Читать книгу Wie viele Sekunden hat das Glück - Marita Schöneweiß - Страница 7

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Kapitel 2

Die Wochen und Monate gingen nur so dahin und Katharina gewöhnte sich schnell an ihre neuen Pflichten. Alleine das Vieh im Stall war um ein Vielfaches mehr. Neun Milchkühe, vier Sauen und dazu das Federvieh. Das Melken erledigte sie mit der Bäuerin gemeinsam. Die Milchkannen brachte Katharina jeden Morgen zu der Sammelstelle. Die beiden Frauen kamen sehr gut miteinander aus - die Bäuerin Florentine Neubauer und ihre Schwiegertochter Katharina!

Wie glücklich die beiden jungen Leute waren, konnte man an ihren Augen ablesen. Die Eltern waren sehr zufrieden mit ihrer Schwiegertochter. Heinrich hatte eine gute Wahl getroffen. Katharina passte auf diesen Hof.

Wie an jedem Morgen, hörte Katharina die Stimme des Schwiegervaters durch das Haus schallen.

"Aufstehen! Alle Mann hoch! Es wird Zeit!"

Der Neubauer Vater war der Erste, der jeden Morgen sein Bett verließ. Nach dem Ankleiden schlurfte er in die Küche und zündete das Feuer in dem Herd an. Die Neubauer Mutter kochte eine Kanne Kaffee und bevor es hinausging, die Tiere zu versorgen, fanden alle eine warme Küche vor und frisch aufgebrühten Kaffee.

Und schon wieder ertönte die laute Stimme des Bauern durch das Haus.

"Heinrich, Katharina, es wird Zeit!"

Katharina hob ihren Kopf, sah auf den Wecker und stellte fest, dass es wirklich schon 5.00 Uhr war. Heinrich schlief und schnarchte noch fest vor sich hin. Vorsichtig ließ sie ihren Kopf wieder auf ihr Kissen sinken. Sie musste erst einmal ganz tief durchatmen. Irgendetwas schien mit ihr heute Morgen nicht zu stimmen. Sie war völlig zerschlagen. Sie wusste nicht warum. Aber ihr ging es wirklich nicht gut. Katharina kannte dies überhaupt nicht. Gestern Abend war Spinnstube gewesen. Natürlich war es etwas später geworden. Aber das war doch schon öfter vorgekommen. Noch nie hatte ihr das etwas ausgemacht. Aber heute Morgen! Schrecklich übel war ihr.

Sie rüttelte Heinrich wach.

"Heinrich, aufwachen! Der Vater hat schon zweimal gerufen!"

Verschlafen öffnete Heinrich seine Augen.

"Guten Morgen, mein Liebes! Du weißt doch, dass der Vater nicht Ruhe gibt, bis er alle aus dem Bett geworfen hat. Beim dritten Mal wird es dann Zeit, dass wir aufstehen!"

Katharina lag still neben ihm und sagte kein Wort. Im Nu war Heinrich hellwach. Er blickte zu seiner Frau hinüber.

"Kathi, was ist los mit dir?", fragte er besorgt.

"Ich weiß nicht, was mit mir los ist! Mir ist so schrecklich übel!"

Heinrich lachte.

"Du wirst einen Kater haben! Der Likör hatte es in sich. Ihr wart ganz schön lustig gestern Abend in der Spinnstube!"

"Aber Heinrich!", wehrte sie energisch ab, "Ich habe doch nur drei kleine Schnapsgläschen davon getrunken. Vielleicht war er am Ende noch schlecht!"

"Aber Kathi, ich habe noch nie gehört, dass Likör schlecht sein kann. Ich habe doch auch davon getrunken, als ich nach der Gesangstunde noch bei euch hineingeschaut habe. Ich kann nicht klagen. Mir geht es gut. Ein wenig Schlaf könnte ich noch gebrauchen, aber sonst. War ja auch ganz schön spät geworden. Na komm, lass uns aufstehen. Der Kater vergeht schon!"

Katharina kostete es sehr viel Mühe, sich aus dem Bett zu erheben und anzukleiden. Die Eltern waren schon fleißig bei der Arbeit, als Katharina die Stalltüre öffnete. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Mit aller Kraft schlug ihr der Stallgeruch entgegen. Der Magen drehte und drehte sich. Katharina schluckte und mit viel Überwindung betrat sie den Stall. Sie musste sich sehr anstrengen, dass sie die Kühe gemolken bekam. Sie war froh, als sie nach dem Melken endlich auch das Melkgeschirr sauber hatte.

Später, am Frühstückstisch, meinte die Neubauer Mutter: "Katharina, du gefällst mir heute Morgen überhaupt nicht! Mädchen, was ist los mit dir?"

"Ich weiß es selber nicht!", klagte Katharina: "Ich kenne das überhaupt nicht, dass es mir so übel geht!" Sie versuchte, den Bissen Brot runter zu schlucken.

"War wohl spät geworden, gestern Abend?"

"Ja, ein wenig! Luise hatte im Herbst einen Likör angesetzt und den haben wir gestern Abend probiert. Vielleicht war er gar schlecht!"

Die junge Frau merkte plötzlich, dass ihr Magen sich schon wieder drehte, sprang auf und eilte zur Tür hinaus. Blass und grün war ihr Gesicht, als sie nach einer Weile wieder die Küche betrat. Sie sah so erbärmlich aus, wie sie sich auch fühlte. Katharina lehnte sich mit letzter Kraft an den Türrahmen und merkte, dass ihre Knie weicher und weicher wurden. Ganz langsam sank sie zur Erde hinab.

Schnell sprang Heinrich auf, eilte zu ihr hin und hielt sie in seinen Armen.

"Kathi, komm, setz dich erst einmal! Mutter, koch ihr doch bitte einen Tee! Vielleicht beruhigt sich der Magen dann. Wenn es nicht besser wird, fahren wir zum Doktor. Ob es doch an diesem Likör liegt? Was meint ihr?", wollte er von seinen Eltern wissen.

"Ja", sagte die Mutter nachdenklich, "Ich weiß mir auch keinen Rat. Aber so kann es auch nicht bleiben. Da muss wohl der Doktor her. Ich mach mir doch langsam arge Sorgen! Was das bloß sein kann?"

Blass saß Katharina am Tisch. Sie hatte den Kopf auf ihre Arme gestützt und atmete ganz konzentriert.

"Komm, trink einen Schluck Tee!", forderte Heinrich sie auf. "Ein bisschen besser siehst du nun aus, aber immer noch sehr blass."

Der Neubauer Vater saß ganz ruhig am Tisch und frühstückte weiter. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Hin und wieder schüttelte er mit dem Kopf, als er hörte, was vielleicht alles daran schuld sein könnte, aber er schwieg.

"Vater", meinte da seine Frau, "was glaubst du? Könnte es wirklich an diesem Likör liegen? Ich weiß ja, die Luise pämpelt ja oft so manches Zeug zusammen!"

Nun wurde es dem Neubauer doch zu bunt.

"Ich will euch mal etwas sagen: Die ganze Geschichte wird an eurem Schlafzimmer liegen und nicht an dem Gläschen Likör!", meinte er schmunzelnd.

"Aber Vater!", protestierte sein Sohn heftig. "Was soll an unserem Schlafzimmer nicht in Ordnung sein?"

"Das ist es eben! Es scheint in Ordnung zu sein! Unseres war auch in Ordnung, sonst wärst du ja nicht da! Ich bin zwar kein Studierter, aber bei deiner Mutter war es nicht anders! Und denk an den Gaul vor drei Jahren, wie krank der am Anfang war!"

"Aber Johannes!", rief seine Frau empört. "Du kannst doch Katharina nicht mit dem Gaul vergleichen. Und außerdem war es eine Nierenkolik, wo der Gaul so krank war! Aber Recht könntest du doch haben!"

"Na, hat aber auch lange genug gedauert. Jetzt müssen wir Mannsbilder auch schon den Weiberkram erledigen."

Katharina wurde sehr verlegen und sie merkte, wie das Blut in ihr Gesicht schoss. Die Blässe in ihrem Gesicht war plötzlich verschwunden.

"Dass ich nicht selber darauf gekommen bin", sagte sie kopfschüttelnd.

"Dann werden wir ein Kind bekommen, Kathi!", rief Heinrich begeistert. Er wusste vor Freude gar nicht, was er machen sollte.

Der Neubauer stand auf, ging zum Büffet und holte seine Pfeife, Tabak und Streichhölzer herbei. Florentine schaute ihren Mann überrascht an.

"Aber Vater", meinte sie dann, "es ist doch kein Sonntag!"

"Für mich schon!", erwiderte er schmunzelnd. "Es ist doch eine gute Nachricht, wenn man selber darauf kommt, dass ein Hoferbe unterwegs ist. Aber - dieses ganze Unwohlsein einem guten Tröpfchen Likör in die Schuhe zu schieben, das ist schon sehr arg!" Er lachte vergnügt.

"Komm Sohn, schütt' uns mal ein Schnäpschen ein! Darauf muss angestoßen werden!"

In den nächsten Tagen suchte Katharina ihren Hausarzt auf. Sie wollte Gewissheit haben, ob sie ein Kind erwartete oder nicht.

Nach der Untersuchung beglückwünschte Doktor Heller sie herzlich. Also hatte der Schwiegervater Recht gehabt. Katharina war überglücklich. Sie trug ein Kind von ihrem geliebten Heinrich unter ihrem Herzen. Nun hoffte sie sehr, dass sie ihm den ersehnten Hoferben schenken würde. Die junge Frau hätte am liebsten die ganze Welt umarmt - so freute sie sich.

Da es ein trockener und schöner Tag war, hatte sich die junge Neubauerin zu Fuß zum Doktor begeben. Auf dem Rückweg aber, musste sie die Mutter einfach aufsuchen. Schließlich sollte sie die schöne Neuigkeit gleich erfahren.

"Tante Katharina!", rief Heiner, als er sie erblickte. "Das ist aber schön, dass du uns besuchst! Bleibst du eine Weile hier?"

"Guten Tag, Heiner!", begrüßte sie den kleinen Jungen liebevoll. "Ich muss dich leider enttäuschen - ich wollte nur schnell einmal bei euch hineinschauen. Was machst du denn da?"

"Ach, gar nichts! Ich spiele nur! Willst bestimmt zu Mama und Oma Lange oder etwa nicht?"

"Ja, das will ich!"

"Die sind in der Küche! Kannst ja später mit mir spielen!"

"Heiner, es tut mir wirklich leid, aber ich muss gleich wieder nach Hause. Ich war nur beim Doktor! Am Sonntag - das verspreche ich dir - spielen wir wieder! Einverstanden? Willst du mit hinein?"

"Nö, ich bleib' noch draußen!"

"Ja, wer kommt denn da? Rex! Komm her!", begrüßte Katharina ihren Hund.

Rex freute sich riesig über den Besuch. Schwanzwedelnd lief er auf Katharina zu. Die junge Neubauerin bückte sich und streichelte ihn. Rex war nun richtig ausgewachsen und Katharina musste an das kleine schwarze Knäuel denken, das Heinrich ihr vor drei Jahren geschenkt hatte.

"Du bist ein ganz braver Hund!", lobte sie ihn. "Nun geh und pass wieder auf Heiner auf, dass er keinen Unsinn anstellt!"

Rex ging zu Heiner und legte sich hin.

Katharina ging zum Haus, öffnete die Haustür, klopfte an die Küchentür und trat ein.

"Guten Morgen Mutter! Guten Morgen Mariechen!", begrüßte sie die beiden Frauen.

"Katharina!", rief die Mutter überrascht. "Ist irgendetwas passiert? Wo kommst du denn am Vormittag schon her?"

"Beruhige dich bitte! Es ist nichts passiert - oder doch?"

"Oder doch? Was heißt das? Nun sag schon!"

"Mutter, ich war bei Doktor Heller! Katharina strahlte sie an.

"Bist du etwa krank, Kind?"

"Aber Mutter Lange! Schau doch Katharina richtig an! Würde sie so glücklich aussehen, wenn sie krank wäre?"

"Du hast Recht, Mariechen! Krank bin ich wirklich nicht! Ganz einfach - ich bekomme ein Baby! Mutter sag, ist das nicht wunderbar?"

"Kind!", rief die Bäuerin. "Nun muss ich mich erst einmal hinsetzen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es kommt so überraschend. Meine Katharina wird selber Mutter. Ja, das ist wirklich wunderbar! Und wann ist es soweit? Ich kann es immer noch nicht glauben!"

"Im August, Mutter! Es wird noch eine Weile dauern!"

"Ich freue mich für dich!", sagte Mariechen gerührt.

Sie nahm ihre Freundin in ihre Arme und drückte sie herzlich.

"Weiß Heinrich es schon?", wollte die Mutter nun wissen.

"Ja und nein!" Katharina lachte.

"Ja und nein?", wiederholte ihre Mutter. "Was heißt denn das schon wieder?"

Katharina erzählte den beiden Frauen die ganze Geschichte von der schrecklichen Übelkeit und dem Likör. Ihre Mutter hörte aufmerksam zu.

"Katharina!", rief sie nun entrüstet.

"Aber Mutter! Ich habe wirklich gedacht, dass der Likör schuld daran sei. So schrecklich übel habe ich mich wirklich noch nie in meinem Leben gefühlt. Nachher war es mir ja auch peinlich, aber sogar Heinrichs Mutter ist nicht darauf gekommen. Sie hatte auch den Likör im Verdacht. Jetzt, wo Doktor Heller es festgestellt hat, kann ich dem Schwiegervater sagen, dass er sich nicht getäuscht hat."

"Kind, Kind!", die Bäuerin schüttelte ihren Kopf. "Sachen machst du!"

Katharina lachte und lachte.

"An diesem Morgen wäre ich gerne dabei gewesen", meinte ihre Freundin und lachte mit.

"Ja, das war schon komisch. Am Anfang gewiss nicht, aber später, als der Schwiegervater von dem Gaul sprach und nicht darüber hinwegkam, dass wir meine Übelkeit dem Likör in die Schuhe schieben wollten. Und vor allem das mit dem Schlafzimmer, das war schon komisch. Heinrich und ich, wir schauten uns an und als wir begriffen, was er meinte, wurden wir ganz schön verlegen. Am Abend mussten wir alle über die Geschichte vom Morgen lachen. Der Schwiegervater wollte unbedingt haben, dass ich schnellstens den Doktor aufsuche. Als ich nachfragte, warum es so eilte, meinte er ganz verschmitzt, dass er dann wieder sein Pfeifchen anzünden könnte. Natürlich wollte ich ihm die Freude nicht verderben und Gewissheit wollte ich ja auch haben."

"Katharina, Katharina!", antwortete die Mutter immer noch entrüstet. "Ich finde das Ganze gar nicht zum Lachen. Zu meiner Zeit merkte die Frau es alleine und teilte dies dem Mann feierlich mit. So war es auch, als ich merkte, dass ich nach deinen Brüdern wieder schwanger war. Aber doch nicht der Schwiegervater!"

Sie machte dabei ein so komisches Gesicht, dass die zwei Freundinnen wieder laut und herzlich lachen mussten. Sie konnten gar nicht wieder aufhören. Dicke Tränen kullerten über ihre Gesichter und erst nach einer Weile beruhigten sie sich wieder.

"So, nun muss ich mich aber wieder auf den Heimweg machen. Bis Sonntag, Mutter! Mach's gut, Mariechen!"

"Ja, bis Sonntag!", erwiderte ihre Mutter und brachte ihre Tochter zur Tür.

"Mach's gut, Heiner!", rief Katharina dem Kind zu, das dort hinten bei der Scheune mit dem Hund spielte.

Katharina eilte heim. Sie wollte gerade ins Haus eintreten, als sie ihren Mann aus der Scheune kommen sah.

"Und, Kathi?", fragte Heinrich leise. "Likör oder Kind?"

"Nicht der Likör, mein Lieber, sondern wir bekommen wirklich im Sommer ein Kind!"

"Kathi, das ist ja wunderbar! Du weißt ja gar nicht, wie ich mich darüber freue!"

"Und der Vater erst!", sagte Katharina lachend.

"Ja, der wird sich bestimmt sehr freuen! Für ihn ist heute Vormittag wieder Sonntag!"

Beide lachten.

Die frohe Botschaft, die Katharina mit nach Hause brachte, erfreute die Schwiegereltern. Alle hofften nun auf einen männlichen Nachwuchs, der als Hoferbe dann in Frage käme.

Katharina war wie eine Blume, die langsam ihre Blütenblätter öffnete und sich zu einer Schönheit entwickelte. Die anfängliche Übelkeit verging schnell und sonstige Probleme waren ihr fremd.

Die junge Frau horchte in sich hinein. Hatte sie sich getäuscht oder spürte sie wirklich zum allerersten Mal ihr Kind, wie es sich bewegte? Es war nicht stark - ganz schwach - so unverhofft. Katharina wartete gespannt, ob sie nochmals etwas spürte. Aber nichts geschah. Etwas enttäuscht ging sie wieder an ihre Arbeit.

Sie hatte gerade das Geschirr abgespült, da merkte sie wieder, wie ihr Kind sich bewegte. Sie blieb ganz ruhig stehen, wartete gespannt, ob es sich noch einmal wiederholte. Aufgeregt sagte sie zu ihrem Mann, der am Tisch saß und etwas aufschrieb: "Heinrich, komm schnell!"

"Kathi, was ist denn los?", fragte er besorgt.

"Komm, leg deine Hand hierher!", forderte sie ihn auf.

Heinrich legte seine Hand auf Katharinas Bauch.

"Spürst du es?"

"Was?"

"Da - es ist wieder da!"

"Ja!", erwiderte Heinrich leise. "Ich merke es ganz deutlich! Ist das vielleicht unser Kind?"

"Ja, heute habe ich es zum ersten Mal gespürt! Es ist ein sehr schönes Gefühl! Ich kann es gar nicht beschreiben! Ich muss mich auch erst einmal daran gewöhnen!"

"Da - schon wieder! Das wird mit Sicherheit ein Junge!", rief Heinrich außer sich vor Freude.

Dann nahm er Katharinas Gesicht in seine Hände, küsste und küsste sie.

"Weißt du auch, dass ich dich ganz schrecklich lieb habe?"

"Ich weiß!", flüsterte Katharina und wandte sich schnell ab, als sie merkte, dass die Schwiegermutter die Küche betrat.

Heinrich lächelte still vor sich hin, setzte sich wieder auf seinen Platz und warf seiner Frau noch einen zärtlichen Blick zu. Katharina merkte, wie die Röte ihr Gesicht überzog. Es war ihr immer noch sehr unangenehm, wenn die Schwiegereltern sie dabei überraschten. Heinrich lachte nur darüber und meinte, dass es doch ganz normal sei.

Es war die schönste Zeit des Jahres. Warme und milde Abende. Die Mücken zeigten an, dass das schöne Wetter noch anhielt. Aus den Vogelnestern hörte man die Stimmen der kleinen Vogelkinder. Die Schwalbeneltern flogen emsig durch das offen stehende Stallfenster hin und her. Die alte Hündin Senta lag faul vor der Hütte. Hier und da rasselte eine Kuhkette im Stall. Die letzten draußen umherpickenden Hühner liefen nun gackernd die Leiter zu ihrem Haus hinauf. Es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis auch die Sonne am Horizont versinken würde.

Still und friedlich zeigte sich die Neige des Tages.

Drei junge Menschen saßen zusammen auf der Hausbank und unterhielten sich. Die Haustür öffnete sich und der Vater schlurfte mit seinen Hausschuhen daher. Genüsslich zog er an seiner Pfeife und blies den Rauch in die Luft.

"Guten Abend, Mariechen!", grüßte er freundlich Katharinas Freundin, die mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter auf der Bank saß.

"Guten Abend, Onkel!", grüßte die junge Frau zurück. "Willst du etwa noch ausgehen?"

Der alte Neubauer blieb stehen und zog kräftig an seiner heißgeliebten Pfeife. "Ja Mädchen, jung müsste man halt noch einmal sein, dann würd' es mich schon reizen, an so einem milden Sommerabend auf die Pirsch zu gehen."

Dabei schaute er ganz verschmitzt und kratzte sich sein Kinn.

"Nun hör' aber auf, Vater!", war die Stimme der Neubauerin, die an dem offenen Fenster der Schlafstube stand, zu hören. "Geh lieber und mach das Hühnerhaus zu und komm dann ins Bett!"

"Na ja, schließlich darf man nichts auslassen! Das Leben ist kurz!"

"Ich staune, ich staune, welche Gedanken so ein milder Sommerabend bei älteren Männern aufkommen lässt!", antwortete die Bäuerin lachend.

Die drei jungen Leute auf der Bank stimmten mit ein.

"Gute Nacht, Kinder!", rief die Neubauerin von oben herab.

"Gute Nacht!", kam die Antwort zurück.

Dann wurde das Fenster im oberen Stockwerk geschlossen.

"Na ja", meinte der Vater vergnügt, "Das wünsche ich euch auch. Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als auch schlafen zu gehen!" Langsam schlurfte er wieder ins Haus hinein.

"Für mich wird es aber nun auch Zeit heimzugehen!", meinte Mariechen.

"Komm Heinrich, lass uns noch ein Stück mit gehen!" Der Abend ist so schön!"

"Da hast du Recht, Kathi! Es ist wirklich schade, wenn wir den schönen Abend nicht genießen würden. Lass uns Mariechen ein Stück bringen!"

Vergnügt gingen die drei jungen Menschen die Straße entlang, grüßten hier und da die noch draußen sitzenden Leute, hielten ein kurzes Schwätzchen mit ihnen und gingen dann weiter.

"Gute Nacht, Mariechen!", verabschiedete Katharina sich von ihrer Freundin. "Und grüß die Mutter und Heiner von uns!"

"Ja, wird gemacht! Und gute Nacht ihr beiden!", erwiderte sie.

"Na, dann schlaf gut!", meinte auch Heinrich.

Dann gingen sie auseinander - Mariechen ging die Straße weiter und sie kehrten um. Der Abend war immer noch schön. Die angenehme Kühle war eine Wohltat nach der Tageshitze. Langsam schlenderten die beiden, Arm in Arm, wieder heim.

Der August war da, heiß und trocken. Es konnte sich nur noch um Tage handeln, bis Katharinas Kind das Licht der Welt erblickte.

Abends, wenn sie müde neben Heinrich im Bett lag, konnte sie sehr oft nicht einschlafen. Das Kind in ihrem Leib wurde dann gerade recht munter. Kräftig boxte und trampelte es im Bauch der Mutter. Die Bauchdecke wölbte sich hervor, einmal hier - einmal dort.

Heinrich staunte oft darüber.

"Welche Kraft unser Sohn schon besitzt!", sagte er begeistert. "Es ist ein Wunder, wenn man bedenkt, dass in deinem Bauch ein neues Leben heranwächst."

"Woher willst du es wissen?", fragte Katharina.

"Was meinst du damit, woher soll ich was wissen?"

"Na, dass unser Kind ein Junge ist."

"Aber, das ist doch klar! So viel Kraft kann doch nur ein Junge aufbringen!"

"Und, wenn es ein Mädchen wird? Ist dann deine Enttäuschung groß?"

"Nein, Kathi! Weißt du, eigentlich wünsche ich mir schon einen Sohn, dass will ich gar nicht abstreiten, aber ob Junge oder Mädchen, die Hauptsache ist doch, dass unser Kind gesund auf diese Welt kommt! Und wir nehmen das, was uns der liebe Gott schenkt! Glaube mir, ein kleines Mädchen, mit deinen Augen, mit deinem Haar und mit deinem Lächeln, dem könnte ich doch niemals meine Liebe verweigern! Und doch, bin ich ganz einfach davon überzeugt, dass unser erstes Kind ein Junge ist!"

"Ich hoffe es, mein Lieber!", sagte sie, lächelte ihn an, küsste ihn auf seine Nase, auf seinen Mund und flüsterte: "Gute Nacht, mein Lieber!"

"Gute Nacht, Liebes! Träum was Schönes!"

Doch Heinrich fand am heutigen Abend keine Ruhe. Seine Hand lag auf Katharinas Bauch und jede Bewegung des Kindes nahm er wahr.

Wie würde sein Sohn wohl aussehen? Ob sie sich gut verstehen würden? Was für ein Gefühl mag es sein, wenn man selber in sich Leben, richtiges Leben, verspürt? Er konnte es sich nicht vorstellen. Katharina und sein ungeborenes Kind bildeten eine Einheit - aber irgendwie ohne ihn. Er sah zwar, dass der Bauch von Woche zu Woche sehr stark an Umfang zunahm, konnte die Aktivitäten seines Sohnes mit der Hand wahrnehmen - doch Kathi trug das kleine Etwas in sich. Das war etwas völlig anderes. In ihrem Leib wuchs und reifte sein Sohn heran. Leise seufzte er vor sich hin. Schlaftrunken kuschelte sich Katharina noch fester in seine starken Arme und schlief weiter.

Nun wurde es fast jeden Abend sehr spät, bis die beiden ins Bett kamen. Die Ernte war da. Goldgelb leuchteten die Felder. Die Ähren neigten sich schon zur Erde und warteten darauf, dass sie geerntet wurden. Der alte Neubauer hatte zuvor die Reife der Körner überprüft. Es war also wieder soweit! Die Männer zogen kaum nach Sonnenaufgang, wie in jedem Jahr ihre Sense auf der Schulter liegend, los, um das Korn zu schneiden. Zwischendurch schärften sie ihre Sense oder wenn es ganz und gar nicht mehr ging, mussten sie die Sense wieder dengeln.

Die Frauen und Mädchen mit ihren weißen Kopftüchern erledigten dann die weiteren anfallenden Arbeiten, bis sie alle Garben zum Trocknen aufgestellt hatten. Ab und zu warf Heinrich einen prüfenden Blick zu seiner Frau, ob es ihr auch wirklich nicht zu viel wurde. Aber Katharina ließ sich nichts anmerken. Zwar war die Hitze heute sehr schlimm, hin und wieder blieb sie einen Augenblick stehen, doch sie wollte nicht aufgeben.

Gegen Abend holte sie gemeinsam mit ihrem Mann noch die Kühe von der Weide heim, da es Zeit zum Melken war. Sie warteten schon ungeduldig am Eingang. Auch die Gänse und Enten, die tagsüber auf dem Fluss ihre Zeit verbrachten, musste Katharina noch nach Hause treiben.

"Warte auf mich!", rief Heinrich über den Hof. "Ich will auch mit zum Fluss!"

Gemeinsam gingen sie bis zum nahen gelegenen Flussufer. Katharina zog etwas umständlich ihre Schuhe aus, hob ihren Rock ein wenig hoch und stolzierte wie ein Storch durch das flache Wasser.

"Ist das herrlich!", rief sie voller Begeisterung.

Hin und her ging sie und war richtig glücklich über die wunderbare Abkühlung, die das Wasser ihr bescherte. Es war eine Wohltat nach der Tageshitze.

Heinrich hatte seine Kleider inzwischen ausgezogen und nahm ein kühles frisches Vollbad. Kraftvoll schwamm er den Fluss ein Stück hinauf. Katharina sah stolz auf ihren dort schwimmenden Ehemann, der seinen muskulösen Körper so leicht und schnell durch das Wasser bewegte. Sie selber kam sich sehr unförmig vor. Es wurde langsam Zeit, dass ihr Kind zur Welt kam. Heinrich stieg froh und zufrieden aus dem Wasser und zog sich wieder an.

"Ach, Kathi, es tat so richtig gut! Jetzt können wir nach Hause gehen!"

"Du scheinst es ja wirklich richtig genossen zu haben!", meinte Katharina etwas neidvoll. "Strahlst richtig!"

"Sei nicht traurig, Kathi", erwiderte er gerührt. "Im nächsten Jahr wirst du auch wieder ins Wasser können! Dann schwimmen wir wieder um die Wette!"

"Ich freue mich jetzt schon darauf! Nun komm aber, wir müssen heim, die Mutter wartet bestimmt schon mit dem Essen auf uns!"

"Ja, es wird Zeit!"

Trotz der herrlichen Abkühlung im Fluss, war Katharina nach dem Abwasch sehr müde. Sie sehnte sich nach ihrem Bett.

"War heute doch ein anstrengender Tag für dich, Kathi!", stellte Heinrich etwas besorgt fest. "Du solltest die letzten Tage nicht mehr mit auf 's Feld hinaus. Es kann bestimmt nicht gut sein!"

"Aber Heinrich!", protestierte Katharina. "Ich bin doch nicht krank! Nur heute Abend fühle ich mich müde. Bisher ging es mir doch gut! Die heutige Hitze war aber auch sehr schlimm! Doch bald habe ich es geschafft! Und die letzten Tage werde ich auch noch gut verkraften. Ich will nur schon hoch gehen und mich hinlegen. Es ist ja auch schon spät!"

"Ja, Liebes! Ich komme auch bald nach! Schlaft gut, ihr beiden!" Zärtlich nahm er seine Frau in die Arme und küsste sie.

Katharina schlief schon fest, als Heinrich die Schlafstube betrat. Ihre dunklen Haare lagen auf dem weißen Kissen und umrahmten das schöne Gesicht. Heinrich ging zu ihrem Bett, beugte sich vorsichtig über sie und küsste liebevoll ihre Lippen. Dann zog er sich leise aus und legte sich in sein Bett. Auch er war sehr müde und schlief sofort ein.

Katharina wachte mitten in der Nacht auf. Ein ziehender Schmerz durchzog ihren Bauch. So plötzlich, wie er gekommen war, verflog er auch wieder. Sie schlief wieder ein. Nach einer gewissen Zeit verspürte sie wieder dieses kräftige, unangenehme Ziehen. Jetzt konnte sie keinen Schlaf mehr finden. Heinrich lag in seinem Bett und schlief tief und fest. Katharina wurde klar, dass sie in absehbarer Zeit ihr Kind auf die Welt bringen würde. Doch sie wollte Heinrich noch nicht wecken. Sie gönnte ihm noch ein wenig Schlaf. Hellwach lag sie da. Atmete erleichtert durch, wenn die Schmerzen sich wieder verzogen.

Doch als sie merkte, dass die Wehen in immer kürzeren Abständen kamen, weckte sie ihn doch auf.

"Heinrich, wach auf! Du musst die Guste holen! Unser Kind wird sicher bald kommen!"

Schlaftrunken schaute Heinrich seine Frau an. Zuerst musste er nachdenken, was seine Frau eben gesagt hatte. Doch dann begriff er blitzschnell.

"Woher weißt du das, Kathi?", fragte er aufgeregt. "Bist du dir ganz sicher?"

Katharina wollte antworten, doch eine starke Wehe hielt sie davon ab. Sie biss ihre Zähne zusammen, holte tief Luft, blies sie langsam durch ihren etwas geöffneten Mund wieder aus und antwortete kaum hörbar: "Heinrich, bitte beeile dich!"

Und schon wieder kam eine Wehe. Schweißperlen bildeten sich langsam auf ihrer Stirn. Der Schmerz wurde heftiger und heftiger. Heinrich schaute auf seine Frau und merkte, dass er keine Zeit verlieren durfte. Schnell wollte er sich ankleiden, doch es war wie verhext. Wo seine Socken nur steckten? Jetzt sprang auch noch der Knopf von der Hose ab.

Katharina lächelte trotz der starken Schmerzen.

"Heinrich lass die Socken aus! Es ist warm draußen. Hol eine andere Hose aus dem Schrank und zieh sie an! Wasch grad' durch 's Gesicht und kämm deine Haare! Was soll die Guste sonst von dir denken? Aber bitte mein Lieber - beeil dich!"

"Aber ja doch, Kathi! Bin schon fertig! Ich schick` die Mutter zu dir! Ganz ruhig, Liebes! Die Guste wird bald hier sein!"

Und schon war er draußen. Katharina hörte das leise Quietschen der Schlafstubentüre von der Kammer der Schwiegereltern und kurz danach Heinrichs Schritte auf der Treppe. Dann war wieder alles still. Katharina schloss ihre Augen - aber nur für kurze Zeit, denn schon wieder kam eine Wehe, stärker als zuvor. Die junge Frau pustete. Die Schlafstubentüre wurde geöffnet und die Schwiegermutter erschien. Sie sah ihre Schwiegertochter in schon sehr starken Wehen dort liegen. Sofort eilte sie zum Waschtisch, befeuchtete einen Waschlappen und kühlte damit Katharinas Gesicht.

"Hab den Vater schon hinunter geschickt, um für heißes Wasser zu sorgen. Die Guste wird bald hier sein. Du hast es sicher bald geschafft. Das Kind wird nicht mehr lange auf sich warten lassen!", sagte sie liebevoll.

"Ich wusste gar nicht, dass ein Kind so viele Schmerzen bereiten kann!", erwiderte die junge Frau stöhnend.

"Ja, die Schmerzen sind schon arg! Aber glaub' mir, wenn du dein Kind erst einmal in deinen Armen hälst, hast du all den Schmerz vergessen!"

"Bist du sicher?"

"Aber ja doch!"

Schnell griff Katharina nach der Hand von der Schwiegermutter. Fest packte sie zu und hielt sie ganz fest.

"Atme durch, Kind! Ganz ruhig!"

"Sind schon wieder weg - die Schmerzen! Die Abstände werden aber auch immer kürzer!"

"Na, nun wird es aber langsam Zeit, dass die Guste erscheint!", murmelte die Schwiegermutter etwas besorgt. Da hörten sie auch schon die Eingangstür.

Schnelle Schritte auf der Treppe ließen vermuten, dass es Heinrich war. Er riss die Schlafstubentüre auf und rief: "Kathi, die Guste ist da!"

Und sie stand schon hinter ihm. Er wollte zu seiner Frau gehen, aber die alte Guste packte ihn an seinem Arm, hielt ihn fest und befahl: "Heinrich, geh du lieber hier raus! Wir können dich im Augenblick wirklich nicht gebrauchen!"

"Wo soll ich denn hin?", fragte er entrüstet.

"Geh von mir aus in die Küche und koche Kaffee. Oder es ist am besten, wenn du schon in den Stall gehst."

Der junge Neubauer sah sie verwundert an. Er hatte noch nie Kaffee gekocht - und in den Stall gehen - jetzt? Wie konnte er? Er musste doch bei seiner Katharina bleiben. Er konnte und wollte sie nicht alleine lassen. Doch die Guste schob ihn einfach zur Tür hinaus.

Heinrich stand alleine im Flur. Leises Stöhnen drang aus der Schlafstube heraus. Er seufzte. Dann ging er die Treppe hinunter und wollte in die Küche gehen. Als er die Küchentür öffnete, kam ihm eine Hitze entgegen. Er sah auf dem Herd das Wasser schon dampfen.

"Komm Junge, setz dich her!", hörte er den Vater sagen. "Wir müssen abwarten. Die Frauen machen das schon! Habe schon Kaffee gekocht! Hier trink mal!"

Heinrich setzte sich an den Tisch. Vor ihm stand der heiße Kaffee. Die Küchenuhr tickte und tickte.

"Man hört nichts!"

"Was willst du auch hören? Es wird seine Zeit dauern!", beruhigte ihn der Alte.

Nach einer Weile stand Heinrich auf. Er ging zur Wanduhr und klopfte gegen das Glas. War sie etwa stehen geblieben? Nein, doch nicht. Sie tickte ja noch. Er ging zum Fenster, sah hinaus, blickte wieder zur Uhr. Nichts rührte sich. Gleich 3.00 Uhr. Draußen war es noch dunkel.

"Junge, setz dich! Nimmst ja einem die ganze Ruhe!", redete der Vater auf ihn ein.

Heinrich fuhr sich aufgeregt mit den Händen durch seine Haare. Da - da hörte er doch etwas. Jemand kam die Treppe herab. Aber er hörte doch keinen Schrei. Irgendetwas schien nicht zu stimmen. Heinrichs Unruhe wuchs. Die Küchentür wurde geöffnet, die Mutter trat ein.

"Ist das Wasser heiß, Vater?"

"Ja, kannst es mit hoch nehmen!", erwiderte er.

"Ich werde es dir hochbringen, Mutter!", sagte Heinrich.

"Nein, nein, du wirst hierbleiben! Dich können wir wirklich nicht gebrauchen! Ich mache das schon! Kopf hoch Junge, geht alles seinen rechten Weg!"

Und schon war sie wieder mit dem heißen Wasser aus der Küche hinaus.

Vater und Sohn waren wieder alleine. Der Vater nahm sich auch eine Tasse, goss ein Schluck heißen Kaffee hinein und setzte sich zu seinem Sohn.

"Bleib ruhig! Beim Ersten dauert es immer länger! Ich weiß das, glaub mir Junge. Uns bleibt wirklich nichts anderes übrig, als zu warten! Oft sind es Stunden! Aber die Mutter hat schon das Wasser geholt. Also kann es so lange nicht mehr dauern!", tröstete er ihn.

"Ja Vater! Du hast es ja auch zweimal mitgemacht."

Heinrich seufzte. "Wenn man aber nicht weiß, was sich da oben abspielt, wird man ganz verrückt!", murmelte er.

"Da - Vater, hast `gehört?"

"Was denn?"

"Da schreit doch etwas! Vater, es ist da! Hörst 'denn nicht?"

"Ja - jetzt hör' ich es auch! Ein kräftiger Schrei!"

"Ja - ein herrlicher Schrei!" Heinrich wollte zur Küche hinauseilen, doch der Vater hielt ihn zurück.

"Hier bleibst '! Die Mutter wird dich schon rufen!"

"Aber Vater!"

"Bleib, bis du gerufen wirst! Es ist noch nicht soweit! Kenn' dich ja gar nicht so, Bub! Bist aber auch ungeduldig!"

Heinrich setzte sich wieder hin. Sein Blick war auf die Küchentür gerichtet. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich die Mutter die Treppe herunterkommen hörte.

Mit einem zufriedenen und glücklichen Lächeln stand sie in der geöffneten Tür und sagte feierlich: "Du kannst hoch gehen, Junge - zu deiner Frau und zu deinem Sohn! Beide sind gesund und wohlauf!"

"Ein Junge ist es?", rief Heinrich überglücklich. "Mutter, ich habe wirklich einen Sohn und beiden geht es gut?"

"Ja, ein hübscher Bub ist er!"

Heinrich umarmte seine Mutter und sagte leise: "Ich dank' dir, dass du Kathi beigestanden hast! Vater, hast gehört? Einen Sohn hab' ich!"

"Gratuliere! Und nun mach dich hoch! Mutter, komm setz du dich erst einmal hierher und trink einen Schluck Kaffee!", sagte er zu seiner Frau.

Heinrich hatte es nun sehr eilig. Schnell sprang er die Treppe hinauf, blieb vor der Schlafstubentüre stehen, fuhr mit den Händen schnell durch seine Haare, schaute an sich herunter, ob alles richtig saß und öffnete dann vorsichtig die Tür. Sein Blick fiel sofort auf seine Frau und das Baby. Erschöpft, aber doch sehr glücklich, sah er seine Kathi dort liegen. Sie hielt seinen Sohn im Arm. Katharinas Augen strahlten, als Heinrich in die Schlafstube trat. Die Hebamme war gerade damit beschäftigt, die Tücher und andere Gegenstände beiseite zu räumen, als sie Heinrich erblickte.

"Da kommt ja der junge Vater!", sagte sie sofort. "Gratuliere dir Heinrich, ein strammer Junge ist es. Kerngesund und alles dran!"

"Ich dank dir schön, Guste!", erwiderte er, ging zum Bett und setzte sich zu seiner Frau.

Schweigend sahen sie sich in die Augen. Dann nahm er ihre schlanke Hand, führte sie an die Lippen, küsste sie liebevoll und sagte leise: "Ich liebe dich, Kathi! Ich bin so froh, dass es dir gut geht!"

"Ich liebe dich auch! Aber willst du dir nicht unseren Sohn ansehen?"

"Ja, natürlich!"

"Komm, nimm ihn!", forderte sie ihn auf.

Etwas unsicher nahm er das kleine Bündel auf seine Arme.

"Also, du bist mein Sohn!" Heinrich war sehr gerührt. Sanft streichelte er über die kleinen Hände, küsste ihn vorsichtig auf seine Stirn, liebkoste und liebkoste ihn. "Du bist ein sehr hübscher Bub, kleiner Neubauer! Und schon so groß! Kann 's noch nicht glauben, dass ich jetzt einen eigenen Sohn habe!"

"Kein Wunder", mischte sich die alte Guste nun ein. "4400 Gramm wiegt der Prachtbursche schon! Und - kannst stolz sein, auf deine Frau - sie hat das ganz gut gemacht!"

"Ja Guste, ich bin auch wirklich sehr stolz auf meine beiden Liebsten. Das kannst du mir glauben! Jetzt geh aber erst einmal hinab in die Küche und frühstücke ordentlich! Das hast du dir redlich verdient!"

"Ja, werd' ich machen! Komm, ich lege den kleinen Stammhalter in seine Wiege hinein!"

"Nein, ich will meinen Sohn noch ein wenig halten! Ich lege ihn dann selber in die Wiege!"

"Na, dann auch gut! Katharina, kann ich noch etwas für dich tun?"

"Nein, Guste! Ich dank dir erst einmal recht schön! Wir sehen uns ja heute Abend wieder!", erwiderte die junge Mutter.

"Ja, dann bis später! Und Heinrich, deine Frau braucht nun Ruhe!"

"Natürlich, Guste! Ich bleibe ja auch nur noch einem Augenblick!"

Dann stand Heinrich auf, ging mit seinem Sohn auf dem Arm zum Fenster und sah hinaus.

"Schau", flüsterte er. "Die Sonne geht gerade auf! Sieht das nicht herrlich aus? Ganz rot schimmert der Himmel! Es wird bestimmt ein schöner Tag heute! Und was machst du, kleiner Neubauer? Schläfst! Verschläfst den herrlichen Sonnenaufgang!"

Der kleine Erdenbürger ließ sich nicht stören. Er schlief zufrieden. Heinrich lächelte und küsste ihn zärtlich auf die Stirn. Dann legte er ihn vorsichtig in die Wiege. Es war eine große, aus Holz angefertigte Wiege, die schon sehr alt war. Sein Vater, sein Bruder und er hatten schon darin gelegen. Nun lag der nächste Neubauer, mit sich und der Welt zufrieden, darin und schlummerte.

Auch Katharina lag in ihren Kissen und schlief. Heinrich wollte gerade den Raum verlassen, als die Tür aufging. Seine Eltern traten leise ein. Der alte Neubauer sah erwartungsvoll in die Wiege hinein. Er konnte es kaum abwarten, auch seinen Enkel kennenzulernen. Es war schon lange her, dass im Haus der Neubauers ein Kind zur Welt gekommen war. Er bückte sich hinab zur Wiege, nahm die kleinen Fingerchen in seine grobe Hand und flüsterte: "Herzlich willkommen kleiner Enkelsohn, auf dieser schönen Welt!"

Katharina wurde wieder wach, öffnete die Augen und fragte: "Und Schwiegervater, seid Ihr mit Eurem Enkel zufrieden?"

"Ist ein schöner Bub, Katharina! Kann man wirklich nicht anders sagen. Doch er ist noch so winzig!", kam es etwas enttäuscht über seine Lippen.

"Ist doch ein strammer Bursche, Vater!", protestierte seine Frau aber da energisch. "Weiß gar nicht, was du hast? Ein richtiger Neubauer ist er!" Sie schüttelte verständnislos ihren Kopf und verließ das Zimmer.

"Er wird schon wachsen!", versicherte Katharina. "Ganz gewiss!"

"Mein ja nur. Er soll sich halt was beeilen. Ist nit bös gemeint. Will ihm noch so Vieles zeigen!"

"Ihr werdet sehen, wie schnell die Zeit vergeht!", erwiderte Katharina und lächelte dem Schwiegervater aufmunternd zu.

"Na ja, da werd' ich wohl noch warten müssen, bis er laufen kann!", scherzte er.

"Ja, das wird noch eine Weile dauern, Vater!" Heinrich lachte. Er war stolz und so zufrieden, dass sein Erstgeborenes ein Junge war, denn so war der Hof gesichert.

Vater und Sohn verließen die Schlafstube. Katharina mit ihrem kleinen Sohn konnten sich nun endlich von den heutigen Strapazen erholen.

Am Nachmittag erschien Lisbeth Lange auf dem Hof der Neubauers. Schließlich wollte auch sie ihren ersten Enkel begutachten.

Leise betrat sie die Schlafstube. Mutter und Kind schliefen. Lisbeth Lange schritt vorsichtig zu der Wiege. Ein seltsames Gefühl überkam sie, als sie zum ersten Mal ihren Enkel dort liegen sah. Ein schöner Bub, dachte sie. So frisch und gesund schaut er aus. Eine ganze Weile stand sie so da und schaute auf den jüngsten Neubauer hinab.

Katharina öffnete die Augen und sah lächelnd auf ihre Mutter, die so versonnen vor der Wiege stand.

"Und?", fragte sie. "Gefällt er dir?"

"Katharina", erwiderte sie leise. "Ich wollte dich nicht wecken!"

"Aber das ist doch nicht schlimm! Komm, setz dich bitte zu mir! Ich freue mich, dass du da bist! Ist er nicht wunderschön, Mutter? Ich könnte ihn auch dauernd ansehen! Ich glaube, es wird sehr schön sein, Mutter zu sein!"

"Ja, er ist ein strammer Bursche, Katharina! Ich gratuliere dir auch ganz herzlich zu deinem Sohn! Nun hast du alles überstanden. Es werden sehr schöne Tage da sein - aber auch, Kind, sehr, sehr schlimme! Ich wünsche euch beiden, dass ihr nur sehr schöne Tage in eurem Leben haben werdet! Vielleicht erhört der liebe Gott mein Gebet und sendet euch nur die besten Tage. Wie soll denn euer Sohn heißen? Habt ihr schon einen Namen?"

"Unser Sohn soll Franz heißen!", kam es von der Tür her. Heinrich betrat gerade die Schlafstube. Seine Augen leuchteten. "Grüß Euch, Mutter Lange! Ist das nicht ein Prachtbursche - unser Sohn?"

"Guten Tag, Heinrich!", erwiderte die Schwiegermutter lachend. "Gratuliere dir auch ganz herzlich zu deinem Stammhalter. Ist wirklich ein strammes Kerlchen, euer Bub! Das kann man nicht anders sagen!"

"Ja, das ist er wirklich! Ohne zu übertreiben! Mutter Lange, die Mutter lässt fragen, ob Ihr mit ihnen in der Küche Kaffee trinken möchtet oder hier oben bei Kathi?"

"Na ja, wenn 's keine Umstände macht, blieb ich schon gern hier oben. Kann ja doch nicht so lange bleiben. Ich schau' später noch in die Küche hinein!"

"Ja, ist gut! Ich bring' Euch den Kaffee und ein Stück Kuchen mit hinauf! Ich komme gleich wieder!"

Es dauerte nicht lange und Heinrich erschien mit einem großen Tablett voller Kuchen und Kaffee.

"Lasst 's euch gut schmecken! Ich muss wieder an die Arbeit! Bis später, Kathi! Und - Schwiegermutter kommt gut heim!"

Und schon waren die beiden Frauen wieder alleine. Katharina und ihre Mutter hatten sich so viel zu erzählen. Die Zeit verging einfach viel zu schnell. Es gab nicht viel Gelegenheit, dass sie so alleine beisammen sein konnten. Katharina empfand dies sehr schön, ihre Mutter einmal wieder ganz für sich alleine zu haben.

"Ich muss wieder heim, Katharina! Mariechen wird bestimmt auch bald nach dir schauen! Bis in den nächsten Tagen, Kind. Halt dich warm und schone dich!", sagte sie noch eindringlich.

"Ja, Mutter, ich werde schon Acht auf mich geben. Schön, dass du dir Zeit für mich genommen hast. Komm gut heim und sag Mariechen, dass sie den Heiner mitbringen soll. Er kann es doch kaum abwarten, bis er endlich unseren Sohn zu Gesicht bekommt. Er glaubt, dass sie gleich zusammenspielen können. Der kleine Kerl wird sicherlich enttäuscht sein!"

"Ich werde es ausrichten", erwiderte Lisbeth Lange und verließ die Schlafstube.

Katharina erholte sich sehr schnell. Nach einigen Tagen verließ sie schon das Kindsbett. Niemand konnte sie mehr dort festhalten. Der kleine Franz war ein zufriedenes Baby, nur wenn der Hunger ihn quälte, meldete er sich sehr geräuschvoll.

Die Taufe wurde am zweiten Sonntag im September festgelegt. Es regnete in Strömen.

"Ausgerechnet heute muss es so gießen!", schimpfte die alte Neubauerin. "So etwas aber auch! Zum Glück ist es noch nicht so kalt!"

"Ja, das Wetter ist wirklich nicht schön!", meinte Katharina und sah zum Fenster hinaus. "Nur gut, dass der Weg zur Kirche nicht so weit ist!"

Doch als sich die kleine Taufgesellschaft unterwegs zur Kirche befand, hatte Petrus Erbarmen mit ihnen. Der Regen machte eine Pause, die Wolken rissen auf und die Sonne lugte ein wenig hinter den dicken Wolken hervor. Die jungen Eltern schauten zum Himmel hoch, lächelten sich an und Heinrich sagte: "Das ist ein gutes Zeichen! Unser Kind ist willkommen auf dieser Welt!"

Ein Fest jagte das andere. Anfang November heiratete Erwin Neubauer. Er nahm sich eine Frau aus der nahen gelegenen Kleinstadt, heiratete auch dort und bezog mit ihr ein kleines Einfamilienhaus, das er von seinen Eltern als Auszahlung des Hofes erhalten hatte. Erwin war Beamter bei der Reichspost und lernte seine Frau Gerlinde während seines Dienstes in der Stadt kennen. Gerlinde Merk war eine nette junge Frau, freundlich, hilfsbereit und arbeitete als Verkäuferin in dem großen Textilgeschäft am Marktplatz. Sie war in der Stadt aufgewachsen und wollte auch dort mit ihrem Mann leben. Erwin, der vor einem Jahr in die Kleinstadt versetzt worden war, kam dies sehr gelegen. Er hatte bisher schon, da es für ihn zu umständlich war, jeden Abend heimzufahren, ein kleines möbliertes Zimmer bewohnt.

Für die Eltern kam das alles ein wenig unvorhergesehen,

aber sie mussten sich damit abfinden. Es war eine kleine, stille Hochzeit, da die Eltern der jungen Frau noch nicht lange verstorben waren und sie keine weiteren Angehörigen hatte. Nach der Trauung gingen sie alle gemeinsam in die Bauernschänke, um dort zu Mittag zu essen. Die Eltern, Heinrich und Katharina fuhren anschließend mit dem Zug wieder heim. Der Mutter war das gar nicht so recht, dass ihr jüngster Sohn keine große Hochzeit, wie es auf dem Lande üblich war, wollte. Aber es war sein Leben und sie hatte sich damit abzufinden. So waren sie wieder rechtzeitig zu Hause und konnten zu gewohnter Zeit ihren Stalldienst tun.

Katharina fand Gerlinde sehr nett und hatte sie gleich lieb gewonnen. Sie verstanden sich vom ersten Augenblick an. Aber sie wohnte in der Stadt und sie hier - auf dem Land. Wann sollten sie sich sehen? So oft würde das bestimmt nicht sein. Schade, dachte Katharina. Das Leben hier und dort ging weiter. Der tägliche Ablauf war jedoch grundverschieden. Katharina arbeitete in der Landwirtschaft und Gerlinde weiter als Verkäuferin. Also hoffte sie, dass Erwin mit seiner Frau Gerlinde sehr oft den Weg heim - zu ihnen auf den Neubauer Hof finden würden.

Und das taten sie auch. Jeden zweiten Sonntag kamen sie heim. Die alte Neubauerin war darüber sehr erfreut und zeigte es ihnen auch, dass sie immer herzlich willkommen waren.

Der kleine Hoferbe schrie heute sehr energisch nach seiner Mutter. Seine Zeit war schon überschritten und der Hunger wollte nun endgültig gestillt werden. Katharina ging schnell hinauf in die Schlafstube und holte ihren kleinen Sohn aus der Wiege heraus.

"Ist ja schon gut!", beruhigte sie ihn liebevoll. Sie legte ihn an ihre Brust und sofort trat Ruhe ein.

Der kleine Franz entwickelte sich prächtig. Er war sonst ein ruhiges und zufriedenes Kind, aber wenn der Hunger ihn plagte, musste er sich ja schließlich melden. Bisher war nur einzig und allein die Schlafstube sein Reich gewesen. Außer der Gang zur Taufe, doch das war die Ausnahme. Ab und zu schaute die Schwiegermutter zu ihnen hinein. Sie liebte den kleinen Kerl abgöttisch. Auch Heinrich schaute, wenn er es sich einrichten konnte, zu den beiden hinein und er wusste, dass sie die liebsten Menschen waren, die ihm alles bedeuteten.

Durch die Geburt des kleinen Sohnes war Katharina noch hübscher geworden und Heinrich war sehr stolz auf seine kleine Familie. Die Neubauer Bäuerin gönnte ihrer Schwiegertochter die Zeit mit ihrem kleinen Sohn. Die Zeit, in der die junge Mutter ihren Sohn stillte, gehörte nur ihnen ganz alleine. Liebevoll umsorgte sie ihn.

Der Schwiegervater hielt sich lieber an Heiner, denn mit ihm konnte er etwas anfangen. Der kleine Franz machte so gar keine Anstalten zu wachsen. Da war es mit dem Heiner schon ganz anders. Wenn er mit den viel zu großen Gummistiefeln an den Füßen im Stall stand und mithelfen wollte die Schweine zu füttern, ja, das machte dem Bauer großen Spaß.

Der kleine Heiner erzählte und erzählte, wollte alles wissen und an manchen Tagen setzte sich der Bauer mit ihm einfach ins Stroh und erzählte dem kleinen Helfer eine Geschichte. Aufmerksam hörte Heiner zu. Für den Jungen war dies eine erfreuliche Abwechslung, denn zu Hause waren ja nur Frauen und mit ihnen konnte man doch nicht reden.

Der Neubauer Bauer kam aus seiner Schlafstube, wo er sich gerade umgezogen hatte. Er wollte in die Singstunde gehen. Am Donnerstagabend ging er hinüber in die Gaststube, in der die Übungsstunden abgehalten wurden. Er war ein guter Sänger. Seine Stimme war kraftvoll und klar. Er wollte schon die Treppe hinuntergehen, als er es sich doch überlegte und an die Schlafstube seiner Kinder klopfte.

"Wollt' nur mal nach meinem Enkel schauen, wenn ich nicht störe!", sagte er zu Katharina.

"Kommt nur herein!", forderte seine Schwiegertochter ihn auf. "Ich bin gerade fertig mit dem Wickeln! Hier, nehmt ihn einmal auf Euren Arm!"

"Nein, nein, wollt doch nur mal hineinschauen!", wehrte er ängstlich ab. "Ich zerdrücke ihn auf einmal noch!"

Aber Vater!", erwiderte Katharina ruhig. "Haltet ihn so wie ich! Es passiert schon nichts!"

"Ja, wenn du meinst!"

"Hier, nehmt ihn!"

Etwas unbeholfen nahm er seinen kleinen Enkelsohn entgegen und als die junge Mutter für kurze Zeit die Schlafstube verließ, sagte er entsetzt: "Jetzt geht deine Mutter auch noch hinaus. Was mach' ich bloß mit dir, wenn du anfangen solltest zu schreien?"

Doch der kleine Stammhalter dachte gar nicht daran. Ihm gefiel das sehr gut, einmal außer der Zeit auf dem Arm gehalten zu werden.

Der Großvater schaute ihn sorgfältig an, denn bisher hatte er keine Gelegenheit gefunden, seinen Enkelsohn so genau unter die Lupe zu nehmen.

"Ich muss gestehen", meinte er nach einer Weile, "du bist ein richtiger Neubauer! Mich tät 's nicht wundern, wenn du doch schon einen Zentimeter gewachsen wärst!"

Katharina, die gerade die Stube wieder betrat, lächelte, als sie es hörte.

"So", sagte sie, "nun legen wir ihn wieder in seine Wiege, sonst könnte er noch Gefallen daran finden und ich kriege meine Arbeit nicht mehr getan!"

Der kleine Franz gähnte und war zufrieden, als seine Mutter ihn wieder in seine gewohnte Umgebung legte.

"Wenn 's noch mal so passt, hätt's was dagegen, wenn ich wieder hineinschauen tät?"

"Nein! Ganz gewiss nicht! Es ist doch Euer Enkelsohn! Und wenn Ihr ihn sehen wollt, dann geht Ihr einfach in die Kammer! Es würde mich sogar freuen, wenn Ihr es tun würdet!"

"Bist schon eine gute Schwiegertochter!", meinte der Bauer. "Aber das bleibt unter uns!" Dabei grinste er sie schelmisch an und verließ die Stube.

"Ja, es bleibt bestimmt unter uns!", erwiderte Katharina lachend.

Die junge Neubauerin war sehr glücklich in diesem Haus. Sie hätte es nicht besser treffen können. Ihr Heinrich war sehr besorgt um sie und den Jungen, die Eltern sehr ruhig, freundlich und herzlich. Was wollte sie noch mehr?

Katharina horchte plötzlich auf. Das, was sie gerade vernahm, waren doch die Schreie der Kraniche. Es war also wieder so weit. Sie zogen wieder in Richtung Süden. Ein Jahr war sie nun mit Heinrich verheiratet und bereute keine einzige Sekunde. Nun kam die kalte Jahreszeit. Bald würden die ersten Schneeflocken vom Himmel herunterschweben und die grüne Landschaft mit einem weißen Mantel zudecken.

Wie viele Sekunden hat das Glück

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