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Rolle – Amt – Lebensstil. Konfigurationen von Diversität im Berufsfeld katholischer Seelsorgerinnen und Seelsorger. Eine Bestandsaufnahme

Abstract: Im gegenwärtigen Kulturwandel der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum kommt der Professionsforschung als Grundlagenforschung für Personalentwicklung eine wichtige Aufgabe zu. Die Fragen und Herausforderungen zu kirchlicher Organisation, zur Wahrnehmung und Deutung der gesellschaftlichen Wirklichkeit, zu Leitung, Partizipation und Teamarbeit, zur Entwicklung künftiger Visionen und Strategien seelsorglicher Arbeit, zum Umgang mit Ansprüchen und Belastungen in der Seelsorge, zu Themen und Lernweisen der beruflichen Weiterbildung, zu Kommunikation und Artikulation des Evangeliums und nicht zuletzt zu den individuellen Rollenverständnissen lassen sich in Bezug auf die Seelsorgenden aus mindestens drei Blickwinkeln betrachten: aus der Perspektive der beruflichen Rolle, des kirchlichen Amtsverständnisses (dem Bild von Kirche) und des milieutypischen Werteverständnisses (und die damit zusammenhängenden Strategien der individuellen Alltagsinszenierung und -ästhetik). Der vorliegende Beitrag bündelt zahlreiche Erkenntnisse unterschiedlichster Studien und versucht eine Art synoptische Übersicht zu Dienst und Leben, Amtsverständnis und Lebensstil von Seelsorgenden zusammenzustellen. Der Rückgriff auf diese unterschiedlichen Mindsets ist unverzichtbar, will man gegenwärtig und auf Zukunft hin neue pastorale Rollenbilder und Aufgabenprofile und damit pastorale Ausbildung konfigurieren.

Die pastoralsoziologische Forschung hat gezeigt, dass die drei in der Überschrift genannten Bereiche Rolle, Amt und Lebensstil in einer engen Wechselbeziehung zueinander stehen.1 Damit wird es möglich, aus unterschiedlichen Studienzusammenhängen die Grundcharakteristika der beruflichen Rollen darzustellen und aufzuschlüsseln. Das Gliederungsprinzip dieser Übersicht sind die sieben Themenfelder zur Kirchenentwicklung, die von Matthias Sellmann als unverzichtbar herausgestellt wurden: Organisation – Rezeption – Profession – Partizipation – Kommunikation - Artikulation – Innovation.2

Zum Verständnis ist wichtig: Die priesterlichen Rollen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung und die damit korrespondierenden Lebensstile unterliegen zeit- und kirchengeschichtlichen Prägungen. Vor allem das Zweite Vatikanische Konzil ist hier ein Motor für die Anreicherung der ererbten Priesterrolle des Trienter Konzils (dem „Pastor bonus“), für die Aufteilung seelsorgelicher Aufgaben an weitere Berufsträger (Seelsorgehelferinnen, GemeindeassistentInnen, Pastoralreferenten, Ständige Diakone). Ein weiterer Motor für den Wandel der Priesterrolle ist der fortschreitende Priestermangel seit den 1970er Jahren. Paul Zulehner beschreibt diese Entwicklung wie folgt:

„Den Ausgangspunkt bildet das tridentinische Amtsbild vom Guten Hirten: Der Priester, der sich um die ihm anvertrauten Gläubigen seelsorglich sorgt (und sie dazu kennen muss) und ihnen für ihren Lebensweg die Sakramente reicht. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dieses herkömmliche Amtsbild angereichert. Neben der Verantwortung für die Sakramente wurde die Verkündigung des Wortes Gottes betont. Die Aufwertung der Laien fügte den Gemeindepriestern neue Aufgaben hinzu. Das Bild vom Priester, der Gemeinden gründet und leitet, wurde geprägt. Der Priestermangel wiederum formt die angereicherte Priesterrolle spürbar um: Jetzt verlagert sich der Schwerpunkt priesterlicher Aktivitäten von der Person auf die Organisation oftmals mehrerer Gemeinden. Der Priester wird zum Coach der vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, verliert damit den Zugang zur Seelsorge bei den kleinen Leuten.“3


Abbildung 4: Amtstheologische Entwicklungen / Wandel der Priesterrolle seit dem Konzil (Quelle: Zulehner, Modernisierungsstress, Abb 8).

Der hier vorliegende Beitrag zeigt in tabellarischer Form eine Art Synopse dieser Wechselwirkungen. Die Tabelle beinhaltet die Erkenntnisse zahlreicher Studien. Der Übersichtlichkeit halber werden diese nicht einzeln vermerkt, sondern als Quellen am Ende des Dokuments aufgezählt.

Die nachfolgende Grafik fasst die Überlappungen der einzelnen Typologien zusammen. Die Zusammenhänge der Typologien sind signifikant.4


Abbildung 5: Empirische Verortung beruflicher Rollen und priesterlicher Amtsverständnisse im Lebensstilmodell der Sinus-Milieus 2001-2010; Quelle: eigene Berechnungen; Grafik: Sinus-Institut 2010.

Priester pflegen überwiegend einen konservativen Lebensstil (Sinus-Typologie) und inkorporieren die entsprechende Lebenslogik. Sie sind zudem vielfach zeitlose Kleriker (Zulehner-Typologie). Die wenigen Frauen (Pastoralreferentinnen) in diesem Milieu sind ebenfalls signifikant überrepräsentiert im Milieu der Konservativen. Pastoralreferenten und Diakone sind hier praktisch nicht anzutreffen.

Einige Priester sind Etablierte. Sie zeichnen sich eher durch das Amtsverständnis des zeitoffenen Gottesmannes (mit der Nähe zu Postmateriellen) oder des zeitnahen Kirchenmanns aus (eher Nähe zum konservativen Milieu).

Pastoralreferenten sind überwiegend dem Milieu der Postmateriellen zuzuordnen. Sie inkorporieren den Priestertyp des zeitgemäßen Gemeindeleiters.

Diakone sind vornehmlich dem Milieu der Traditionellen zuzuordnen. Dies entspricht hinsichtlich der sozialen Lage bzw. beruflichen Stellung vielfach dem jeweiligen Hauptberuf der Diakone (Mittelschicht / Untere Mittelschicht). Diakone sind ebenfalls zeigemäße Gemeindeleiter, werden sich vermutlich der individuellen Motivation von den Pastoralreferenten insofern unterscheiden, als dass sie „aus der Gemeinde – für die Gemeinde“ ihren Dienst tun bzw. sich zum diakonalen Amt berufen fühlen.

Ausbildung

Mit Blick auf pastorale Ausbildung ist es unumgänglich, die amtstheologischen Entwicklungen zu berücksichtigen, die sich nicht nur im räumlich-ästhetischen Programmen seelsorglicher Ausbildung (Gestalt der Priesterseminare, Laieninstitute) niederschlagen, sondern auch formal in gegenwärtig relevanten Themen und Formaten pastoraler Ausbildung. Zu berücksichtigen sind hierbei auch die offenen und verborgenen individuellen Amtsverständnisse, die darüber hinaus auch Denken und Handeln der für die Ausbildung verantwortlichen Akteure kennzeichnen. Das heißt: Neben der Frage, auf welche Leitidee von Kirche zukünftig ausgebildet werden soll (siehe Pilotbericht in diesem Band) ist die Frage wichtig, auf Basis welcher Amtsverständnisse bislang ausgebildet wurde, wie sich berufliche Rollen und Identitäten zukünftig weiter entwickeln im Zusammenhang mit pastoraler Ausbildung.











Literatur

Barz, H., Tippelt, R. (u.a.), Weiterbildung und Soziale Milieus in Deutschland, Bd. 1-3, Bielefeld 2003-2007 (Bd. 1: Praxishandbuch Milieumarketing, Bd. 2: Adressaten- und Milieuforschung zu Weiterbildungsverhalten und –interessen; Bd. 3: Milieumarketing implementieren).

Bucher, R., Nicht Selbstzweck. Pastorale Professionalität in der Transformationskrise der Kirche, in Herder-Korrespondenz spezial 1 (2009), S. 23-26.

Hennersperger, A., Ein ein(z)iges Presbyterium. Zur Personalentwicklung von Priestern. Amtstheologische Reflexionen zu Daten der Studie Priester 2000©, Ostfildern 2002.

Katholische Erwachsenenbildung im Erzbistum München-Freising (Hg.) Katholische Erwachsenenbildung in den Sinus-Milieus. Präsentation. o.O., o.J.

Lebendige Seelsorge. Zeitschrift für praktisch-theologisches Handeln, Themenheft „Beruf an der Grenze“, Heft 4 (2007), Würzburg 2007.

Schmidtchen, G., Priester in Deutschland, Forschungsbericht über die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführte Umfrage unter allen Welt- und Ordenspriestern in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg (Br.) 1973.

Sellmann, M., Zuhören-Austauschen-Vorschlagen. Entdeckungen pastoraltheologischer Milieuforschung, Würzburg 2012.

Sellmann, M., Die kirchenbildende Kraft des Wortes Gottes in den aktuellen Reformprozessen der deutschen Diözesen, in: Damberg, W. (Hg.), Gottes Wort in der Geschichte. Reformation und Reform in der Kirche, Freiburg i.Br. 2015, S. 298- 316.

Stelzer, M., Wie lernen Seelsorger? Milieuspezifische Weiterbildung als strategisches Instrument kirchlicher Personalentwicklung, Würzburg 2014 (Angewandte Pastoralforschung, Bd. 1).

Wippermann, C., Milieus in Bewegung. Werte, Sinn, Religion und Ästhetik in Deutschland, Würzburg 2011.

Wippermann, C., Magalhaes, I. (Hgg.), MDG Milieuhandbuch „Religiöse und Kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005“, München 2005.

Zulehner, P.-M., Patzelt, E., Samariter - Prophet - Levit. Diakone im deutschsprachigen Raum; eine empirische Studie, Ostfildern 2003.

Zulehner, P.-M., Priester im Modernisierungsstress, Ostfildern 2001.

Zulehner, P.-M., Hennersperger, A., „Sie gehen und werden nicht matt“ (Jes 40,31). Priester in heutiger Kultur. Ergebnisse der Studie Priester 2000©, Ostfildern 2001 (2. Auflage).

Zulehner, P.-M., Renner, K., Ortssuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006.

Zulehner, P.-M., Wirklich ein Priestermangel? Zur Lage der pastoralen Berufe im deutschsprachigen Raum, in Herder-Korrespondenz spezial 1 (2009), S. 36-40.

1 Vgl. Stelzer, M., Wie lernen Seelsorger? Milieuspezifische Weiterbildung als strategisches Instrument kirchlicher Personalentwicklung, Würzburg 2014 (Angewandte Pastoralforschung Bd. 1), S. 175.

2 Vgl. zu diesen Linien: Sellmann, M., Die kirchenbildende Kraft des Wortes Gottes in den aktuellen Reformprozessen der deutschen Diözesen, in: Damberg, W. (Hg.), Gottes Wort in der Geschichte. Reformation und Reform in der Kirche, Freiburg i.Br. 2015, S. 298-316.

3 Zulehner, P.-M., Priester im Modernisierungsstress. Forschungsbericht der Studie Priester 2000©, Ostfildern 2001, S. 34f..

4 Stelzer, M., Wie lernen Seelsorger? S. 151-178.

Diversity-Management als Dimension kirchlicher Personalentwicklung

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