Читать книгу Flucht von der Hudson Bay - Mario Ziltener - Страница 11

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Letzte Vorbereitungen

Kaum hatte Eddie das Firmengebäude betreten, wurde er bereits auch schon von seinen Managern bedrängt. Sie rannten ihm nach, stürmten mit ihm in den Aufzug und jeder wollte etwas von ihm. Jeder glaubte wichti­ger zu sein als die anderen. Keiner aber schien wahr­nehmen zu wollen, dass Eddie noch nicht ganz bei der Sache war. Heute störte es ihn besonders, er steckte es aber weg, um seinen bevorstehenden Urlaub auf Hochsee wissend. Um sich seinen Abstand zu gewäh­ren beschloss er, ihnen einfach nicht weiter zuzuhören und dafür später am Tag eine Sitzung einzuberufen. Dann würde er über die zu verteilenden Aufgaben sprechen und noch einmal nachfragen, was die Atta­cke im Lift hätte bedeuten sollen. Manchmal glaubte er zu spüren, dass er nicht mehr ernst genommen wur­de und die Geschicke der Firma längst in anderen Händen lagen, ohne jemals offiziell transferiert wor­den zu sein. Genau so würde er vorgehen. Die Türen öffneten sich und Eddie zwängte sich an seinen Schmeissfliegen-Managern vorbei, schritt den Flur hinunter, grüsste Tammy flüchtig und verschwand in seinem Büro. Die Türe knallte hinter ihm zu und er liess sich rückwärts gegen die geschlossene Tür fallen, blieb einige Sekunden so stehen. Es war ihm klar, dass er die Macht über das Ruder wieder gewinnen musste, wenn er die verbleibenden Jahre bis zum Ru­hestand noch in der Firma bleiben wollte. Eigentlich konnte er es sich in der Situation nicht leisten lange Zeit wegzufahren. Aber dieser Urlaub konnte er ja auch nutzen um neue Führungskonzepte auszuarbeiten, solche, die er nach seiner Rückkehr ohne Rück­sicht auf Verluste umsetzen würde.

Der Entschluss war gefasst: Er würde ein Konzept ausarbeiten. Eines, das vielen seiner Führungskräfte den Kopf kosten würde und ihm die Kontrolle über die Firma zurückgeben konnte. Dafür brauchte er einige Zeit und vor allem Ruhe. Die Lösung war die Kreuzfahrt. Mit einigen Schritten erreichte er seinen Schreibtisch, stellte die Aktentasche ab, lockerte seine Krawatte und griff zum Telefon. Eddie wählte die Nummer eines der Reisebüros, aus welchen die Kata­loge stammten und buchte die Kreuzfahrt. Beginnend und endend in Southampton, dazwischen Mittelmeer, Suezkanal, Asien, der Pazifik und die Karibik. Eigent­lich eine Weltreise. Die Dauer der Reise war mit drei Monaten angegeben und diese drei Monate kosteten die Kleinigkeit von einigen Zehntausend Pfund Ster­ling - pro Person, wohlverstanden. Eddie vereinbarte einen Termin mit der Reiseberaterin, fuhr hin und bezahlte den ausstehenden Betrag ausnahmsweise bar. Er hatte sich vorgenommen, in Zukunft des öfteren Bargeld zur Bezahlung zu nutzen. Eine Art der Kur also.

Tammy wunderte sich bereits den ganzen Tag dar­über, dass Eddie sie in Ruhe liess. Kein Diktat, keinen Anruf; nicht einmal die Bitte nach einem der Kunden­dossiers. Er benahm sich beinahe so, als wäre Tammy gar nicht anwesend. Ausser: Er meldete sich ab, als er das Haus verliess, um die Reise zu bezahlen und die Tickets abzuholen.

»Tammy, ich bin ausser Hause für ungefähr zwei Stunden. Bitte berufen sie eine Managementsitzung ein, nachmittags gegen vier Uhr. Richten sie das Sit­zungszimmer her, bestellen sie einige Blumen und sehen sie zu, dass genügend Tee für alle da ist. Also bis dann!«

Ohne eine Antwort abzuwarten war er schon im Auf­zug verschwunden. Tammy fragte sich, was er denn anzukündigen haben könnte, denn normalerweise waren die Sitzungen weder am Nachmittag, noch gab es Tee. Sie vermutete eine geglückte Firmenüber­nahme dahinter, es hatte davon ja schon einige gege­ben im letzten Jahr. Sie tat wie ihr aufgetragen, press­te den Hörer ans Ohr und rief eine Sekretärin nach der anderen an um die Daten der Sitzung zu übermitteln. Als sie endlich damit fertig war, war die Mittagszeit bereits gekommen und sie beschloss sich einen Imbiss zu holen.

Eddie hielt inzwischen bereits die Reiseunterlagen in der Hand und schaute sie immer und immer wieder von neuem an. An jeder Ampel, sofern sie ihm genü­gend Zeit dazu liess. Manchmal bremste er gar ab, um der Ampel Zeit zu geben, auf Rot umzuschalten. Heu­te hatte er sich seinen eigenen Wagen sozusagen ge­stohlen. Gerade als Craig das Wagenwaschwasser austauschen ging, schnappte sich Eddie den Rolls Royce und fuhr ausnahmsweise selber ins Reisebüro. Zu gerne hätte er Craigs Gesicht gesehen, als dieser mit seinem giftgrünen Kessel zurückgekehrt und der Wagen verschwunden war. Aussensuite auf dem A- Deck, das war jenes direkt unter dem unteren Prome­nadendeck gelegene. Zu den Annehmlichkeiten gehör­ten beispielsweise ein Balkon, der gross genug war um das Frühstück draussen einzunehmen, ein Bad und ein Wohn- und ein Arbeitszimmer. Schlafzimmer, klar, und die nutzbare Fläche lag, laut den Reiseun­terlagen, bei knapp einhundertfünfzig Quadratmetern. Ganz anständig. Grösser als manche Stadtwohnung in London. Eddie freute sich wie ein kleines Kind auf den Tag der Einschiffung und sah auch der bevorstehenden Sitzung ganz gelassen entgegen.

Der Verkehr zwängte sich bereits jetzt schon zähflüs­sig durch die chronisch verstopften Strassen Londons und so kam Eddie die Fahrt im Minimum doppelt so lange vor wie normalerweise. Dies konnte auch daher rühren, dass er seit Jahren nicht mehr selber gefahren war. Noch drei Strassenzüge, dann noch einmal links, dann war er wieder zurück in der Firma. Das Paket mit den Reiseunterlagen versteckte er in der Innenta­sche seines Anzugs und als er ausstieg, rannte Craig auch schon auf ihn zu.

»Sir, tun sie dies niemals wieder!«

»Was denn?«

»Den Wagen ohne meine Erlaubnis vom Firmenge­lände entfernen, verdammt! Ich hatte beinahe einen Herzinfarkt. Sie wissen doch genau, wie in dieser Gegend alles wegkommt, was nicht angekettet ist. Gerade letzte Woche haben sie bei einer benachbarten Speditionsfirma einen mit Hundefutter beladenen Lastwagen gestohlen. Ein regelrechter, bewaffneter Raubüberfall war das.«

»Du solltest weniger fernsehen, Craig!«

»Nein, das ist real! Als der Rolls Royce weg war, hatte ich mich sogleich verkrochen, da ich befürchtete vielleicht mich bald inmitten des Kugelhagels wieder­zufinden. Doch ich beschloss nach einer halben Stun­de mich auf einen Beobachtungsposten zu begeben, denn die Täter kommen ja angeblich meist zum Tatort zurück. Als wieder über eine Stunde nichts geschah, wollte ich die Polizei anrufen und den Wagen als gestohlen melden. Ich hatte den Hörer bereits in der Hand, als sie auf das Gelände gefahren kamen. Da fiel mir ein Stein vom Herzen!«

»Temporärer Stress ist gut für die Nerven, Craig! Dennoch werde ich mir deine Standpauke sehr zu Herzen nehmen. Versprochen. Übrigens erwarte ich dich heute um vier Uhr nachmittags ebenfalls zur von mir einberufenen Management-Sitzung. Sei bitte pünktlich!«

»Management-Sitzung«, wiederholte Craig stolz, als sich Eddie entfernt hatte.

Als er sich diese beiden Wörter sagen hörte, fiel seine Stirn in tiefe Furchen. Erstens wusste er nicht ganz genau, was die Aufgaben des Managements waren und zweitens fragte er sich, ob er wirklich dazu gehöre oder nicht. Irgendwie zweifelte er sehr stark daran, nahm sich aber trotzdem vor, rechtzeitig zu erscheinen.

Flucht von der Hudson Bay

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