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Bücher-Meme 2

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1) Wie viele Bücher besitzt du?

Das kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall kann ich sie nicht mehr zählen und weiß nicht, wie ich es schätzen soll.

2) Was war das letzte Buch, das du gekauft hast?

The Sex-Appeal of the Inorganic von Mario Perniola.

3) Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?

Zu Ende gelesen: Michael Bracewells England is Mine – es war enttäuschend und frustrierend. Hier und da gibt es kluge Einsichten, aber der ganze Aufbau des Buches ändert sich von Kapitel zu Kapitel; einmal ist das Narrativ historisch, ein anderes Mal regional. Man hat ständig das Gefühl, dass gleich etwas passiert oder dass man diesen Moment verpasst hat. Ich glaube, Bracewell hätte ein besser fokussiertes Thema gutgetan, weshalb ich mich trotzdem auf das noch in diesem Jahr [2001] erscheinende Buch über Roxy freue. (Englischer Literatur wird viel zu viel Bedeutung beigemessen: auf keinen Fall werde ich mich jemals zum Beispiel für Mr. D.H. Langeweile interessieren.)

Noch nicht zu Ende gelesen: Houellebecqs Elementarteilchen. Kein Wunder, dass Žižek das Buch gefällt. Gibt es eine schonungslosere Kritik des öden Hippie-Hedo­nis­mus und seines erbärmlichen Nachlebens im New-Age-Zen-Bullshit?

4) Fünf Bücher, die mir viel bedeuten.

Ich hasse diese Fragebögen, in denen es um den besten Film, das beste Buch oder die beste Platte geht und bei denen das neueste Ding jeweils ganz oben steht, weshalb ich mir erlaubt habe, Bücher auszuwählen, die mir schon seit mindestens zehn Jahren etwas bedeuten.

Kafka: Der Prozess , Das Schloss

Ist es möglich, später im Leben die Wirkung von Büchern, Platten und Filmen zu reproduzieren, die sie hatten, als man zwischen 14 und 17 war? Die schlimmsten Jahre meines Erwachsenenlebens waren diejenigen, in denen mir aus dem Blick geriet, was ich einst in den Seiten von Joyce, Dostojewski, Beckett oder Selby fand … jeden dieser Autoren hätte ich wählen können, aber ich habe mich für Kafka entschieden, weil er mein engster und beständigster Begleiter war.

Kafka habe ich das erste Mal über eine Anthologie bei Penguin namens The Novels of Franz Kafka kennengelernt, die mir meine Eltern, die sehr wenig über Literatur wussten, zu Weihnachten schenkten, weil sie dachten, dass es »irgendwie zu mir passen könnte«. Und das tat es.

Schwer zu sagen, wie ich damals den Text zuerst gelesen habe. Ich weiß nicht mehr, ob er mir gefallen oder mich frustriert hat. Immerhin ist Kafka kein Schriftsteller, der einen überfällt. Er nimmt langsam und subtil von dir Besitz. Ich kann mir vorstellen, dass ich damals einen direkteren Ausdruck existenzieller Entfremdung gesucht und erwartet habe. Aber davon gab es nicht viel bei Kafka. Seine Welt war keine des metaphysischen Auftrumpfens, sondern eine verwahrloste Höhle, in der nicht die heroische Entfremdung, sondern schleichende Scham re­giert. Physische Gewalt spielt fast keine Rolle bei Kafka – es ist die ständig drohende Möglichkeit gesellschaftlicher Scham, die seine verwickelten Nicht-Hand­lungen antreibt.

Man denke an die jämmerlichen Szenen in Der Prozess, als K. auf der Suche nach dem Gericht in einem Bürogebäude an jede einzelne Tür klopft, mit der erbärmlichen Ausrede, er sei ein »Zimmermaler«? Kafkas Genialität besteht darin, diese Absurdität zu banalisieren: Überraschenderweise und entgegen unserer Erwartung findet die Anhörung von K. tatsächlich in einem der Zimmer des Hauses statt. Natürlich. Und warum ist er zu spät? Je absurder K. die Dinge erscheinen, umso mehr schämt er sich, dass er die Abläufe des Gerichts oder des Schlosses nicht versteht. Die bürokratischen Verwicklungen erscheinen ihm lächerlich und frustrieren ihn, doch das liegt daran, dass er sie noch »nicht verstanden« hat. Oder die Komik der Anfangsszenen in Das Schloss, ein Roman, der weniger den Totalitarismus als die Wirklichkeit des Call Centers vorwegnimmt, wo K. erzählt wird, dass das Telefon »so etwa wie ein Musikautomat« funktioniert. Was für ein Idiot muss er sein, dass er bei einem Anruf an jemandes Schreibtisch erwartet, dass sie antworten? Ist er so naiv?

Kein Wunder, dass Alan Bennett, der Laureat der Scham, ein glühender Bewunderer von Franz Kafka ist. Sowohl Bennett als auch Kafka wissen, dass, egal wie absurd ihre Rituale, Verlautbarungen und Kleidung auch sein mögen, die herrschende Klasse nicht zu beschämen ist; und zwar nicht deswegen, weil es einen besonderen Code gibt, den nur sie versteht – es gibt gerade keinen Code –, sondern weil, was auch immer sie tun, in Ordnung ist, weil SIE es tun. Und umgekehrt, wenn man nicht Teil der Schickeria ist, dann wird nichts, was man tut, JEMALS genügen; man ist a priori schuldig.

Atwood: Katzenauge

Vor einer Weile fragte mich Luke, was ein Beispiel für »kalte rationalistische« Literatur wäre. Atwood, der der Ruf anhaftet, kalte Romane zu schreiben, wäre eine naheliegende Antwort, doch in Wahrheit ist so ziemlich jede Literatur kalt und rationalistisch. Warum? Weil sie uns erlaubt, uns selbst als Ketten von Ursache und Wirkung zu sehen und dadurch paradoxerweise den einzig verfügbaren Maßstab der Freiheit liefert. (Selbst Wordsworth, der Spinoza bewunderte, nennt als den Ursprung der Poesie ein »Gefühl, dessen man sich in Ruhe erinnert«, also gerade nicht rohe Emotion, die in irgendeiner dionysischen Ejakulation zum Ausdruck kommt.)

Katzenauge ist nicht mein Lieblingsbuch von Atwood – das wäre der schonungslose Roman Der lange Traum – aber es ist das Buch, das mir am meisten bedeutet. Ich kann mich nicht mal mehr an die ganze Handlung erinnern; aber was ich niemals vergessen werde, sind Atwoods schrecklich anschaulichen Schilderungen der Hobbes’schen Grausamkeit von »Freundschaften« unter Teenagern. Sie laufen hinter dir, damit sie über deine Schuhe lästern können und die Art wie du läufst … sie sind schlimmer als deine schlimmsten Feinde. Die langen Tage, der Frühstückstoast, der in deinem Mund zu Pappe wird, die Angespanntheit, die so stechend und konstant ist, dass man vergisst, dass sie da ist und sie nicht mal mehr bemerkt.

Sind die wichtigsten Jahre die der frühen Kindheit oder die der frühen Jugend? Als ich Katzenauge mit Anfang 20 las, war das wie eine Art Selbstanalyse, ein Ausweg aus der Geschichte der Misanthropie, der unterdrückten Wut und des kosmischen Gefühls der Unzulänglichkeit, die mich während meiner Teenagerzeit begleiteten. Atwoods eisige Analyse zeigt wunderbar, dass die Demütigungen jener Jahre ein struktureller Effekt der Beziehungen unter Teenagern waren und nichts, was nur mir selbst passierte.

Spinoza: Ethik

Mit Spinoza ändert sich alles, aber langsam. Es gibt kein »Damaskuserlebnis« bei der Konversion zu Spinoza, sondern einen stetigen und unerbittlichen Abbau früherer Annahmen. Wie bei jeder guten Philosophie ist die Lektüre Spinozas wie das Videoband in dem Film Videodrome: man denkt, man spielt es ab, aber eigentlich spielt es dich ab und sorgt für eine langsam Veränderung deines Denkens und deiner Wahrnehmung.

Auf Spinoza wurde ich während meines Studiums aufmerksam, aber richtig gelesen habe ich ihn erst in Warwick, unter dem Eindruck von Deleuze. In einem Lesekreis quälten wir uns über ein Jahr mit der Ethik. Hier war eine abschreckend abstrakte und doch unmittelbar praktische Philosophie, die sowohl auf kosmische Größe wie auf das kleinste Detail der Psyche abgestimmt war. War es die »unmögliche« Vereinigung von Strukturanalyse und Existenzialismus?

Ballard: Die Schreckensgalerie

Während Spinoza und Kafka ihre Wirkung langsam entfalteten, war der Eindruck, den Ballard auf mich machte, plötzlich. Sofort verband er sich mit einem von Mediensignalen gesättigten Unbewussten.

Im Grunde lag das daran, dass ich Ballard schon kannte, lange bevor ich etwas von ihm las: nämlich durch Joy Division (wenngleich eher in Hannetts Sound als in den Texten; das Lied »The Atrocity Exhibition«, mit seinem qualvollen Flehen, könnte nicht weiter von Ballards leidenschaftsloser Nüchternheit entfernt sein), bei Foxx und Ultravox, bei Cabaret Voltaire und Magazine.

Paradiese der Sonne ist sein bester Katastrophenroman, ein überflutetes London, das als eine literarisierte, surrealistische Landschaft von einem Conrad der letzten Tage kühl beobachtet wird; aber es ist Die Schreckensgalerie, das unverzichtbar ist. Mehr als das bekanntere Werk Crash bietet Die Schreckensgalerie das begriffliche und methodische Werkzeug, um sich dem aus seinen eigenen Materialien zusammengestellten 20. Jahrhundert zu nähern. Der Roman ist streng modernistisch, macht keine Zugeständnisse in der Handlung oder bei den Figuren und wirkt eher wie eine fiktive Skulptur statt wie eine Geschichte, eine zwanghaft wiederholte Reihe von Mustern.

Ja, Ballard wurde inzwischen in die Literaturkritik aufgenommen und ist zu einem Elder Statesman geworden, aber vergessen wir nicht, wie sehr sich sein Hintergrund von dem eines klassischen Ox-Bridge-Gelehrten unterscheidet. Ballard hat England aus den Fesseln seines eigenen Kanons befreit, gerettet vor den »ehrwürdigen« humanistischen Gewissheiten und der Schläfrigkeit der Sonntagsbeilage.

Greil Marcus: Lipstick Traces

Ich habe bereits darüber geschrieben, wie wichtig das Buch für mich ist. Ich las es, als ich gerade mit dem Studium fertig war, ich hatte keinen Plan und die Zukunft stürzte gerade in einem – zum Scheitern verurteilten – Versuch, sich in das ökonomische Realitätsprinzip Thatchers einzufügen, zusammen. Marcus’ dichtes Netz an Verbindungen bot einen Ausweg. Es war die Beschreibung eines transhistorischen Ereignisses, ein Ausbruch von Anabaptisten, Situationisten, Dadaisten, Surrealisten und Punks. Ein solches Ereignis war genau das Gegenteil des großen Spektakels der 1980er Jahre, den arrangierten und organisierten Nicht-Ereignissen, die sich im globalen Fernsehen abspielten, mit Live Aid im Epizentrum. Was Marcus beschrieb, war flüchtig und geheim, auch wenn es – notwendigerweise – von einer beachtlichen Kollektivität gekennzeichnet war. Lipstick Traces war sich sicher, dass Pop nur dann Bedeutung haben kann, wenn er aufhört »nur Musik« zu sein, wenn Politik in ihm nachhallt, die nichts mit kapitalistischem Parlamentarismus zu tun hat und mit Philosophie jenseits der Universität.

Am besten liest man Lipstick Traces selbst als Teil eines textuellen Rhizoms, das nach mehr als einem Jahrzehnt die Wirkung von Punk auszuloten versucht. Ähnliches gilt auch für das Vague-Magazin (wenn man nach einer der wichtigsten Quellen für die Cyberpunk-Theorie im Stile des CCRU-Kollektivs sucht, sollte man Mark Downhams Artikel in Vague lesen) und Jon Savages England’s Dreaming. (Bis Richard Wisemans Rip it up erscheint, ist diese Liste natürlich unvollständig.)

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