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KAPITEL V Ritter leben nach Tugenden

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Obwohl es erst früh am Morgen war, meinte es die Sonne gut und strahlte schon freudig und vehement auf die Erde nieder. Vana rannte hinüber zum großen Platz vor dem „Hinkenden Keiler“ und ihr Herz schlug so schnell, dass sie es im Hals pochen spürte und das Blut durch die Ohren rauschen hörte. Es wurde schon jetzt warm unter der Rüstung. Ihre Rüstung! Vana konnte es noch immer nicht fassen, was hier gerade passierte.

„Bist spät dran, Egbert. Graf von Friedberg lässt gerade aufstellen.“ Ein Ritter aus Herrn Friedbergs Tross blickte zu Vana herab und sie fragte sich, woran der Ritter die Knappen auseinanderhalten konnte, geschweige denn woher er wusste, dass sie egbert war. Hektisch suchte sie die Reihen der Knappen ab und erkannte dann schließlich die des Grafen von Friedberg. Es herrschte reges Treiben auf dem Hof und wo sich sonst nur vereinzelte Fuhrwerke, Pferde und Esel sowie eine überschaubare Anzahl an Gästen aufhielten, glich es nun einer kaserne. knappen standen in reih und Glied, Fahnenträger bezogen Aufstellung und Ritter brüllten Anweisungen, während Schaulustige sich vor dem Gasthaus versammelten.

Vanas Schläfe schmerzte und sie war aufgeregt wie nie zuvor in ihrem Leben. Nur die Hitze trübte die Vorfreude und ganz egal wie eklig und gefährlich die Zwergenmagie auch sein mochte, freute sie sich darauf, später den Helm durchaus auch mal abnehmen zu können. Vana dachte an die Formel für die Verwandlung und an das Signal, dass sie bald von den Zwergen bekommen würde.

Sie drängte sich durch die knappen der anderen Grafen und Ritter und nahm dann in der Reihe Aufstellung.

„Sind wir heute mit dem Narrenfuß aufgestanden? Netter Versuch, Egbert!“ Einer der beiden neben ihr stehenden Knappen rammte ihr den Ellbogen in die Seite.

„Erst zu spät kommen und dann sich falsch aufstellen — das kann ja heute was werden mit dir!“, sagte nun auch der andere und Vana hörte ein gedämpftes Kichern unter den Helmen.

„Egbert, dein Vater bezahlt uns hier, um aus euch Ritter zu machen. Ritter leben nach Tugenden und Pünktlichkeit ist eine Tugend. Also warum kommst du zu spät?“ Der Ritter stieg von seinem Pferd und während ein Knappe es am Halfter festhielt, schritt er die Reihe ab, nur um sich vor Vana aufzubauen. Er schien ihr viel schrecklicher als die anderen, die sie früher getroffen hatte. Seine Schläfen waren rasiert, und sein langer, dunkler Zopf flatterte und wiederholte seine Bewegungen. Alte, weißliche Narben kreuzten sein Gesicht. Aus irgendeinem Grund dachte Vana an ihren Vater. Noch bevor sie ihre Gedanken sammeln und antworten konnte, setzte er seinen Helm auf und ging zurück zu seinem Pferd. Sie erkannte ihn. Es war der Mann, den sie mit dem Grafen vor dem Stall belauscht hatte.

Der Knappe neben ihr hob die Hand. „Herr von Sachs, ich kann mir vorstellen, dass Egbert sich gestern noch mit der heiß- spornigen blonden Magd vergnügt hat und deshalb zu spät gekommen ist!“

Der Ritter fuhr herum und seine Augen blitzen wild unter seinem Visier. „Leopold, deine unkeuschen Vermutungen sind hier weder angebracht noch erwünscht und wenn ich deine Meinung zu irgendetwas hören möchte, werfe ich dir einen Kiesel an deinen Helm!“ Während der Ritter den Knappen neben ihr anherrschte, packte er sie beiläufig an der Schulter und zog sie weiter in die Mitte, wo er sie dann unsanft zwischen zwei andere Knappen drückte. „So Männer, nachdem nun auch der gute Herr Egbert seinen Platz gefunden hat, möchte ich eine vorschriftsmäßige Aufstellung sehen. Heute ist der Tag der Weihe und meine Aufgabe ist es, ein gutes Bild von euch Möchtegern-Rittern abzuliefern.“

Von Sachs schritt nun langsam die Reihe ab und Vana zählte aus den Augenwinkeln sechs knappen. Als er an ihr vorbeiging, lehnte sie sich kurz nach vorne und erkannte, wie die knappen trotz gleicher Rüstungen und Helmen auseinandergehalten wurden: Jeden Helm zierte nahe der mittigen Naht sein Familienwappen.

„Knappen, Aaaachtung. Nehmt Haltung ein vor unserem edlen und großzügigen Marktgraf Godefried von Friedberg!“

Ein Ruck ging durch die Reihe und Vana machte es den anderen knappen gleich. Sie spannte ihren körper und obwohl ihre Oberweite unter dem engen Brustharnisch schmerzte, drückte sie ihren Rücken durch. Ihr Herzschlag pumpte immer wieder gegen die Rüstung, sie konnte es nicht fassen. Eigentlich sollte sie im Stall oder im „Hinkenden Keiler“ stehen - stattdessen war sie hier. Mit Knappenrüstung.

„Guten Morgen, meine Knappen!“, riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie blickte nach rechts ohne den Kopf zu drehen und erkannte Marktgraf von Friedberg. Während er am Abend zuvor noch in lässigem Freizeitwams gewandet gewesen war, zierte nun eine edle polierte Rüstung seinen Körper. Trotz der Rüstung stieg er mühelos vom Pferd ab und baute sich vor der Reihe auf.

Der Graf musterte nun die Knappen und während man auf dem Hof immer noch andere Ritter ihre Knappen anbrüllen hörte, stand Graf von Friedberg nur da. Herr von Sachs hatte sich stumm neben ihm gestellt und blickte stur geradeaus.

„Willkommen. Willkommen zu diesem besonderen Tag. Willkommen in eurem neuen Lebensabschnitt!“ Der Graf drehte nun den kopf und sein Blick wanderte von knappe zu knappe.

Vana wurde es heiß und kalt gleichzeitig. Was, wenn ihre Tarnung aufflog, wenn die Transfomius Salbe nicht wirkte? Was, wenn man sie erwischte? Sie dachte an Tante Milda und ihr Herz zog sich zusammen. Was, wenn man ihr wegen Vanas dummen kleinen Traums den Hof wegnehmen würde? Und warum war ihr das nicht schon viel eher eingefallen? Vana wurde übel und sie fühlte sich, als müsste sie sich jeden Moment übergeben.

„Wie ihr wisst, das Arma Sanctorum ist kein einfaches Festwochenende und der Drachenlauf - kein gewöhnliches Turnier.“ Die Stimme des Grafen dröhnte in Vanas Helm und sie widerstand dem Drang, diesen abzunehmen und sich auf den Knappen neben ihr zu erbrechen.

Der Graf fuhr fort. „Das Arma Sanctorum ist ein heiliges Fest unserer Kirche und der damit verbundene Drachenlauf-Wettbewerb ein von Gott selbst gewolltes Auswahlverfahren. Es ist eine Ehre für uns, heute hier sein zu dürfen und nur die Besten unter euch werden bestehen und der Zeremonie beiwohnen. Nur die Besten unter euch werden dazu auserkoren, als Novize dem Gladior-Orden beizutreten und somit zu einer Waffe des Herrn zu werden.“ Er blickte nun Vana an und sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Bemerkte er etwas? „Es gehört schon viel dazu, ein regulärer Ritter zu ein. aber als ein Gladior Panzerritter kämpft ihr nicht nur für die Armen und Schwachen. Ihr seid die Speerspitze im Kampf gegen die unheiligen Dämonen, die dieser Tage die Menschheit plagen.“

Sein Blick wanderte nun wieder weiter, doch Vana zitterte innerlich am ganzen Leib.

„Ich will ehrlich mit euch sein. Der Wille des Telum Dei und somit des Schöpfers ist unergründlich. Der Drachenlauf ist eine Herausforderung an euren Geist und Körper, aber die erfolgreiche Bewältigung garantiert euch noch nicht, dass ihr für den Gladior- Orden ausgewählt werdet. Also grämt euch nicht, wenn ihr den Drachenlauf besteht und dennoch nicht auserlesen werdet.“

Graf von Friedberg blieb nach mehreren Runden, die er vor seinen knappen hin und her gelaufen war, stehen und blickte sie an. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Ihr könnt trotzdem stolz auf euch sein, diese Herausforderung gemeistert zu haben und dann bleibt euch immer noch ein Platz als Novize in den regulären Ritterorden. Werdet ihr aber vom Telum Dei auserwählt, erwartet euch bei den Gladioren ein Leben, welches das eines herkömmlichen Ritters bei weitem übersteigt. Denn dann habt ihr es nicht nur mit Banditen oder abtrünnigen Rittern zu tun, nein meine Knappen, dann seid ihr diejenigen, die sich lachend den abgrundtiefen Kräften der Hölle selbst in den Weg stellen.“ Graf von Friedberg nahm einen kurzen Schluck aus seinem Kelch und blickte hoch in den hellblauen Morgenhimmel, als suchte er darin, wie er seine Rede fortsetzen konnte.

Vana musste an das belauschte Gespräch denken und ihr war klar, wie innerlich zerrissen dieser Mann eben sein musste. Was hatten sie noch einmal gesagt? Als Novize könne man als Drachenfutter enden?

„Ihr kennt sicherlich alle die Geschichten aus dem Heiligen Land, habt unzählige Erzählungen über die Kreuzzüge und über die Sarazenen gehört.“ Graf von Friedberg senkte die Stimme und schien ausgerechnet Vana mit seinem Blick zu fixieren. „Aber glaubt mir: Kein Sarazene, kein Räuber oder marodierender Ritter wird euch das Herz so zu Stein erstarren lassen, wie der erste Drache, der sich vor euch aufbaut.“

Vana konnte nun manche Knappen trotz der Helme schlucken hören.

„Schuppen härter als ein Schild, Zähne so lang wie Schwerter und dazu Klauen, die ein gesamtes Fuhrwerk samt Balliste mit einem Schlag zerfetzen können.“ Er machte eine kurze Pause, um dann die Stimme zu erheben. „Und dann dieser Drachenatem. Ihr seht nur kurz, wie die Stelle zwischen Kiefer und Hals aufglüht. Wenn ihr dann nicht schnell euren Gladiorschild hochreißt oder zur Seite springt, bleibt von euch nur noch ein häufchen Asche in einer weißglühenden Rüstung übrig.“ Graf von Friedberg hielt einen Moment inne und seine Stimme schien kurz zu stocken, ehe er wieder die reihe abschritt. „Doch ihr werdet darauf vorbereitet. Die Ausbildung zum Gladior Panzerritter ist hart und wird euch einiges abverlangen, aber dank der schützenden Hand des Herrn, der fortschrittlichen Waffen und Männern wie unserem Herr von Sachs hier, werdet ihr auch diese Hürde meistern.“

Der Graf wollte eben zu seinem Ross gehen, als er kurz innehielt. Dann machte er kehrt und ging geradewegs auf Vana zu. Seine Hand lag schwer auf ihrer Schulter. „Du schaffst das, mein Junge. Ich bin sehr stolz auf dich!“

Während Vana ihn verwundert unter ihrem Helm anblickte und hoffte, dass er nicht doch bemerkte, dass sie nicht Egbert war, nickte er ihr und den anderen Knappen nochmals kurz zu und stieg dann auf sein Ross auf. Seine Stimme wurde nun laut und feierlich. „Heute beginnt das Arma Sanctorum mit der Weihe und mir ist sehr daran gelegen, dass Knappen unter meinem blauen Banner als Novizen ausgewählt werden. Ihr wurdet für diesen Test trainiert und gehört zu den besten jungen Männern des Landes. Ich bin sehr stolz auf das, was ihr bisher erreicht habt und heute ist der Tag, an dem sich euer Leben für immer verändern kann.“

Vana nickte kaum merkbar. Sie scherte das Gerede um Drachen und Helden nicht. Sie war nun hier und wollte sehen, wie weit sie es schaffen konnte. Bestimmt würde sie nie im Leben das Ende des Wettbewerbes erreichen. Diese Knappen wurden schon im Kindesalter darauf vorbereitet, während sie mit vier beinahe dauerbetrunkenen Zwergen deren Kampftechniken geübt hatte.

Sie presste die Lippen aufeinander. Egal! Sie wollte teilnehmen und wenn der Moment gekommen war, würde sie den Helm abnehmen und der Welt zeigen, dass auch Mädchen eine Knappenrüstung tragen konnten und würdig waren, am Drachenlauf teilzunehmen. Vana dachte nicht an die Konsequenzen. Ihr gefiel der Gedanke, dass man vielleicht auch stolz auf sie sei und so manches Mädchen durch ihre Tat beflügelt werden würde.

„... und deshalb werdet ihr heute euer Bestes geben. Nicht mehr und nicht weniger. Und vergesst niemals: Egal ob ihr den Drachenlauf besteht oder nicht, ich bin sehr stolz auf euch. Auf jeden von euch! Blaue Knappen, wir sehen uns bei der Weihe. Möge der Herr mit euch sein!“

Graf von Friedberg hatte seine Rede beendet und Vana versuchte trotz der aufregung und der Hitze ruhig zu bleiben. Ihr Herzschlag verlangsamte sich.

Doch das änderte sich bereits im nächsten Moment wieder.

„Vana? Vanaaaaa? Wo bist du denn?“

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, als sie das Rufen von Tante Milda hörte. Sie drehte leicht den Kopf und sah, wie ihre Tante über den Hof ging und dabei an Rittern und Knappen vorbeihuschte. Hatte das Zwergenkraut doch nicht gewirkt? Was, wenn Tante Milda keine Ruhe geben würde, bis sie Vana fand und an den Ohren vor allen Knappen ins Wirtshaus zurückzog?

„Vaaaanaaaa? Wo steckst ... Ach egal!“

Vana musste sich anstrengen, um Tante Milda zwischen den vielen Menschen sehen zu können. Ein seltsames Grinsen hatte sich nun über deren Gesicht gelegt und sie schien plötzlich ein Lied zu summen. War das zu fassen? Das Egalokraut der Zwerge schien tatsächlich zu wirken. Tante Milda schlurfte freudenstrahlend über den Hof und gab sogar einem verdutzten Ritter einen Klaps auf den hintern.

Vana blickte ihr nach, wie sie nun vor dem Gasthof stand und dort erkannte sie auch Huppo, der grinsend einen Daumen nach oben reckte.

„KNAPPEEEEEEN, aufsitzen. Die Weihe wartet!“ Die dröhnende Stimme von Alastair von Sachs riss Vana herum und die Knappen neben ihr rannten nun zu dem bereitgestellten Fuhr werk. Sie schloss sich ihnen an und nahm auf dem Fuhrwerk Platz. So saßen sie sich nun gegenüber, drei Knappen zu jeder Seite.

„Alle oben? Dann wollen wir mal! Auf nach Ammerlingen!“ Ritter von Sachs saß auf seinem Ross und stob nach vorne, um zu schauen, dass der Tross seine ordnungsgemäße Aufstellung einnahm.

Vana konnte es nicht sehen, aber weiter vorne musste Graf von Friedberg das Zeichen zum Aufbruch gegeben haben, denn Ritter von Sachs bellte nun weitere Befehle: „Ganzer Tross, Abmarsch!“ Das Fuhrwerk setzte sich rumpelnd in Bewegung. Vana blickte durch das enge Helmvisier und sah die zahlreichen Zuschauer, die winkend und klatschend auf dem Hof standen und die Seiten der Straße säumten. Auch die anderen Ritter mit ihren Knappen hatten sich in Bewegung gesetzt und so machte sich eine eindrucksvolle Kolonne aus Rittern, Fahnenschwingern und Fuhrwerken vom Hof des „Hinkenden Keilers“ auf nach Ammerlingen.

Vana schaute sich die begeisternden Menschen an und erhaschte kurz den Blick auf ein Mädchen. Es schien in ihrem Alter zu sein und hatte einen Korb mit Rüben und Kartoffeln im Arm. Das Mädchen wirkte verträumt. Ob es in ihren Träumen auch darum ging, am Arma-Sanctorum-Drachenlauf teilzunehmen? Eines Tages eine Ritterin zu werden? Vana dachte an ihre Freunde. Was würden Alina, Olaf und Egon jetzt wohl sagen? Sie konnte es kaum erwarten, ihnen von diesem kleinen Abenteuer zu erzählen. Vana winkte dem Mädchen zu.

„Hey, Egbert, du Schwerenöter. Machst wieder auf großen Ritter oder was?“ Der Knappe neben ihr boxte sie leicht in die Seite und lachte. „Was ist los, bist so ruhig heute. Was falsches gegessen oder war’s doch zu viel Met gestern?“

Nun schauten auch andere knappen zu Vana.

„Äääähm ... nööööö?“

Die Knappen lachten nun laut.

,„Äääähm nööööö’ sagt er. Unser Egbert hat sonst so ein großes Maul und heute bringt er nur ein ,Äääähm nööööö’ heraus?“

Der Knappe neben ihm äffte sie nochmals nach und Gelächter erfüllte den stickigen Fuhrwagen.

Vana war erleichtert. Ihre Stimme klang wohl wirklich nach Egbert. Das war zwar unheimlich, zeigte aber, dass der Stimmbatz in ihrem Hals seine Arbeit machte. Sie wollte nicht länger an das Insekt denken und räusperte sich. „Also. ääähm, wie läuft das nun ab? Bin bisschen durcheinander, die Sauferei und die ganzen Schlägereien gestern waren sehr heftig!“

Das Gelächter erstarb und ein Knappe gegenüber beugte sich vor. „Echt jetzt, Egbert? Schlägereien? Du hast gestern von dieser blonden Metze beinahe den Arsch vollbekommen.“

Zustimmendes Gelächter.

Ein anderer Knappe meldete sich: „Naja, wenigstens ist er nun wieder der alte Aufschneider.“

Der Knappe neben Vana gab ihr einen Klaps auf den Helm und seufzte: „Mann Egbert, blamier uns ja nicht. Du weißt doch, wie es läuft. Wir kommen an, begrüßen den Pöbel und nehmen mit der anderen Aufstellung zur Weihe. Dann schwören wir unseren Knappeneid und dann geht es los mit dem Drachenlauf.“ Der Knappe ging nun nahe an Vanas Helm heran und machte ein feixendes Gesicht. „Der Spaß endet zwar für dich ein bisschen früher, aber mach dir keinen Kopf, irgendjemand muss ja später auch die Pferde füttern!“

Wieder brandete Gelächter unter den knappen auf.

Vana hatte nun das erste Mal Mitleid mit Egbert. Auch wenn diese Jungs hier wohl Freunde und Kameraden waren, so gab es unter ihnen auch Rivalitäten und Egbert schien einer der Knappen zu sein, die gerne herausgefordert wurden. Vana dachte kurz an den Jungen, der jetzt gerade wohl seelenruhig in der Zwergen- stadt Mara Dunn schlief und seine Verletzung ausheilte, während sie seinen Platz einnahm.

„Ammerlingen voraus!“, hörte Vana die Stimme des Kutschers und auch die andere knappen versuchten nun, durch die Holzverstrebungen des Fuhrwerkes zu blicken.

„Geh mal zur Seite, Egbert.“ Der Knappe links neben Vana drängte sie unsanft weg, um einen Blick nach draußen werfen zu können.

Jetzt reichte es! Es war an der Zeit, sich vollends in die Rolle des „Egbert“ zu begeben und sie dachte an sein großspuriges und arrogantes Verhalten im Schankraum. Sie packte mit einem Griff die Stelle unterhalb des Nackenschutzes des anderen Knappen und riss ihn wieder zurück. „Nächstes Mal bittest du mich freundlich darum oder du erlebst die Weihe ohne Schneidezähne!“ Egberts Stimme klang nun bedrohlich tief und Vana erschrak fast ein bisschen über sich selbst.

Doch es zeigte Wirkung.

„Uuuuuh, nicht schlecht ... der Sohn des großen Mannes scheint langsam wieder bei Sinnen zu sein. Genau diesen Kampfgeist brauchen wir heute!“ Kichern und anerkennendes Gemurmel begleiteten den Knappen, der Vana beipflichtend zunickte.

Fanfaren erklangen und nun war auch das Glockengeläut der Stadt Ammerlingen zu hören. Sie wurden angekündigt.

Vanas Magen zog sich wieder zusammen und Schweiß rann ihr in die Augen. In ihrem linken Ohr spürte sie den ausgehärteten Knopf, aber bisher gab es kein Signal der Zwerge. Sie hoffte, sie hatten sie nicht vergessen, denn die Transformius-Salbe hatte bestimmt schon eingewirkt und obwohl es Vana missfiel, war es an der Zeit, auch das Gesicht dieses Aufschneiders anzunehmen.

Menschen riefen und jubelten laut und eine Wolke aus Lärm und knisternder Vorfreude erfüllte das rumpelnde Fuhrwerk. Knarzend und polternd öffneten sich die großen Stadttore und Befehle und Begrüßungen wurden gerufen. Sie waren da.

Das erste Mal in ihrem Leben betrat Vana die Stadt Ammerlingen nicht als Dienstmagd oder gar als normales Mädchen. Sie reiste als Knappe ein, bereit an einem Wettbewerb für angehende Ritter teilzunehmen. Ein warmes Kribbeln stieg ihren Hals hoch und sie war sich sicher, dass es nicht der Stimmbatz war. Ammerlingen erwartete sie.

Vanara: Aufstieg der Bahedor

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