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Regis rannte benommen und verwirrt durch die Flure. Kleine Lichtpunkte blitzten immer noch auf seiner Netzhaut auf, und die innere Übelkeit schüttelte ihn. Nur ein Gedanke zerrte an ihm:

Versager. Ich bin ein Versager. Selbst Lew, der im Turm ausgebildet wurde und fähig ist, konnte mir nicht helfen. Es ist einfach nichts da. Als er das mit dem Potenzial sagte, wollte er mich besänftigen, als wolle er ein Kind trösten.

Schloss Comyn war ein Labyrinth, und Regis war seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Über kurzem hatte er sich nach dem ersten wilden Drang, dem Ort seiner Demütigung zu entfliehen, tatsächlich verlaufen. Seine durch das Kirian getrübten Sinne erinnerten sich vage an steinerne Sackgassen, tote Ecken, Bogengänge, endlose Treppen, die er Stunden um Stunden auf und ab lief, über die er stolperte und manchmal hinfiel, Höfe, durch die der Wind heulte und Regen prasselte. Bis zum Ende seines Lebens hatte er einen Eindruck von Schloss Comyn, den er beliebig zurückrufen konnte, um seine richtige Erinnerung daran zu überdecken: eine riesige Steinfalle, durch die er jahrhundertelang allein wandelte, ohne je einer menschlichen Gestalt zu begegnen. Einmal hörte er, wie Lew seinen Namen rief, und er drückte sich in eine Nische und verbarg sich für ein paar tausend Jahre, bis lange Zeit später das Rufen aufhörte.

Nach bestimmt langer Zeit, in der er unter Halluzinationen herumwanderte und stolperte, wurde er sich bewusst, dass viel Zeit vergangen war, dass er eine Treppe hinabgefallen, dass die Flure lang waren, jedoch nicht meilenlang, und dass sie nicht mehr mit geheimnisvollen Farben und stummen Tönen angefüllt waren.

Als er schließlich auf einen hohen Balkon gelangte, wusste er endlich, wo er war.

Dämmerung lag über der Stadt vor ihm. Einmal im Verlauf der Nacht hatte er wie jetzt auf einem hohen Söller gestanden und gedacht, dass sein Leben niemandem nütze, weder den Hasturs noch ihm selbst, und dass er sich besser hinabstürzen solle, um es zu beenden. Dieses Mal kam ihm dieser Gedanke nur vage, wie ein Alptraum, wie einer jener schrecklichen Nachtmahre, aus deren Umarmung man schreiend und zitternd erwacht, die sich jedoch Sekunden später in Fragmente auflösen.

Er seufzte tief. Was nun?

Er sollte sich nun auf das Treffen mit seinem Großvater vorbereiten, der sicher bald nach ihm schicken würde. Er musste etwas essen und schlafen. Kirian, hatte man ihm gesagt, verbrauchte so viel an physischer und psychischer Energie, dass man unbedingt mehr zu essen und mehr Schlaf benötigte. Er sollte zurückgehen und sich bei Lew Alton entschuldigen, der nur sehr zögernd getan hatte, worum Regis ihn angefleht hatte … Doch ihm wurde kreuzübel, wenn er daran dachte, was er tun sollte!

Er blickte über die Stadt, die sich vor ihm ausbreitete. Thendara, die alte Stadt, die Handelsstadt, das Hauptquartier der Terraner und der Raumhafen. Und die großen Schiffe, die dort warteten, bereit, zu einem unbekannten Ziel abzuheben. Was er wirklich tun wollte, war, zum Raumhafen gehen und die großen Schiffe aus der Nähe betrachten.

Schnell formte sich der Entschluss in ihm. Er war nicht für einen Gang nach draußen gekleidet, trug immer noch die Hausstiefel aus Filz, doch in seiner gegenwärtigen Stimmung spielte dies keine Rolle. Er war unbewaffnet. Na und? Terraner trugen keine Waffen. Er ging eine steile Treppe hinab und verlor die Orientierung, wusste aber nun, dass er bei Verstand war und nur weiter nach unten gehen musste, um ins Erdgeschoss zu gelangen. Schloss Comyn war keine Festung. Es war eher für offizielle Zeremonien als für die Verteidigung gebaut worden. Das Gebäude hatte viele Tore, es war leicht, unbeobachtet hinauszuschlüpfen.

Er fand sich wieder in einer dämmrigen Straße im Morgengrauen, die durch dicht gedrängte Häuser den Berg hinabführte. Er war hochgradig angespannt durch die Schlaflosigkeit nach dem langen Ritt gestern, doch der anregende Effekt des Kirian wirkte nach, und er fühlte sich nicht schläfrig. Hunger war schon etwas anderes, doch er hatte Geld dabei und war sicher, bald an einem der Gasthäuser vorbeizukommen, wo die Arbeiter vor Beginn ihrer Tätigkeit zu essen pflegten.

Dieser Gedanke erregte und reizte ihn wegen seiner Ungewöhnlichkeit. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben vollständig allein gewesen zu sein. Immer war irgendjemand dagewesen, ihn zu bedienen, ihn zu schützen, ihm jeden Wunsch zu erfüllen: Kinderfrauen und Ammen, als er klein war, Diener und sorgfältig ausgesuchte Gespielen, als er älter wurde. Später gab es die Brüder im Kloster, wenn sie auch eher seine Wünsche verwarfen als erfüllten. Dies hier würde ein Abenteuer werden.

Er fand ein Gasthaus neben einer Schmiede und ging hinein. Der Raum war nur schwach mit Harzkerzen beleuchtet, doch es roch gut nach Essen. Kurz verspürte er Angst, dass man ihn erkennen könnte, doch was konnten sie schon mit ihm tun? Er war alt genug, allein umherzugehen. Außerdem würde man beim Anblick des blausilbernen Umhangs denken, er sei einer der Diener der Hasturs.

Die Männer an den Tischen waren Schmiede und Stallburschen, die heißes Bier, Jaco oder warme Milch tranken und Essen zu sich nahmen, das Regis noch nie weder gerochen noch probiert hatte. Eine Frau nahm Regis’ Bestellung entgegen. Sie blickte ihn nicht an. Er bestellte heißen Nussbrei und warme Gewürzmilch. Sein Großvater, dachte er mit Befriedigung, hätte einen Anfall bekommen.

Er bezahlte das Mahl und aß langsam, denn er spürte noch die Restwirkung der Droge, die beim Essen langsam verschwand. Als er hinausging, fühlte er sich besser. Jetzt war es heller, wenn auch die Sonne noch nicht aufgegangen war. Als er den Hügel hinabging, traf er auf wenig vertraute Häuser von fremdartiger Form und aus merkwürdigen Materialien. Er hatte offensichtlich die Grenze zur Handelsstadt überschritten. In der Ferne konnte er den Wasserfall hören, jenes Geräusch, das ihn so aufgeregt hatte. Er musste schon in der Nähe des Raumhafens sein.

Man hatte ihm einiges über den Raumhafen auf Darkover erzählt. Darkover, das fast keinen Handel mit dem Imperium trieb, befand sich in einer einzigartigen Position zwischen dem oberen und unteren Spiralarm der Galaxis, ungewöhnlich günstig gelegen als Drehscheibe für den interstellaren Verkehr. Trotz der selbst gewählten Isolation von Darkover landeten daher ungeheure Mengen von Raumschiffen für Umsteiger, Reisende, Personal und Fracht auf ihren Wegen zu anderen Sternen auf diesem Planeten. Sie landeten ebenfalls zur Reparatur, Proviantversorgung und für Ruhepausen in der Handelsstadt. Die meisten Terraner hielten sich strikt an das Abkommen, das ihre Bewegungsfreiheit auf die eigenen Gebiete beschränkte. Es hatte ein paar Heiraten zwischen ihnen gegeben, ein wenig Handel, geringe, sehr geringe Importe von terranischen Maschinen und Technologie. Die Darkovaner limitierten dies sehr streng, und jeder Gegenstand wurde vom Rat sorgfältig geprüft, bevor er freigegeben wurde. In den Städten gab es ein paar lizenzierte Matrix-Techniker; ein paar waren sogar hinaus ins Imperium gegangen. Die Terraner, so hatte er gehört, waren hinter der Matrix-Technologie von Darkover her und hatten in den alten Zeiten komplizierte Pläne entwickelt, einige ihrer Geheimnisse zu enthüllen. Er kannte keine Einzelheiten, doch Kennard hatte ihm ein paar Geschichten erzählt.

Er zuckte zusammen, als er merkte, dass die Straße vor ihm von zwei sehr großen Männern in fremdartigen schwarzen Uniformen versperrt wurde. An ihren Gürteln hingen eigenartige Waffen, die, wie Regis mit einem Kitzel des Entsetzens merkte, Sprengköpfe oder Nervengaspatronen sein mussten. Seit dem Zeitalter des Chaos waren solche Waffen auf Darkover verboten, und Regis hatte noch niemals – außer als Antiquität in Museen – eine gesehen. Diese hier waren keine Museumsstücke. Sie wirkten tödlich bedrohlich.

Einer der Männer sagte: »Du missachtest die Sperrstunde, Schätzchen. Bis alles vorbei ist, dürfen Frauen und Kinder von Sonnenuntergang bis eine Stunde nach Sonnenaufgang nicht auf die Straße.«

Frauen und Kinder. Regis Hand fuhr zum Messer. »Ich bin kein Kind. Soll ich Euch herausfordern und es beweisen?«

»Du bist in der Terranischen Enklave, Sohn. Erspar dir diesen Ärger.«

»Ich fordere …«

»O Hölle, einer von denen,« sagte der andere Mann verächtlich. »Sieh mal, Kleiner, wir dürfen keine Duelle austragen, jedenfalls nicht im Dienst. Komm mit und sprich mit dem Offizier.«

Regis wollte gerade wütend protestieren – ein Comyn-Erbe sollte sich während der Zeit der Ratssitzungen rechtfertigen? –, als ihm auffiel, dass sich das Hauptquartier direkt auf dem Raumhafen befand, und dort wollte er schließlich hin. Mit einem heimlichen Grinsen ging er mit.

Nachdem sie die Tore des Raumhafens hinter sich gelassen hatten, merkte er, dass er gestern vom Berg herab einen besseren Blick gehabt hatte. Hier waren die Raumschiffe hinter Zäunen und Barrikaden versteckt. Die Raumhafenpatrouillen führten ihn in ein Gebäude, wo sich ein junger Offizier, nicht in schwarzer Uniform, sondern in normaler terranischer Kleidung, mit etlichen Sündern gegen die Anordnung der Sperrstunde befasste. Als sie hereinkamen, sagte er gerade: »Dieser Mann ist in Ordnung. Er hat nach einer Hebamme gesucht und die falsche Abzweigung genommen. Schickt jemanden mit ihm, der ihn in die Stadt zurückbringt.« Er blickte zu Regis, der zwischen den beiden Uniformierten stand. »Noch einer? Ich hatte gehofft, für diese Nacht fertig zu sein. Nun, Kleiner, wie lautet denn deine Geschichte?«

Regis warf stolz den Kopf zurück. »Wer seid Ihr? Mit welchem Recht hat man mich hierher gebracht?«

»Mein Name ist Dan Lawton«, sagte der Mann. Er sprach die gleiche Sprache, in der Regis ihn angeredet hatte, und er sprach sie gut. Das war ungewöhnlich. Er sagte: »Ich bin Assistent des Legaten und befinde mich im Moment im Dienst für die Überwachung der Sperrstunde. Die du verletzt hast, junger Mann.«

Einer der Raumhafenmänner sagte: »Wir haben ihn direkt hierher gebracht, Dan. Er wollte sich mit uns duellieren. Wirst du mit ihm fertig?«

»Wir tragen in der Terranischen Enklave keine Duelle aus«, sagte Lawton. »Bist du neu in Thendara? Die Sperrstundenbestimmungen sind überall angeschlagen. Wenn du nicht lesen kannst, schlage ich vor, du lässt sie dir von jemandem vorlesen.«

Regis gab zurück: »Ich erkenne kein Gesetz an als das der Kinder von Hastur.«

Ein merkwürdiger Ausdruck überzog das Gesicht Lawtons. Regis dachte einen Moment lang, er würde ihn auslachen, doch Miene und Stimme verrieten nichts davon. »Eine lobenswerte Sache, Sir, doch hier nicht sonderlich passend. Die Hasturs selbst haben diese Begrenzungen aufgestellt und anerkannt und helfen uns dabei, dieses Gesetz zu achten. Weigert Ihr Euch, die Autorität des Rates der Comyn anzuerkennen? Wer seid Ihr, dass Ihr Euch weigert?«

Regis reckte sich zu voller Höhe empor. Er wusste, dass er zwischen den riesigen Raumhafenpolizisten immer noch schmächtig wie ein Kind wirkte.

»Ich bin Regis-Rafael Felix Alar Hastur y Elhalyn«, sagte er stolz.

In Lawtons Augen spiegelte sich Erstaunen. »Aber was, im Namen aller Eurer Götter, streunt Ihr dann allein zu dieser Stunde hier umher? Wo ist Eure Leibwache? Ja, Ihr seht wie ein Hastur aus«, sagte er, als er ein Interkom zu sich heranzog und dringlich in Terranischem Standard hineinsprach. Regis hatte es in Nevarsin gelernt. »Sind die Älteren der Comyn schon fort?« Er lauschte einen Moment und wandte sich dann wieder Regis zu. »Ein Dutzend Eurer Verwandten sind vor etwa einer halben Stunde hier fortgegangen. Hattet Ihr eine Botschaft für sie? Wenn dem so ist, kommt Ihr zu spät.«

»Nein«, gab Regis zu. »Ich bin allein gekommen. Ich wollte einfach mal zusehen, wenn ein Raumschiff abhebt.« Hier, in diesem Büro, klang es wie ein kindischer Wunsch. Lawton sah erstaunt aus.

»Aber das kann man leicht arrangieren. Wenn Ihr vor ein paar Tagen eine formelle Bitte eingereicht hättet, hätten wir gern für jeden Eurer Verwandten eine Besichtigungstour vorbereitet. So kurzfristig wie jetzt gibt es nicht viel zu sehen, doch in ein paar Minuten geht ein Frachttransport nach Wega ab. Ich nehme Euch mit auf eine der Besucherplattformen. Kann ich Euch in der Zwischenzeit einen Kaffee anbieten?« Er zögerte, doch dann sagte er: »Ihr seid nicht Lord Hastur, das ist sicher Euer Vater.«

»Großvater. Meine korrekte Anrede ist Lord Regis.«

Er nahm das angebotene terranische Getränk an und fand es bitter, doch recht angenehm. Dan Lawton führte ihn zu einem hohen Schacht, in dem sie mit beunruhigender Geschwindigkeit nach oben sausten und auf eine glasumschlossene Besucherterrasse gelangten. Unter ihnen lag ein riesiges Frachtschiff, bereit zum Abheben. Die Tankleitungen waren beiseite gezogen, das Gerüst und die Landeplattform wurden wie Spielzeuge fortgezogen. Alles lief schnell und geübt ab. Wieder hörte Regis jenen Wasserfall, der zu einem Tosen, einem Kreischen anschwoll. Langsam erhob sich das große Schiff, dann schneller und schneller und war bald verschwunden … hinter den Sternen.

Regis blieb reglos stehen und starrte auf den Fleck am Himmel, wo das Raumschiff verschwunden war. Er wusste, dass ihm Tränen in den Augen standen, doch es war ihm egal. Nach einer Weile führte ihn Lawton zu dem Fahrstuhlschacht. Regis ging wie im Schlaf. Plötzlich hatte sich ein Wunsch in ihm herausgeformt.

Irgendwo im Imperium, irgendwo weit weg von den Domänen, die keinen Raum für ihn hatten, musste es eine Welt für ihn geben. Eine Welt, in der er frei sein würde von der unendlichen Bürde, die auf ihm als einem Comyn lastete, eine Welt, wo er er selbst sein konnte anstatt einfach der Erbe der Domäne, in der sein Leben von der Wiege bis zur Bahre vorgeplant war. Die Domäne? Lasst Javannes Söhne sie erben! Der Hauch der Freiheit berauschte ihn fast. Freiheit von einer Last, unter der er geboren war, doch unfähig, sie zu tragen!

Lawton hatte seine Geistesabwesenheit bemerkt. Er sagte: »Ich sorge für Geleit zurück nach Schloss Comyn, Lord Regis. Ihr könnt nicht allein gehen. Schlagt es Euch aus dem Kopf. Unmöglich.«

»Ich bin allein hergekommen, und ich bin kein Kind mehr.«

»Sicher nicht«, sagte Lawton mit unbewegtem Gesicht. »Aber bei der momentanen Situation in der Stadt kann alles passieren. Und wenn ein Unfall geschieht, bin ich persönlich dafür verantwortlich.«

Er hatte die Casta-Phrase angewandt, die persönliche Ehre andeutete. Regis hob die Brauen und drückte seine Bewunderung für diese Sprachbeherrschung aus.

»Übrigens, Lord Regis, ist dies meine Muttersprache. Meine Mutter hat niemals in einer anderen Sprache zu mir geredet. Terranisch habe ich als Fremdsprache lernen müssen.«

»Ihr seid also Darkovaner?«

»Meine Mutter – und sie war eine Verwandte der Hasturs. Lord Ardais ist ein Vetter meiner Mutter, wenn ich auch bezweifle, dass er die Verwandtschaft anerkennen würde.«

Als Lawton sich um die Eskorte kümmerte, dachte Regis darüber nach. Weitaus entferntere Verwandte gelangten oft an einen Sitz im Rat der Comyn. Dieser terranische Offizier – Halbterraner – hätte ebenfalls Darkovaner werden können. Er hatte ebensolches Recht auf einen Comyn-Sitz wie Lew Alton zum Beispiel. Lew hätte sich ebenso gut entscheiden können, als Terraner zu leben – eine Wahl, die zu treffen Regis für seine eigene Zukunft plante. Er überlegte während der Rückfahrt durch die Stadt, wie er seinem Großvater diese Neuigkeit beibringen könne.

In den Hastur-Räumen teilte ihm ein Diener mit, Danvan Hastur warte auf ihn. Als er sich umkleidete – der Gedanke, er könne sich dem Comyn-Regenten in Hauskleidern und Filzpantoffeln präsentieren, kam ihm nicht einmal flüchtig in den Sinn –, fragte er sich wütend, ob Lew seinem Großvater irgendetwas gesagt habe. Ihm kam der Gedanke, wenn auch um Stunden zu spät, dass Hastur Lew hätte verantwortlich machen können, wenn ihm irgendetwas passiert wäre. So belohnte er also Lews Freundschaft!

Als er sich ansehnlich in eine himmelblau gefärbte Ledertunika gekleidet und hohe Stiefel angezogen hatte, ging er zum Audienzraum seines Großvaters hinauf.

Drinnen fand er Danvan Hastur von Hastur, den Regenten der Sieben Domänen, im Gespräch mit Kennard Alton vor. Als er die Tür öffnete, zog Hastur die Brauen hoch und bedeutete ihm, Platz zu nehmen. »Einen Augenblick, mein Junge, mit dir rede ich später.« Er wandte sich wieder Kennard zu und sagte mit einem Tonfall unendlicher Geduld: »Kennard, mein Freund und lieber Verwandter, was du erbittest, ist einfach unmöglich. Ich habe geduldet, wie du uns Lew aufgezwungen hast …«

»Habt Ihr es bereut?«, fragte Kennard wütend. »In Arilinn sagen sie mir, dass er ein starker Telepath ist, einer ihrer besten. Bei der Garde erweist er sich als kompetenter Offizier. Welches Recht habt Ihr anzunehmen, Marius würde den Comyn Schande bringen?«

»Wer hat von Schande geredet, Vetter?« Hastur stand vor seinem Schreibtisch, ein kräftiger alter Mann, nicht so hoch gewachsen wie Kennard, mit vollem Haar, das einst silbrig golden gewesen und nun fast ergraut war. Er sprach mit langsamer, überlegter Freundlichkeit. »Ich habe geduldet, dass du uns Lew aufgezwungen hast, und ich habe es nicht bereut. Aber es hängt noch mit mehr zusammen. Lew sieht nicht wie ein Comyn aus, nicht mehr als du auch, aber es ist überhaupt keine Frage, dass er Darkovaner und dein Sohn ist. Aber Marius? Unmöglich!«

Kennard presste die Lippen zusammen. »Stellt Ihr die Vaterschaft eines anerkannten Alton-Sohnes in Frage?« Regis, der ruhig in der Ecke stand, war froh, dass sich Kennards Wut nicht gegen ihn richtete.

»Aber keineswegs. Doch er hat das Blut und das Gesicht seiner Mutter und ihre Augen. Mein Freund, du weißt, was die Kadetten der Wache in ihrem ersten Jahr durchmachen müssen …«

»Er ist mein Sohn und kein Feigling. Warum glaubt Ihr, ist er unfähig, seinen Platz einzunehmen, einen Platz, auf den er ein Recht hat?«

»Recht? Nein. Ich will mich mit dir nicht streiten, Ken, aber deine Heirat mit Elaine haben wir niemals anerkannt. Rechtmäßig ist Marius, was das Erbe und die Domänenrechte betrifft, in keiner Weise abgesichert. Lew haben wir das Recht gegeben. Und zwar nicht auf Grund seiner Geburt, sondern durch einen Akt des Rates, weil er ein Alton ist, ein Telepath, mit vollem Laran. Marius hat kein solches Recht vom Rat bekommen.« Er seufzte. »Wie kann ich dir das nur beibringen? Ich bin sicher, der Junge ist mutig, wahrhaftig und ehrlich – er hat bestimmt alle Tugenden, die die Comyn von ihren Söhnen erwarten. Jeder Junge, den du erzogen hast, würde solche Qualitäten aufweisen. Wer sollte das besser wissen als ich? Aber Marius sieht wie ein Terraner aus. Die anderen Jungen würden ihn in Stücke reißen. Ich weiß, was Lew mitgemacht hat. Er tat mir Leid, wenn ich auch seinen Mut bewundert habe. Auf ihre Weise haben sie ihn nun akzeptiert. Marius würden sie niemals akzeptieren. Niemals. Warum soll man ihn für nichts solches Elend durchmachen lassen?«

Kennard ballte die Fäuste und schritt wütend im Zimmer auf und ab. Mit zornerstickter, aber klarer Stimme sagte er: »Ihr meint, ich kann einen Kadettenplatz für einen armen Verwandten bekommen oder für einen Bastardsohn von irgendeiner Hure oder für einen Idioten, ehe ich dies für meinen legitim geborenen jüngeren Sohn erhalte?«

»Kennard, wenn es an mir hinge, würde ich dem Jungen seine Chance geben. Aber mir sind die Hände gebunden. Es gab im Rat genug Aufruhr über die Bürgerrechte für jene mit Mischblut. Dyan …«

»Ich weiß nur zu gut, wie Dyan sich fühlt. Er hat es genügend klargestellt.«

»Dyan genießt im Rat große Unterstützung. Und Marius’ Mutter war nicht nur Terranerin, sondern auch noch zur Hälfte Aldaran. Wenn du einige Generationen lang auf Darkover gesucht hättest, du hättest kaum eine finden können, die als Mutter deiner rechtmäßigen Söhne geringere Chancen auf Anerkennung gehabt hätte als sie.«

Kennard sagte leise: »Es war Euer eigener Vater, der mich nach dem Willen des Rats nach Terra geschickt hat, als ich vierzehn Jahre alt war. Elaine ist auf Terra aufgewachsen und dort zur Schule gegangen, doch sie hielt sich für eine Darkovanerin. Zuerst wusste ich überhaupt nichts von ihrem terranischen Blut. Doch es spielte keine Rolle. Selbst wenn sie reinrassige Terranerin gewesen wäre …« Er brach ab. »Genug davon. Es ist lange her, und sie ist tot. Und was mich angeht, so glaube ich, meine Laufbahn und mein Ruf, meine Jahre als Kommandeur der Wache und die zehn Jahre auf Arilinn haben genügend gezeigt, wer und was ich bin.« Er schritt durch den Raum. Sein ungleichmäßiger Schritt und das zerquälte Gesicht verrieten die Emotionen, die er aus seiner Stimme herauszuhalten versuchte. »Ihr seid kein Telepath, Hastur. Für Euch war es leicht, das zu tun, was die Kaste von Euch erwartete. Die Götter wissen es, ich versuchte, Caitlin zu lieben. Es lag nicht an ihr. Aber ich liebte Elaine, und sie war die Mutter meiner Söhne.«

»Kennard, es tut mir Leid. Ich kann nicht gegen den ganzen Rat für Marius kämpfen, es sei denn … er hat Laran

»Ich habe keine Ahnung. Spielt es eine Rolle?«

»Wenn er die Gabe der Altons hätte, wäre es möglich – nicht leicht, aber möglich –, ihm einige Rechte zuzugestehen. Es gibt Präzedenzfälle. Mit Laran kann man sogar einen entfernten Verwandten in die Domänen adoptieren. Aber ohne … nein, Kennard. Frage nicht. Lew ist nun akzeptiert, ja sogar respektiert. Bitte nicht um mehr.«

Kennard sagte mit gesenktem Kopf. »Ich wollte Lew nicht testen, ob er die Alton-Gabe besitzt. Selbst bei aller Sorgfalt habe ich ihn fast getötet. Hastur, ich kann dieses Risiko nicht noch einmal eingehen. Würdet Ihr es Eurem jüngsten Sohn antun?«

»Mein einziger Sohn ist tot«, sagte Hastur und seufzte. »Wenn ich irgendetwas für den Jungen tun kann …«

Kennard antwortete: »Das Einzige, was ich für ihn will, ist sein Recht, und das ist auch das Einzige, das Ihr ihm nicht geben wollt. Ich hätte sie beide mit zur Erde nehmen sollen. Doch Ihr hattet mir das Gefühl gegeben, ich würde hier gebraucht.«

»Das wirst du auch, Ken, und das weißt du auch – genauso wie ich.« Hasturs Lächeln war freundlich und sehr besorgt. »Eines Tages wirst du vielleicht erkennen, warum ich deinen Wunsch nicht erfüllen kann.« Seine Augen wanderten zu Regis, der auf der Bank hin und her rutschte. Er sagte: »Du entschuldigst, Kennard …«

Es war eine höfliche, aber endgültige Entlassung. Kennard zog sich zurück, doch er blickte wütend und unterließ jegliche Höflichkeitsfloskel des Abschieds. Hastur sah müde aus. Er seufzte und sagte: »Komm her, Regis. Wo bist du gewesen? Habe ich nicht schon Sorgen genug, um mir auch noch um dich welche machen zu müssen, wenn du wie ein ungezogenes Kind einfach wegrennst, um dir irgendwelche Raumschiffe oder Ähnliches anzusehen?«

»Das letzte Mal, da ich Euch Sorgen bereitete, Großvater, habt Ihr mich in das Kloster geschickt. Ist es nicht schlimm, dass Ihr das nun nicht mehr machen könnt?«

»Sei nicht unverschämt, Kleiner«, knurrte Hastur. »Soll ich mich etwa entschuldigen, dass ich dich gestern Abend nicht willkommen geheißen habe? Nun gut, dann entschuldige ich mich. Ich konnte nichts dafür.« Er kam auf Regis zu, nahm ihn in die Arme und drückte seine welken Wangen eine nach der anderen an die des Jungen. »Ich bin die ganze Nacht auf den Beinen gewesen, sonst hätte ich mir wohl eine bessere Art einfallen lassen, dich zu begrüßen.« Er hielt ihn mit ausgestreckten Armen von sich, wobei er vor Müdigkeit mit den Augen blinzelte. »Du bist gewachsen, Kind. Du siehst deinem Vater sehr ähnlich. Er wäre stolz gewesen, glaube ich, dich so als einen Mann nach Hause kommen zu sehen.«

Gegen seinen Willen war Regis gerührt. Der alte Mann sah so erschöpft aus. »Welche Krise hat Euch denn die ganze Nacht auf den Beinen gehalten, Großvater?«

Hastur ließ sich schwerfällig auf eine Bank fallen. »Das Übliche. Ich glaube, man kennt es auf jedem Planeten, auf dem das Imperium einen Raumhafen baut, aber wir hier sind nicht daran gewöhnt. Aus allen Ecken und Winkeln des Imperiums kommen und gehen die Leute, Reisende, Durchziehende, Raumsoldaten auf Urlaub und die Versorgungseinheiten. Bars, Amüsierkneipen, Spielhallen, Hotels für … äh …«

»Ich bin alt genug, um zu wissen, was ein Bordell ist, Sir.«

»In deinem Alter? Auf jeden Fall, Betrunkene benehmen sich unanständig, und Terraner tragen unerlaubt Waffen. Nach dem Abkommen ist das in der alten Stadt verboten, doch die Leute überschreiten immer wieder die Grenze. Man kann es nicht verhindern, es sei denn, man zieht eine Mauer um die Stadt. Es gab Schlägereien, Duelle, Messerstechereien und sogar einige Morde, und es ist nicht immer klar, ob die Stadtgarde oder die Terranische Raumarmee sich mit diesen Gesetzesbrechern befassen soll. Unsere Bestimmungen sind so unterschiedlich von den ihren, dass man kaum Kompromisse findet. Letzte Nacht gab es eine Schlägerei, und ein Terraner hat eine Wache mit dem Messer verletzt. Der Terraner gab zu seiner Verteidigung an, die Wache habe ihm, wie er es nannte, ein unanständiges Angebot gemacht. Muss ich es dir erläutern?«

»Natürlich nicht. Aber versucht Ihr mir zu erzählen, dass dies als rechtmäßige Verteidigung für einen Mord vorgebracht wurde?«

»Allerdings. Offensichtlich nehmen die Terraner es schwerer als die Cristofores. Er bestand darauf, dass sein Angriff auf den Wachsoldaten gerechtfertigt gewesen sei. Nun hat der Bruder des Wachsoldaten dem Terraner einen Mordversuch vorgehalten. Die Terraner unterliegen nicht unseren Gesetzen, daher hat er sich geweigert, den Vorwurf anzunehmen und stattdessen den Bruder der Wache wegen versuchten Mordes angeklagt. Was für ein Durcheinander! Ich hätte niemals gedacht, dass ich den Tag erlebe, an dem der Rat wegen einer Messerstecherei zusammentritt. Diese verdammten Terraner!«

»Und wie habt Ihr es schließlich geregelt?«

Hastur zuckte die Achseln. »Mit einem Kompromiss, wie immer. Der Terraner wurde deportiert und der Bruder des Wachmanns im Gefängnis behalten, bis der Terraner abgereist war. So findet keiner von beiden Frieden außer dem Toten. Für alle unbefriedigend. Doch davon nun genug. Erzähle mir von dir, Regis.«

»Nun, dann muss ich wieder von den Terranern anfangen«, sagte Regis. Es war nicht der beste Zeitpunkt, doch sein Großvater würde wahrscheinlich in den nächsten Tagen kaum Zeit haben, wieder mit ihm zu reden. »Großvater, ich werde hier nicht gebraucht. Ihr wisst wahrscheinlich, dass ich kein Laran habe, und in Nevarsin habe ich herausgefunden, dass ich mich nicht für Politik interessiere. Ich habe mich entschieden, was ich mit meinem Leben anfangen möchte: Ich möchte in den Terranischen Raumdienst für das Imperium eintreten.«

Hastur fiel das Kinn herab. Er runzelte die Stirn und fragte: »Ist das ein Scherz? Oder wieder so ein Schelmenstück?«

»Keines von beiden, Großvater. Ich meine es so, und ich bin schließlich volljährig.«

»Aber das kannst du doch nicht machen! Sie werden dich ohne meine Zustimmung sicherlich niemals akzeptieren.«

»Diese hoffe ich zu erlangen, Sir. Doch nach dem Gesetz von Darkover, welches Ihr Kennard vorgehalten habt, bin ich volljährig und berechtigt, über mein Leben selbst zu entscheiden. Ich kann heiraten, ein Duell austragen, einen Sohn anerkennen, für einen Mord verantwortlich gemacht werden …«

»Die Terraner sehen das anders. Kennard wurde vorzeitig für volljährig erklärt, als er ging. Aber auf Terra wurde er zur Schule geschickt, eingezogen und nach dem Gesetz gezwungen, einem ernannten Paten zu gehorchen, bis er über zwanzig war. Du würdest das hassen.«

»Ohne Zweifel. Aber eines habe ich in Nevarsin gelernt, Sir … man kann mit den Dingen leben, die man hasst.«

»Regis, ist das deine Rache, weil ich dich nach Nevarsin geschickt habe? Warst du dort so unglücklich? Was soll ich dazu sagen? Ich wollte dir die bestmögliche Erziehung verschaffen, und ich hielt es für besser, dich unter vernünftige Obhut zu stellen, als dich daheim vernachlässigt zu sehen.«

»Nein, Sir«, sagte Regis etwas unsicher, »ich möchte einfach gehen, und hier werde ich nicht gebraucht.«

»Du sprichst die terranischen Sprachen aber nicht.«

»Ich verstehe aber das Terranische Standard. Ich habe es in Nevarsin lesen und schreiben gelernt. Wie Ihr schon sagtet, bin ich auf das Sorgfältigste ausgebildet. Eine neue Sprache zu lernen ist keine große Sache.«

»Du sagst, du seist volljährig«, sagte Hastur kalt, »dann lass mich dir auch ein paar Gesetze zitieren. Das Gesetz sieht vor, dass, bevor du, Erbe einer Domäne, ein solches Risiko auf dich nimmst, wie in eine andere Welt zu gehen, du für einen Erben für deine Domäne sorgen musst. Hast du einen Sohn, Regis?«

Verbittert blickte Regis zu Boden. Hastur wusste natürlich, dass er keinen hatte. »Was spielt das für eine Rolle? Es ist Generationen her, seit die Hastur-Gabe sich in direkter Linie in voller Ausgeprägtheit gezeigt hat. Und was das gewöhnliche Laran angeht, so kann das doch irgendwo in den Domänen auftauchen, da es in direkter Linie der männlichen Nachkommenschaft liegt. Nimm dir einfach irgendeinen Erben; er könnte für die Domäne nicht weniger geeignet sein als ich. Ich glaube, das Gen ist rezessiv und stirbt aus, erlischt wie der Stamm der Katalysatortelepathen. Und Javanne hat Söhne; einer von ihnen kann es genauso gut haben wie irgendein Sohn von mir, wenn ich welche hätte. Die ich nicht habe«, fügte er aufsässig hinzu, »und auch nicht haben werde. Nicht jetzt und auch in Zukunft nicht.«

»Wo bekommst du nur solche Ideen her?«, fragte Hastur schockiert und entsetzt. »Du bist nicht zufällig ein Ombredin?«

»In einer Cristoforo-Abtei? Kaum möglich. Nein, Sir, nicht einmal zum Vergnügen. Und sicher nicht als Lebensweise.«

»Aber warum solltest du sonst so etwas sagen?«

»Weil«, brach es wütend aus Regis heraus, »ich mir selbst gehöre und nicht den Comyn. Es ist besser, die Linie mit mir aussterben zu lassen, als für Generationen weiterzumachen, uns Hastur zu nennen ohne unsere Gabe – politische Marionetten, die von den Terranern benutzt werden, das Volk ruhig zu halten.«

»So siehst du mich also, Regis? Ich habe die Regentschaft übernommen, als Stefan Elhalyn starb, weil Derik erst fünf war, zu jung, um selbst als Marionettenkönig gekrönt zu werden. Es ist mein Pech, in einer Periode der Veränderung zu regieren, aber ich glaube, ich bin mehr als nur eine Galionsfigur für die Terraner gewesen.«

»Ich kenne einiges aus der Geschichte des Imperiums, Sir. Das Imperium wird auch hier schließlich die Macht übernehmen. Es war bisher immer so.«

»Glaubst du etwa, ich weiß das nicht? Ich lebe nun seit drei Regierungsperioden mit diesem Unvermeidlichen. Aber wenn ich lange genug lebe, wird der Wechsel langsam gewesen sein, einer, mit dem unser Volk leben kann. Und was das Laran angeht – bei Hastur-Männern entwickelt es sich erst spät. Gib dir noch Zeit.«

»Zeit!« Regis legte all seine Unzufriedenheit in dieses Wort.

»Ich habe auch kein Laran, Regis. Aber ich denke dennoch, dass ich meinem Volk gut diene. Könntest du dich nicht damit begnügen?« Er blickte in Regis’ verschlossenes Gesicht und seufzte. »Nun, dann werde ich mit dir feilschen. Ich möchte nicht, dass du als Kind gehst, das unter Terranischem Gesetz einem vom Hof benannten Paten untersteht. Das wäre für uns alle eine Schande. Du bist in dem Alter, wo ein Comyn-Erbe im Kadettenkorps dienen sollte. Leiste deinen Dienst drei Kadettenjahre lang bei den Wachen. Wenn du danach immer noch gehen willst, werden wir uns eine Möglichkeit überlegen, dich auf die gewünschten Welten zu bringen, ohne ihren bürokratischen Weg zu durchlaufen. Du würdest dieses Leben hassen … ich habe es fünfzig Jahre durchlebt und hasse es immer noch. Aber verlass die Comyn nicht, bevor du ihnen eine faire Chance gegeben hast. Drei Jahre sind nicht lang. Schlägst du ein?«

Drei Jahre! In Nevarsin war es ihm wie eine Ewigkeit erschienen. Aber hatte er eine andere Wahl? Keine, es sei denn, er leistete Widerstand. Er konnte fortlaufen und bei den Terranern selbst Hilfe suchen. Aber wenn er nach ihren Gesetzen noch ein Kind war, würden sie ihn einfach wieder seinen Verwandten überantworten. Das wäre in der Tat eine Schande.

»Drei Kadettenjahre«, sagte er schließlich etwas missmutig. »Aber nur, wenn Ihr mir Euer Ehrenwort gebt, dass Ihr auch dann nichts mehr dagegen habt, wenn ich mich danach zum Weggehen entschließe.«

»Wenn du nach drei Jahren immer noch ziehen willst«, sagte Hastur, »dann verspreche ich dir, nach einem ehrenhaften Weg zu suchen.«

Regis hörte genau zu und erwog die Worte nach diplomatischen Mehrdeutigkeiten und Halbwahrheiten. Doch die Augen des alten Mannes blickten geradeheraus, und die Verlässlichkeit des Wortes der Hasturs war schon sprichwörtlich. Selbst die Terraner wussten dies.

Schließlich sagte er: »Abgemacht. Drei Jahre bei den Kadetten. Auf Euer Wort.« Bitter fügte er hinzu: »Ich habe ja ohnehin keine andere Wahl, oder?«

»Wenn du eine Wahl hättest haben wollen«, sagte Hastur, und in seinen blauen Augen blitzte Feuer, wenn seine Stimme auch ebenso alt und müde klang wie vorher, »hättest du anderswo geboren werden müssen, bei anderen Eltern. Ich habe es mir nicht ausgesucht, Oberberater bei Stefan Elhalyn zu sein, habe weder sein Leben ausgesucht noch seinen Tod. Niemand von uns hat zeit seines Lebens die freie Wahl.« Seine Stimme bebte, und Regis merkte, dass sich der alte Mann am Rande der Erschöpfung oder eines Zusammenbruchs befand.

Gegen seinen Willen war Regis wiederum gerührt. Er biss sich auf die Lippen und wusste, wenn er nun redete, würde er niederfallen, seinen Großvater um Verzeihung bitten und ihm bedingungslosen Gehorsam geloben. Vielleicht waren es die letzten Überreste des Kirian, doch plötzlich wurde er sich schmerzhaft dessen bewusst, dass sein Großvater seinem Blick auswich, weil der Regent der Sieben Domänen nicht weinen konnte, nicht einmal vor seinem Enkel, nicht einmal in Gedanken an den schrecklichen und frühzeitigen Tod seines einzigen Sohnes.

Als Hastur schließlich wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme hart und rau, wie die eines Mannes, der es gewohnt ist, mit einer unaufschiebbaren Krise nach der anderen umzugehen. »Der erste Aufruf der Kadetten ist heute am späten Vormittag. Ich habe dem Kadettenmeister Nachricht geben lassen, dich dort zu erwarten.« Er erhob sich und umarmte Regis zum Abschied. »Ich werde dich bald wieder sehen. Schließlich sind wir nun nicht mehr durch einen Dreitagesritt und ein Gebirge getrennt.«

Er hatte also schon dem Kadettenmeister Bescheid gegeben. So sicher war er sich also gewesen. Man hatte ihn manipuliert, gefangen wie eine Maus, damit er exakt das tat, was von einem Hastur erwartet wurde. Und er hatte sich selbst dahingebracht, noch drei Jahre auszuhalten.

Hasturs Erbe

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