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5. Kapitel

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Dritter Tag im Landeskriminalamt

Lisa wurde rabiat vom schrillen Ton des Weckers aus ihrem Tiefschlaf gerissen. Max war kurz nach Mitternacht gegangen, weil sie nicht so zeitig am Morgen stören wollte. Sein Dienst begann heute früher als sonst.

Sofort als Lisa wach war, landeten ihre Gedanken beim letzten Abend. Der hinterließ am frühen Morgen noch immer den Eindruck eines wundervollen Traumes. Ihr Herz begann sofort zu pochen, als sie an Max dachte. Erst unter der Dusche gelang es ihr, sich auf den neuen Tag im Landeskriminalamt zu konzentrieren. Außerdem stand am Abend der nächste Höhepunkt bevor: Der zweite Tangokurs.

Das riesige Dienstgebäude kam ihr inzwischen nicht mehr wie ein undurchsichtiges Labyrinth vor. Sie kam am dritten Tag bereits prima zurecht. Routiniert lief sie die Gänge entlang.

Im siebten Dezernat ging es heute sehr betriebsam zu. Kaum dass Lisa den Raum betreten hatte, ließ sich sogar eine gewisse Hektik erkennen. Lisa erfuhr bald darauf, was diese zu bedeuten hatte. Clemens Dreyer war wieder der erste, der ihr entgegenkam, und sie fragte ihn, ob ihr Eindruck zutraf.

»Richtig bemerkt! Wir koordinieren gerade die Festnahme der Bande, die wir gestern festnageln konnten. Das verlangt die gesamte Aufmerksamkeit aller Kollegen. Aber das wird dir nicht unbekannt sein. Da du nicht involviert bist, macht es für dich keinen Sinn, dabei zu sein. Deshalb habe ich mir überlegt, dich schon mit dem 73. Dezernat vertraut zu machen. Dort laufen fast alle Fahndungen zusammen. Genau genommen werden auch alle Daten erfasst und bearbeitet. Es werden nicht nur die Haftbefehle entsprechend gesteuert, sondern auch die Intensiven- sowie allgemeinen Personenfahndung. Wir können seit Langem in dieser Zusammensetzung auf gute Erfahrungen zurückblicken. Rein rechnerisch gesehen konnten wir in den letzten Jahren mehr gesuchte Personen festsetzen als in den Jahren zuvor.«

»Das stelle ich mir interessant vor, da wird es bestimmt ein paar Schnittstellen zu meiner Arbeit in Rostock geben.«

Lisa gefiel Clemens Dreyers Idee richtig gut. Technik lag nicht ganz in ihrem Interesse und entsprach nicht der praktischen Ausrichtung ihrer eigentlichen Arbeit. In der Praxis würde sie künftig auch wenig damit zu tun haben, denn auf technischem Gebiet war in Rostock Jens der Fachmann.

»Der Schreibtisch bei uns steht dir weiterhin zur Verfügung. Mit anderen Worten, wir würden dich hier sehr gern wiedersehen. Du kannst jederzeit zurückkommen, wenn du es möchtest. Unser Anliegen ist natürlich, dass du effektiv mehrere Bereiche kennenlernst, die möglichst gut auf deine Arbeit in Rostock anwendbar sind. Wir gehen am besten gleich rüber. Ich habe dich bereits angekündigt. Du wirst also erwartet«, meinte Clemens Dreyer und zeigte zur Tür.

Der andere Bereich lag zwar auf derselben Etage, aber als nah konnte man die Entfernung trotzdem nicht bezeichnen. Sämtliche Gänge in diesem Gebäude streckten sich weit auseinander. Lisa musste wieder an Rostock denken, wie dicht dort alles miteinander zusammenhing. Während sie den Gang entlangliefen, kamen sie an einer Vielzahl unterschiedlicher Abteilungen vorbei. Lisa zeigte sich beeindruckt von der räumlichen Größe der Behörde. Vor einer Tür, die identisch mit all den anderen im Gebäude war, blieben sie stehen. Dreyer klopfte kurz an, und ohne eine Aufforderung abzuwarten, betraten sie das Büro, in dem zwei Kollegen an ihren Computern arbeiten. Sie sahen erst hoch, als Dreyer mit Lisa etwas nähertrat.

»Ach, da ist ja die Rostocker Kollegin!«, rief erfreut einer der Männer.

»Ich bin Martin Meyer, mit y bitte. Aber wir bleiben am besten beim Du. Martin reicht also.« Der junge Mann mit den spitzbübischen Augen verließ seinen Stuhl und ging Lisa freundlich entgegen. Zur Begrüßung reichte er ihr die Hand. »Willkommen bei uns.«

Der andere Kollege saß am Fenster auf der rechten Seite des Raums. Er schien zurückhaltender zu sein und stellte sich lediglich kurz mit Frank Nickel vor. Schließlich fügte er doch hinzu: »Endlich mal ein weibliches Gesicht in unserer Nähe und obendrein ein Fischkopp.«

Lisa merkte an der Art, wie sie empfangen wurde, dass es in diesem Bereich offenbar etwas lockerer zuging. Das gefiel ihr. Sie war sicher, dass die Zusammenarbeit mit den beiden Kollegen unkompliziert verlaufen würde.

»Du bist im Bereich der Fahndung angekommen. Mein Schreibtisch ist groß genug, und ich trete gern die Hälfte an dich ab«, sagte Martin, und um seine Worte zu bekräftigen, rückte er sofort einen Stuhl näher an den Tisch heran. Damit lud er Lisa ein, sich zu setzen.

»Ich sehe, die Kollegen nehmen dich gut auf. Da bin ich wohl überflüssig und kann mich verziehen. Unsere Bereiche arbeiten ohnehin zusammen, da werden wir uns bald wiedersehen.« Mit den Worten verabschiedete sich Clemens Dreyer und steckte Lisa seine Karte zu. »Hier hast du meine direkte Durchwahl, falls du mich mal sprechen willst. Wenn ich nicht im Dienst bin, erreichst du mich auch unter der darunter stehenden Nummer. Könnte ja sein, dass du Hilfe brauchst«, ulkte er und ging.

Lisa war zuerst irritiert, doch dann war sie dankbar für das Vertrauen, das Dreyer ihr entgegenbrachte.

Die Männer begannen Lisa zu löchern, womit sie zuletzt beschäftigt war und wie die Erfolgsquoten in ihrem Kommissariat waren.

Lisa begann über den letzten Fall zu berichteten: »Wir konnten relativ schnell die Täterin dingfest machen, sie war außerdem keine Unbekannte. Um sich der Festnahme zu entziehen, floh sie in ihr Ferienhaus nach Schweden. Dort nahmen die schwedischen Kollegen sie fest.«

»In Europa klappt die überregionale Zusammenarbeit ganz gut. Die Arbeit mit Schweden verlief bei uns ebenfalls meist unkompliziert. In letzter Zeit haben wir die Kontakte zu Interpol intensiviert. Das funktioniert gut, weil es eine zwischenstaatliche Organisation ist, die mit ihren 192 Mitgliedsstaaten ein weltweites Netzwerk bildet. Durch diese internationale Zusammenarbeit erreichen wir eine höhere Effektivität. Das Bundeskriminalamt ist auch Teil dieses riesigen Netzwerks. Wusstest du das?«

»Nein, das wusste ich nicht. Mit Interpol habe ich bisher keine Erfahrung gemacht. In Rostock bei der Kripo war das nicht nötig. Ich bin erst relativ kurze Zeit dabei, wollte eigentlich Jura studieren.«

»Das kannst du immer noch, bei uns gibt es interessante Fortbildungsmöglichkeiten.«

»Ja, Frank kennt sich da gut aus. Er macht gerade eine Fortbildung«, unterbrach Martin seine Aussage.

Lisa lächelte beide Männer abwechselnd an. »Na ja, gerade bin ich auch dabei, etwas Neues zu lernen, und zwar von euch«, betonte Lisa freundlich. Dann kam ihr eine Idee: »Vielleicht gebt ihr mir einige Unterlagen zur Einsicht, dann kann ich mir selbst ein Bild machen, wie das in der Praxis abläuft, oder gibt es einen aktuellen Fall?«

»Hier, nimm diesen Ordner, da ist einiges drin, was du wissen solltest. Der letzte Fall war pikant, aber du wirst sehen, wie wir die Internationale Bande zerschlagen haben, natürlich lief alles europaweit.«

»Du wirst bald einen Überblick davon bekommen, was wir hier machen«, ergänzte Frank.

Lisa zog sich mit dem Ordner zurück und hatte sogleich das Gefühl, in eine andere Welt einzusteigen. Es ging um internationale Geldwäsche und Rauschgiftschmuggel. Auf den Punkt gebracht, es ging um internationale Kriminalität auf verschiedenen Ebenen, die aber trotzdem zusammenhingen, und das im großen Stil.

Der Nachmittag verlief mit weiteren Informationen über die Zusammenarbeit mit Interpol. Lisa bekam einen kleinen Einblick in Fälle, die verzweigter schienen, als sie es sich zuvor vorgestellt hatte. Bei all dem Schmutz, den sie beim Lesen kennenlernte, fiel ihr der bevorstehende Abend ein. Sie freute sich jetzt umso mehr, bei Musik und Tanz in eine heile Welt einzutauchen. Fernab von Machenschaften um Geld, Zuhälterei und Macht, das war der richtige Ausgleich und genau der richtige Abstand, den sie brauchte. Auch in Berlin wollte sie in ihrer freien Zeit klare Gedanken bekommen.

Der Feierabend kam schneller als sie dachte. Überhaupt verging die Zeit in Berlin viel zu schnell.

Avas letzter Tanz

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