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2. Kapitel

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Erster Tag im Landeskriminalamt Berlin

Lisa erkannte von weitem ein großes Behördengebäude. Das sah gewaltig aus. Mehrere Gebäude reihten sich aneinander und nahmen den Großteil der Straße ein.

Lisa wurde deutlich vor Augen geführt, dass Althaus’ Vorschlag, sie abzuholen, vernünftig war. Allein wäre sie ewig durch diese langen Gänge der Behörde gelaufen, und am Ende wäre sie frustriert gewesen. Lisa war froh, dass sie am Haupteingang erwartet wurde.

Ohne Verspätung stand Lisa nun vor dem Eingang des Hauptgebäudes. Walter Althaus kam gerade he­raus und begrüßte sie freundlich.

»Du bist pünktlich. Das ist gut so, wir sind hier auch nichts anderes gewohnt.«

»Danke fürs Abholen«, meinte Lisa schnell, über seine knappe, sachliche Begrüßung war sie leicht irritiert. Die war das komplette Gegenteil vom überschwänglichen Empfang am Tag zuvor. »Euer Gebäude ähnelt einem Labyrinth. Wer weiß, wie lange ich allein gebraucht hätte, um mich da durchzukämpfen?«

»Das hätte ich dir locker zugetraut. Aber so ist es entspannter. Du lernst bei uns sicher genug Neues kennen, aber natürlich werden wir dich nicht überfrachten.«

»Die zwei Wochen sind auch viel zu knapp dafür«, konterte Lisa.

Althaus überging die Antwort und meinte stattdessen: »Wie war dein erster Abend in Berlin, so ganz allein? Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, dich in der Fremde zu lassen.«

Lisa lag bereits eine Antwort auf der Zunge: »Ach, so allein war ich gar nicht.« Sie besann sich dann eines Besseren und meinte schlicht: »Ich bin das gewohnt, und manchmal brauche ich das sogar. Bei unserem Job läuft es bei euch sicher nicht anders.«

Walter Althaus schmunzelte nur. Mit seiner heute eher knapp gehaltenen Kommunikation ersparte sie sich wahrscheinlich weitere gut gemeinte Fragen oder Ratschläge des neuen Kollegen. Außerdem schien er zu ahnen, dass Lisa nicht die Wahrheit sagte. Die Geräuschkulisse des Restaurants schien ihm beim gestrigen Anruf nicht entgangen zu sein. Immerhin war er ein langjähriger Kriminalbeamter.

Dann äußerte er sich doch zu Lisas Frage: »Ja, das ist so. Ich bin froh, wenn du in dieser Zeit gut zurechtkommst. Doch zurück zu deinem Einsatz. Du wirst das Dezernat 7 mit seinen Unterbereichen 71-73 kennenlernen. Es ist zwar ein relativ kleiner Bereich in der Behörde, der hat es dafür aber in sich. Du wirst später selbst einen Teil des riesigen Spektrums der Technik kennenlernen. Vor allem gehts dort um Forensische Informations- und Kommunikationstechnik. Dabei werden digitale Spuren in einem strafgerichtlichen Verfahren gesichert, untersucht und bewertet. Du wirst vom normalen PC bis hin zum Großrechner alles sehen, aber natürlich gehört auch die Mobilfunkforensik dazu. Die Leute arbeiten mit speziellen VPN. Oh, entschuldige. Vermutlich sagt dir das nicht viel. Ich meine virtuelle private Netzwerke, die sie für andere unsichtbar machen. Ich weiß, dass vieles Neuland für dich sein wird, aber genau deshalb bist du da: Um unsere technischen Möglichkeiten kennenzulernen.«

»Ja klar, ich bin schon sehr gespannt. Das Meiste wird hochinteressant sein, weil ich nie damit zu tun hatte.«

»Davon gehe ich aus.«

»Technische Fragen gehören nicht in mein Ressort. Darum kümmert sich Jens bei uns in Rostock, aber es kann nicht schaden, da mal reinzuschnuppern. Das breite Spektrum bei euch wird, ehrlich gesagt, eine große Herausforderung für mich sein, das hatte ich mir aber schon lange gewünscht. Ich bin bereit!«

»Das ist gut«, antwortete Althaus erneut kurz angebunden.

Sie liefen lange Gänge entlang und stiegen breite Treppen hinauf, bis sie einen Raum, ohne anzuklopfen, betraten. Ein großer, schlanker Mann kam ihnen entgegen und begrüßte Lisa: »Sie müssen Lisa Liebich aus Rostock sein. Freut mich, dass Sie uns über die Schulter schauen wollen. Ich bin übrigens Clemens Dreyer, der Leiter des siebten Bereiches. Bei uns werden Sie mit viel Technik konfrontiert, die ist allerdings deutlich umfangreicher, als das, was Sie von Ihrem regionalen Kommissariat her kennen. Aber Sie sind schließlich hier, um etwas Neues kennenzulernen.«

»Danke für die freundliche Aufnahme. Ich bin sehr gespannt, was mich bei Ihnen erwartet«, meinte Lisa, froh darüber, dass sie hier einen interessanten Bereich kennenlernen würde. Bereits der Anblick der großzügigen Büroräume beeindruckte sie, obwohl sie bis jetzt keine Technik zu Gesicht bekommen hatte.

Clemens Dreyer ergriff erneut das Wort:» Ich werde mich genauso um all Ihre Fragen kümmern. Scheuen Sie sich also nicht, mich zu löchern. Falls Ihnen etwas unklar erscheinen sollte, dann raus damit. Soweit es mir möglich ist, beantworte ich Ihre Fragen gern.«

Er zeigte Lisa einen Schreibtisch, an den sie sich setzen konnte, und nahm selbst auf der anderen Seite Platz.

»Hier können Sie sich erst mal einrichten. Der Kollege ist im Urlaub, passt also.«

Walter Althaus schaltete sich ins Gespräch mit ein. »Später wirst du mit zwei weiteren Bereichen bekanntgemacht, zuerst das Dezernat 72. Dort beschäftigen sich die Kollegen mit der technischen Ermittlungsunterstützung. Das ist unsere Zentralstelle fürs Internet, vor allem für den Bereich der Telekommunikationsüberwachung. Zum Ende deiner kurzen Zeit bei uns wirst du den Fahndungsbereich im Dezernat 73 kennenlernen. Nahezu alle Fahndungen nach strafverfolgten Personen laufen über dieses Dezernat.«

Lisa holte tief Luft. »Da bekomme ich wirklich einen guten Überblick, aber genau das wollte ich. Danke, dass ich überhaupt die Chance bekomme, Einblick in eure Arbeit zu nehmen.«

»Hatte ich bereits in Rostock versprochen«, meinte Walter Althaus betont gelassen. Seine umsorgte Freundlichkeit vom Vortag schien wie ausgewechselt, und Lisa kam nicht um die stille Frage, ob das vielleicht mit ihrer gestrigen Absage zu tun hatte.

»Richte erst mal deinen Arbeitsplatz ein, Clemens und ich sehen dich später.«

Clemens Dreyer machte sich einige Notizen und ging mit Walter Althaus in den Nebenraum. Lisa stellte die wenigen Utensilien, die sie mitgebracht hatte, auf den Schreibtisch.

Wenige Minuten später saßen sie zu dritt in Dreyers angrenzendem Büro und planten, wie es in der ersten Woche für Lisa weitergehen sollte. Lisa erkannte, dass die Berliner Kollegen sich im Vorfeld Gedanken zu ihrem Aufenthalt im Dezernat gemacht hatten. »Ich bin froh, die Möglichkeit zu erhalten, hier dabei zu sein.«

Althaus winkte nüchtern ab. »Ach, nicht der Rede wert. Erzähl lieber, wie es um den Fall bei euch in Rostock steht.«

»Peter hat mir vorige Woche am Telefon berichtet, dass euer Fall so gut wie abgeschlossen ist. Dann haben eure Ermittlungen relativ schnell zum Erfolg geführt. Kompliment.«

»Gut, dass du mich erinnerst. Ich hatte den Kollegen versprochen, sie anzurufen. Die Täterin war auf der Flucht, konnte aber kurze Zeit später von den schwedischen Kollegen festgesetzt werden. Mich interessiert natürlich brennend, wie es mit der Frau weiterging.«

»Das verstehen wir selbstverständlich. Am besten, du machst das gleich, bevor etwas anderes dazwischenkommt.«

Clemens Dreyer nickte zustimmend und Lisa ging in den Nebenraum, griff zum Telefon und wählte die direkte Nummer von Peter Heilmeyer.

»Kommissariat Heilmeyer«, kam ihr sofort die vertraute Stimme ihres Chefs entgegen.

»Grüß dich, Peter, Lisa am Apparat. Wie du siehst, habe ich Sehnsucht nach euch, kaum dass ich in Berlin bin.«

Aus Heilmeyers Stimme verschwand der Dienstton, als er Lisas Stimme erkannte. »Das hatten wir nicht anders erwartet. Hoffentlich hat alles zuverlässig geklappt?«

»Im Landeskriminalamt bin ich im Dezernat 7 gelandet. Die Kollegen haben mit mir einiges geplant und für die zwei Wochen ein recht umfangreiches Programm zusammengestellt. Das kann später für unsere Arbeit in Rostock nur nützlich sein. Jetzt aber interessiert mich, ob mit Silke Peters alles glattlief und ihr sie bereits sprechen konntet?«

»Das Protokoll unserer schwedischen Kollegen ist zwar umfassend, enthält aber das Geständnis der Frau. Doch wir werden sie für unsere Unterlagen selbst befragen müssen.«

»Auf Catrine Schreibers Motiv, die Geliebte ihres Mannes ins Hotel zu locken, bin ich jetzt schon gespannt.«

»Wenn alles glatt läuft, werden wir sie am Nachmittag in der Untersuchungshaft aufsuchen und befragen können. Damit werden wir endgültig den Schlussstrich unter die Akte ›Die Last der Lust‹ ziehen.«

»Mich würde wirklich interessieren, was Frauen antreibt, zu töten? Vor allem, wenn der Mord mit geplantem Vorsatz, nicht etwa im Affekt geschieht.«

»Darauf wird es sicher keine generelle Antwort geben.«

»Das denke ich auch, ruft ihr mich an, wenn ihr mehr wisst?«, fragte Lisa.

»Klar! Wie wäre es morgen am späten Nachmittag? Hoffe, das passt?«

»Ich denke ja, und grüß die anderen Kollegen!«

»Geht klar.« Peter Heilmeyer legte ohne große Worte zu verlieren auf, aber seine schnellen Verabschiedungen kannte sie längst.

Als Lisa zurückkam, schauten die Berliner Kollegen sie erwartungsvoll an, ohne eine Frage zu stellen. Sie wusste natürlich, dass Althaus und Dreyer mehr wissen wollten, und zögerte nicht lange, sie aufzuklären.

»Die letzte Befragung wird heute Nachmittag stattfinden. Die Täterin hat bereits in Schweden gestanden, also nur eine Formsache für unsere Kollegen.«

»Gute Arbeit!«, meinte Dreyer und machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. »Damit du dich recht schnell bei uns einlebst, schlage ich vor, dass wir uns duzen. Das ist bei euch in Rostock sicher genauso üblich! Nenn mich einfach Clemens. Das wird auch besser fürs Arbeitsklima sein und ist hier ohnehin ein übliches Prozedere.«

»Gern. Ich bin Lisa, aber das wisst ihr ja längst.«

Alle grienten.

»Na dann, willkommen im Team«, fügte Walter Althaus hinzu.

Noch am selben Tag wurde Lisa mit einem Teil der besonderen Technik des Dezernats konfrontiert, zudem lernte sie weitere Kollegen kennen.

Die ersten Stunden vergingen schnell. Sie traute sich kaum, jemanden der Kollegen an ihren Computern anzusprechen. Überall war ein regelechter zeitlicher Druck zu spüren, anders als in Rostock. Niemand nahm sich ernsthaft Zeit, sich mit Lisa zu unterhalten. Alle blieben diskret hinter ihren Bildschirmen, sahen kaum auf oder nahmen nur nebenbei Notiz von der neuen Kollegin. Vermutlich übertraf die Anzahl der Straftaten wohl auch bei Weitem die des Kommissariats in Rostock. Soviel hatte Lisa im ersten Gespräch mit Dreyer bereits mitbekommen, auch, dass viele Straftaten länderübergreifend bearbeitet werden mussten. Dennoch verging der Tag deutlich schneller, als Lisa erwartet hatte. Ihr blieb nicht eine Minute, um gedanklich in Richtung des am Abend bevorstehenden Tangokurses abzudriften. Vom ersten Augenblick an wurde sie gefordert und mit Informationen überschüttet. Dabei half, dass sie sich mit Dreyer auf Anhieb gut verstand. Sicher auch, weil er sich die Zeit nahm, Lisas Interessen zu ergründen. Von ihm erfuhr sie, wie schnell sich Daten innerhalb und außerhalb Deutschlands durchstellen ließen.

Lisa zeigte sich fasziniert vom Zusammenspiel der einzelnen Dezernate. Die Hierarchien waren klar unterteilt, und Lisa war jetzt schon gespannt auf ihre konkrete Mitarbeit in einem der Bereiche.

Avas letzter Tanz

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