe setzen will.«

»Das hat noch mindestens zwanzig Jahre Zeit! Warum machst du dir denn bereits jetzt darüber Gedanken?“ „Ich glaube, das Gespräch droht gerade aus dem Ru­der zu laufen. Es ging an und für sich darum, ob du dir eine zwei - bis dreimonatige Abwesenheit vorstellen könntest, um nichts anderes.«

»Vorstellen schon, nur…. «

»Nur, was?«

»Wie ich schon sagte: die Firma, das Anwesen und die sozialen Verpflichtungen.«

»Für das Haus haben wir ja Bedienstete, die sich um alles sorgen, soziale Verpflichtungen rennen uns da­durch ja nicht weg und das mit der Firma lass einfach meine Sorge sein. Sonst interessierst du dich ja auch nicht sonderlich für die Firma.«

»Ist ja schon in Ordnung, Eddie. Ich habe lediglich meine Bedenken geäussert und habe dich nicht angrei­fen wollen. An was für eine Reise hattest du denn gedacht? Asien?«

»Könnte man auch einschliessen. Eigentlich hatte ich an eine Kreuzfahrt gedacht.«

»Kreuzfahrt? An ein schwimmendes Altersheim? Mit solchen Anlässen wie Gruppenbingo: Oberdeck gegen Mitteldeck?«

»Ich hatte mir schon gedacht, dass du so reagieren würdest.«

»War aber auch klar. Jeder der einigermassen normal denkt würde wohl so reagieren!«

»Stell dir nun aber mal vor, wie ich mich fühle, wenn ich an irgendeinem Ort in einem Hotel bin und von dort aus Ausflüge mache. Jeder weiss, wer ich bin, meine Manager wissen ganz genau, wo sie mich errei­chen können. Dank der Sekretärin. Pausenlos treffen Faxmitteilungen und Anrufe ein. Auch hätte ich dort die Gelegenheit jederzeit abzureisen und müsste der Versuchung widerstehen, mein Handy mitzunehmen.«

»Komm auf den Punkt. Das ist doch alles strategi­sches Geschwafel!«

»Auf einem Luxusdampfer haben wir dieselben An­nehmlichkeiten wie in einem Luxushotel, wir können nicht täglich abreisen und auch wenn mir die Manager in der Firma Faxmitteilungen senden wollten, dann können sie mich nicht erreichen, denn ich werde ihnen die Faxnummer des Schiffes einfach nicht mitteilen, weil ich sie selber ja gar nicht habe. An der Sonne liegen kann ich auch, im Pool den Hintern befeuchten ist auch kein Problem, gutes Essen, Kino und Bars gibt es auch. Wenn ich dies alles unter dem Strich ansehe, tönt das für mich ziemlich erholsam und ru­hig. Des Weiteren sind wir jeden oder mindestens jeden zweiten Tag an einem anderen Ort und können wieder einen Ausflug machen, oder sonst etwas unter­nehmen.«

»Da hast du wirklich recht. Von dieser Seite aus habe ich es noch gar nie betrachtet. Ich habe immer nur die Angst gesehen, drei Monate mit denselben bornierten Leuten am selben Tisch sitzen zu müssen, alle drei Tage dasselbe zu essen und zur Berieselung an den lauen Abenden irgendwelchen drittklassigen, abge­droschenen Schlager- oder volkstümlichen Kapellen lauschen zu müssen. Dies hatte mich schon beängs­tigt! Zugegeben.«

»Wenn du mir die Zusage gibst, werde ich gleich morgen die entsprechende Buchung platzieren. Dann wären wir spätestens Ende der kommenden Woche auf See.«

»Bedenken habe ich zwar immer noch einige, aber an den Landtagen kann ich ja immer noch nach Hause reisen.«

»Das heisst also ich kann buchen.«

»Ja, kann man so verstehen.«

»Also, das mache ich dann und danach ist gebucht und es gibt kein Zurück mehr. Aus, Ende und gefangen.«

»Ja, das habe ich schon verstanden.«

»Gut, dann werde ich mich jetzt noch ein wenig ins Arbeitszimmer zurückziehen und das eine oder andere vorbereiten. Morgen werde ich einen anstrengenden Sitzungstag haben. Um da von Anfang an topp dabei zu sein ist es nötig, gut vorbereitet zu sein.«

Eddie erhob sich, schob seinen Stuhl zurück und verliess das Esszimmer. Wie jeden Abend blieb Shannon alleine im Esszimmer zurück. Sie hatte sich längst daran gewöhnt.

Flucht von der Hudson Bay

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