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3. Kapitel

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Erste Tangoschritte

Gedankenverloren blickte Lisa in der U-Bahn auf den Tag zurück. Einiges lief so ab, wie sie es sich vorgestellt hatte, anderes dagegen überraschte sie. Es war eine gute Mischung, die ihr Interesse weiter steigerte.

In wenigen Minuten würde sie am Theodor-Heuss-Platz sein, von dort hatte sie nur einen kurzen Fußweg bis zur Reichstraße vor sich.

Die Gegend, in der sie für zwei Wochen ihre Wohnung bezogen hatte, gefiel ihr. In der weitläufigen Geschäftsstraße gab es Läden für den täglichen Bedarf, Lokalitäten, genauso wie bunte Boutiquen. Die bunte Vielfalt der Geschäfte lud geradezu zum Stöbern und Einkaufen ein. Lisa sah auf den ersten Blick einige Geschäfte, die für ihre persönlichen Vorlieben allerhand zu bieten hatten. Demnächst würde sie sich genauer umsehen, heute blieb dafür keine Zeit. Es war an der Zeit, auch mal Max zu verwöhnen. In einem großen Lebensmittelgeschäft, das auf dem Weg lag, fand sie alle Zutaten für ein schmackhaftes Essen, und auch ein guter Tropfen ließ sich schnell finden. Der würde das geplante Essen für Max auf alle Fälle krönen. Mit ihrer Kochkunst wollte Lisa sich auf ihre Weise bei Max bedanken. Das Essen hatte sie für den nächsten Tag geplant, da war Kurspause. Sie hoffte, dass er ihre Einladung zum Abendessen annehmen würde.

Schwungvoll und mit spielerischer Leichtigkeit nahm sie die drei Treppen bis in die Wohnung, die voll bepackten Tüten störten sie dabei nicht. Selbstverständlich und fließend erschien ihr alles, was sie tat, und sie war durchdrungen von großer Freude.

Plötzlich schoss es ihr durch den Kopf: »Tango? Tanzen? Was soll ich anziehen?«

Zwei Kleider und einen Rock hatte sie zwar dabei, aber sie war nicht überzeugt davon, dass die Sachen für diesen speziellen Tanz geeignet waren. Blödsinn, hielt sie sofort dagegen. Was für ein alberner Gedanke, schließlich ging es um den Tanz, um nichts anderes. Trotzdem stellte sich dieselbe undefinierbare Unruhe ein, die sie auch beim ersten Treffen mit Max in Graal-Müritz festgestellt hatte. Selten genug hatte sie so ein aufgewühltes Gefühl. Ihr Herz begann bereits kräftiger zu klopfen, wenn sie nur an ihn dachte, und ihr Bauch … Ja, so mussten sich Schmetterlinge anfühlen. So ein Kribbeln hatte sie niemals zuvor gespürt. Nie zuvor hatte sie sich die Nähe eines Mannes so sehr herbeigewünscht, wie es jetzt bei Max der Fall war.

Der gestrige Abend hätte kaum perfekter verlaufen können. Ihr Freund hatte sie nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Dazu gehörte nicht nur die Wahl eines fantastischen Menüs, genauso ließ er sie andauernd spüren, wieviel ihm ihre Gegenwart bedeutete. Und mit dem Tango war es ihm endgültig gelungen, ihr Herz zu erobern.

Da überraschte sie plötzlich ein Gedanke, der sie gar nicht mehr losließ: Sie war verliebt. Ja, sie musste verliebt sein! Anfangs war sie nur überrascht, jeder Gedanke an diesen Mann fühlte sich wunderbar an. So ein berauschendes Gefühl kannte sie schon lange nicht mehr. Keine Zweifel mehr, Max hatte ihr Herz erreicht.

Sie konnte sich nicht mehr dagegen wehren und wollte es auch nicht. Unter der Dusche hatte sie eine Melodie geträllert, die es gar nicht gab. Ein Produkt ihrer Fantasie, über das sie jetzt schmunzeln musste. Ein wenig später zog sie eines ihrer mitgebrachten Kleider an und fühlte sich darin erstaunlicherweise gleich wohl. Das Kleid war bordeauxrot und hatte eine angemessene Länge. Dabei wirkte es elegant-leger, so wie sie sich gern kleidete. Ihre dunklen Haare drehte sie gekonnt zu einem Knoten hoch, der gab ihrem Aussehen eine klassische Wirkung.

Lisa freute sich auf Max und auf den Tanz mit ihm. Das würde sicher eine spezielle Nähe zwischen ihnen herstellen. Ihr Herz begann erneut zu klopfen.

Inzwischen war Lisa angezogen und startklar. Sie sah immer häufiger auf die Uhr, Max würde jeden Moment kommen, um sie abzuholen. Was für eine glückliche Fügung es doch war, dass ausgerechnet der Mann, der ihr so viel bedeutete, die ersten Tangoschritte mit ihr erlernen wollte. Selbst Berlin kam ihr nicht mehr ganz so fremd vor.

Max war pünktlich. Er klingelte an der Wohnungstür. Die drei Treppen schienen auch ihm überhaupt nichts ausgemacht zu haben. Entspannt und freudig stand er vor ihr, als sie die Tür öffnete. Lisa merkte an jeder Faser ihres Körpers, wie eine leichte Hitze in ihr aufstieg, als sie den Mann, der ihr Herz berührte, vor sich sah. Er entsprach nicht nur optisch ihrem Geschmack, viel mehr war ihr inzwischen klar, dass sie sich tatsächlich in diesen Mann verliebt hatte. Beinah verlegen bat sie ihn hinein. Max schien Lisas leichte Unsicherheit zu bemerken und überdeckte sie mit seiner Spontanität. Vorsichtig zog er sie an sich heran und küsste sie zärtlich auf den Mund.

»Ich habe mich den ganzen Tag auf diesen Moment gefreut. Endlich kann ich dich umarmen.«

Lisa ließ es geschehen und genoss seine herzliche Umarmung. Dann ließ er sie auf einmal los und sah ihr in die Augen.

»Wie schön du aussiehst. Mir gefallen deine hochgesteckten Haare und ich finde es gut, dass du dich für ein Kleid entschieden hast. Ich mag es, wenn man bei einer Frau auch mal die Beine sehen kann. Überhaupt, du siehst perfekt aus. Da muss ich wohl aufpassen, dass du mir von den anderen Männern nicht weggeschnappt wirst.«

»Danke, du gefällst mir auch.«

Max hatte sich Gedanken über eine passende Garderobe gemacht. Er trug eine enge schwarze Hose und darüber einen eleganten dunklen Pullover aus feinem Zwirn.

»Wenn du soweit fertig bist, können wir meinetwegen los. Eine kleine Strecke haben wir ja vor uns. Mit dem Auto wird das etwa eine halbe Stunde dauern. Unterwegs kannst du mir erzählen, wie dein erster Arbeitstag verlaufen ist. Einverstanden?«

»So machen wir das.«

Lisa griff nach ihrem Mantel, zum Zeichen, dass sie bereit war.

Es dauerte tatsächlich fast eine halbe Stunde, ehe sie das El Gato erreichten. Die meisten Gäste betraten sofort die Villa, weil es leicht zu regnen begann. Lisa und Max taten es ihnen gleich. Da der Kurs erst in einer Viertelstunde starten sollte, sahen sie sich im unteren Bereich um. Vor ihren Augen zeigte sich ein opulenter Ballsaal mit hoher Decke, an der nicht nur der dekorative Stuck attraktiv war, sondern auch die darunter hängenden schweren Lüster aus Metall, deren Glanz von einer Vielzahl von Kristallperlen ausging.

Rundherum standen Tische wie auf einer Schnur aufgereiht, mit jeweils sechs Stühlen. Zentral, aber etwas seitlich im Raum befand sich ein kleines Podest, das Raum für einen, höchstens zwei Musiker bot. Einige Instrumente standen dort bereit. Es war der perfekte Tanzsaal, in dem es Lisa gefallen würde zu tanzen.

»Sogar Livemusik, damit hätte ich niemals gerechnet«, meinte Max bewundernd.

Lisa grinste. Sie freute sich auf ihren ersten Kurs bei ansprechendem Ambiente.

Schon wenige Minuten später wurde sie enttäuscht. Von einem Teilnehmer erfuhren Lisa und Max, dass die Anfängerkurse nicht im Saal, sondern in einem der kleineren Räume im ersten Stock stattfanden. Oben angekommen, mussten sie außerdem feststellen, dass sich für diesen Kurs deutlich weniger Tanzpaare angemeldet hatten, als sie zuvor vermutet hatten. Außerdem war der Raum ornamentlos und ohne interessantes Interieur. Alles war deutlich kleiner als der Saal mit seinen großen Fenstern und dem dekorativen Stuck. Der untere Saal besaß das gewisse Etwas und strahlte einen ganz besonderen Charme aus.

»Schade, der Ballsaal gefiel mir viel besser. Genauso hatte ich mir den Raum für unseren ersten Tangotanz vorgestellt«, äußerte Lisa sich enttäuscht.

»Mir geht es auch so«, bestätigte Max ihre Aussage. »Der Saal wäre für uns Anfänger ideal, um den Tango Argentino nicht nur zu erlernen, sondern genauso zu spüren.«

Inzwischen standen mit ihnen sechs weitere Paare im Raum und warteten auf die Tanzlehrer. Ein nicht mehr junges Paar erschien. Der Mann stellte einen Recorder an.

Leise Töne erklangen, und mit diesen ersten Klängen der Tangomusik bewegten sich die Beine fast automatisch, der Rhythmus durchdrang den Körper und die Lust, sich zu bewegen, wurde geweckt. Nicht nur Lisas Augen begannen zu leuchten. Der Mann, der sich als Leiter des Kurses herausstellte, begrüßte die Anwesenden auf seine Weise. »Das ist Susanna, ich bin Francesco. Unsere Zeit ist knapp, also keine großen Reden, lasst uns lieber beginnen. Aber ein paar einführende Worte hat Susanna für euch.«

Die Frau neben Francesco lächelte souverän und machte ohne Pause weiter. »Der Tango Argentino ist einer der schönsten Paartänze der Welt. Hier geht es nicht um das Erlernen von Schrittfolgen, sondern ums Spüren, um die Körperwahrnehmung und um Respekt. Mit dem Beginn unseres Einsteiger-Workshop gebe ich euch ein paar Hintergrundinformationen zum Tango, dann beginnen wir mit den ersten Schrittfolgen. Das Gute an dem ersten Kurs ist, dass alle auf dem gleichen Niveau sind und niemand Angst haben muss, falsche Schritte zu machen. Wer darüber hinaus Interesse hat, kann nachher unten im großen Saal den Tangotänzern, die den Tanz bereits beherrschen, über die Schulter schauen. Zuschauen ist oft sehr hilfreich und wird manchmal unterschätzt. Das werdet ihr selbst bald feststellen. Aber lasst uns beginnen.«

Alle hörten aufmerksam den Ausführungen von Susanna zu.

Francesco übernahm auch einmal das Wort. »Tango ist zwar die Königsdisziplin aller Tänze, doch in seinem Wesen ist er nichts anderes als das gemeinsame Gehen mit dem Partner zur Musik. Der Ursprung des Wortes deutet auf eine Berührung hin. Die Umarmung im Tango ist etwas Natürliches und muss nicht erlernt werden. Selbst als Anfänger könnt ihr mit einem kleinen Repertoire einen schönen Tango genießen.«

»Und wie sieht es mit den Schrittfolgen aus? Ich kann mir schlecht Schritte merken«, äußerte sich jemand aus der Gruppe.

»Die Angst, sich Schritte und Figuren nicht merken zu können, besteht bei vielen. Anders als bei anderen Tänzen ist die Angst beim Tango vollkommen unbegründet. In unserem Unterricht zeigen wir euch konkrete Übungsabfolgen, und ihr erfahrt von der Kunst der Improvisation, also, wie ihr euren eigenen Tanz zur Musik gestalten könnt. Dabei können aus Fehlern oft neue Möglichkeiten entstehen und gleichzeitig gelingt es euch, vielfältig zu variieren.«

Lisa merkte, dass auch Max ganz bei der Sache war, und freute sich doppelt, dass sie ab heute gemeinsam mit ihm diesen besonderen Tanz von der Pike auf erlernen würde.

Zweieinhalb Stunden später war der Kurs vorbei und Lisa fand, dass sie sich gar nicht schlecht angestellt hatten. Ganz im Gegenteil, Francesco zeigte sich mit ihrem ersten Tanzversuch sehr zufrieden. Jedenfalls lobte er Max und Lisa mehrfach. Als sie die Treppe hinunterstiegen, nahmen sie aus dem Ballsaal lateinamerikanische Klänge wahr. Neugierig auf die Musik und die dazu tanzenden Paare, öffnete Max vorsichtig die Tür.

In dem großen Raum herrschte inzwischen eine völlig andere Atmosphäre als vor gut zwei Stunden. Die Paare tanzten im Uhrzeigersinn. Ganz wie es Francesco erklärt hatte, schließlich war ein Durchkreuzen der Tanzmittelfläche verpönt. Diejenigen, die nicht tanzten, saßen an ovalen Tischen, seitlich des Raums. Sie tranken etwas und unterhielten sich leise. Eine interessante Stimmung, die inzwischen in rot-bläuliches Licht getaucht war. Max schaute Lisa an und deutete fragend zu den Tischen. Lisa signalisierte sofort ein Ja. Den Profis aus der Nähe zuzusehen, war nach dem Anfängerkurs genau das Richtige.

Sie hatten Glück, gerade wurde ein Tisch frei. Lisa setzte sich, um den Tisch zu reservieren, und Max ging zur Bar und holte etwas zum Trinken. Kaum dass Lisa saß, fielen ihr die unterschiedlichen Tanzstile der Paare auf. Sie war beeindruckt von den fließenden Bewegungen, alles sah so leicht aus. Jedes Paar bewegte sich auf ganz individuelle Weise und einige Tänzer improvisierten gekonnt, genauso wie eben beim Tanzkurs von Francesco beschrieben. Doch ein Paar stach besonders heraus. Sie tanzten absolut hingebungsvoll. Lisa konnte ihren Blick nicht von ihnen abwenden. Beide unterschieden sich von den anderen. Sie verschmolzen vollständig in ihrem Tanz und nahmen ihre Umgebung kaum wahr.

Max kam lächelnd mit zwei Cocktails an den Tisch zurück. Beim Anblick der bunten Gläser erschrak Lisa. Sie erinnerte sich allzu gut an ihren letzten gemeinsamen Abend in der Graal-Müritzer Pink Lady Bar und den Schwips, den sie anschließend hatte.

»Keine Sorge, der ist ohne Alkohol. Ich weiß ja, dass du morgen fit sein musst. Ich übrigens auch.«

»Wie umsichtig, danke. Ich hätte große Lust, mich einfach in den Kreis einzufädeln und mitzutanzen, aber das wird im Moment wohl kaum möglich sein. Auch ohne uns ist die Tanzfläche voll genug.«

»Außerdem würden wir die anderen nur aufhalten.«

»Du hast recht, wir müssen erheblich an unseren Schritten feilen, schließlich wollen wir keinen Stau auf der Tanzfläche verursachen.«

Max tat es Lisa gleich und betrachtete die Tanzpaare. Bis ihm beim Beobachten wohl dasselbe Paar auffiel, von dem auch Lisa nicht wegkam.

»Ob wir jemals so tanzen werden?«, raunte sie Max zu.

Er antwortete schlagfertig: »Ich hoffe nicht.«

Lisa sah ihren Freund überrascht an. Der antwortete lächelnd: »Du hast selbst gehört, was Francesco gesagt hat. Wenn wir erst die Grundschritte kennen, wird jeder seinen eigenen Tanzstil entwickeln. Jeder improvisiert anders. Ich kann mir vorstellen, dass das gemeinsame Entdecken neuer Schrittfolgen in Verbindung mit dem Sich-Fallen-Lassen zur Musik überhaupt das Faszinierende am Tango ist.«

Lisa schaute zwar auf die Tanzfläche, wanderte in diesem Moment aber gedanklich zum Paar aus dem Graal-Müritzer Rhododendronpark. Die Zwei brachten eigene argentinische Musik mit, nach der sie sich behutsam und hingebungsvoll bewegten. An ihren gekonnten Schritten spürte Lisa den gegenseitigen Respekt und ihre Liebe zueinander. Die beiden Tänzer waren es überhaupt, die ihr Interesse am Tango weiter verstärkten. Sie musste Max unbedingt irgendwann von den beiden erzählen. Vor allem, in welchem Alter sie waren. Der Mann erwähnte, dass er gerade achtzig Jahre alt geworden war, und er schien dabei top in Form zu sein. Und so leidenschaftlich, wie die beiden tanzten, merkte man ihnen ohnehin ihr Alter nicht an.

Nach dem kurzen Abdriften ihrer Gedanken kehrte Lisa zu den Tanzenden im Saal zurück.

Beide saßen ohne ein Wort eine Weile beeindruckt zusammen und stellten fest, dass nach drei Tänzen eine Pause gemacht wurde. »Ah, das ist die Tanda, von der Francesco sprach. Die Paare gehen für eine Pause auseinander, um sich dann einem neuen Tanzpartner zuzuwenden«, meinte Lisa.

»Ich werde dich nach einer Tanzpause aber gut im Blick behalten.« Max schien das ehrlich zu meinen.

»Was denkst du, am Anfang tanzen sowieso nur wir zwei zusammen.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass es bei einem Partnerwechsel bei einigen Männern zu ernstgemeinten Eifersüchteleien kommen könnte. Denk an den Mann, der eben so hingebungsvoll tanzte, der hatte einen regelrecht besessenen Blick auf seine Partnerin gerichtet. Hast du das mitbekommen?«

»Sieh, da vorn, da sind sie wieder! Du hast recht. Man kann klar erkennen, dass er jede Geste und Bewegung dieser Frau beobachtet, um sie keinen einzigen Augenblick aus den Augen zu verlieren.«

»Ein wirkliches Paar können sie auch nicht sein, sie sitzen einfach zu weit voneinander entfernt. Nicht mal am selben Tisch.«

»Mit diesem Mann würde ich nichts zu tun haben wollen, der schreckt sicher vor verbalen Angriffen nicht zurück. Vielleicht sogar mehr.«

»Gut beobachtet, ist mir auch aufgefallen. Doch ich kann dich beruhigen, dazu gehören immer zwei. Ich jedenfalls würde zum Streit keinen Anlass geben.«

»Diese Energie könnten wir sinnvoller einsetzen. Mir würde sofort etwas einfallen.«

Lisa lachte laut und neckte zurück. »Mir auch. Apropos Energie, ich könnte zwar bis nach Mitternacht mit dir hier die Musik genießen, aber morgen klingelt bei mir der Wecker um sechs Uhr. Was meinst du? Wann wollen wir los?«

»Du bestimmst!«

»Gut, wollen wir den nächsten Tanz abwarten?«

»Meinetwegen. Mal sehen, ob der Mann mit dem hungrigen Blick wieder bei derselben Frau landet.«

»Interessant, dass du auch von den beiden fasziniert bist. Ich finde sie drücken in ihrer Art, sich zu bewegen, vieles aus, was den Tango ausmacht. Sowas wie Seelenschmerz vielleicht?«

Max amüsierte sich über Lisas Beobachtung. »Da darf ich wohl sehr gespannt sein, was uns alles erwartet.«

»Auf alle Fälle.«

Sie lächelten sich zu und die nächste Runde begann. Natürlich hielt »Er« seine Partnerin fest im Arm. Mit ihrem extravaganten Stil zogen sie erneut alle Blicke auf sich.

Lisa hatte sich also nicht geirrt. Das war kein gewöhnliches Paar. Dennoch entging Lisa der arrogante Blick nicht, den die Frau mitunter zeigte. Oder irrte sie sich? Gehörte auch das zum Stil des Tangotanzes? Sie würde Francesco danach fragen müssen. Aber ihre Körperhaltung sowie die gradlinigen Armbewegungen konnten von keinem anderen Paar im Saal überboten werden.

Mit dem Gedanken, irgendwann eine halbwegs gute Körperhaltung hinzubekommen, machten sie sich auf den Weg nach Hause. Lisa hatte zwar daran gedacht, Max auf ein Glas zu sich nach oben einzuladen, fand es aber zu spät dafür. Glücklicherweise kam er ihr zuvor.

»Ist heute etwas spät geworden, da lasse ich dich lieber allein, damit du alles erst mal verdauen kannst. Der Tag war für einen Start in der großen Stadt nicht schlecht, oder?«

Lisa gab ihm recht: »Stimmt, besser hätte es nicht sein können. Vor allem der zweite Teil des Tages. Danke. Morgen möchte ich dich auch gern verwöhnen. Was hältst du davon, wenn ich dich zum Essen einlade?«

»Gute Idee, da bin ich gespannt, was du zaubern wirst, um meine Geschmacksknospen zu treffen.«

»Lass dich einfach überraschen.«

»Wann soll ich da sein?«

»Wäre 18 Uhr okay?«

»Gern, dann freue ich mich darauf. Aber vor allem natürlich, dich wiederzusehen.«

»Komm gut nach Hause und …« Lisa machte eine kurze Pause, um dann flüsternd zu antworten: »Schön war es mit dir. Ich freu mich auf morgen.«

Max hielt das Auto direkt vor dem Haus. Gemeinsam mit ihm stieg Lisa aus dem Auto und ließ sich bis zur Haustür bringen. Sie wollte gerade aufschließen, als er ihren Kopf zärtlich in seine Hände nahm und sie küsste. So leidenschaftlich, dass ihr Körper zu beben begann. Lisa wehrte sich nicht. Im Gegenteil, sie genoss diesen ersten innigen Kuss. Sie wollte ihn jetzt nicht loslassen, schließlich siegte die Vernunft.

»Ich fange schon mal an, mich zu freuen«, sagte Lisa und ging ins Haus. Kaum dass Lisa in der Wohnung war, sah sie aus dem Fenster und erkannte, wie auch Max zu ihrem Fenster hochsah. Sie winkte ihm ein letztes Mal zu.

Avas letzter Tanz

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