Читать книгу Vanara: Aufstieg der Bahedor - Mark Wamsler - Страница 5
Prolog
ОглавлениеLukas öffnete den Vorratsschuppen und holte ein großes Stück Räucherschinken hervor. Am Ende eines langen Tages als kommandierender Ritter der Stadtwache wartete er schon bereits auf den deftigen Eintopf, den Jasmin eben in der Küche zubereitete. Nach den Entbehrungen des Krieges konnte er sich jeden Tag auf das bescheidene, aber köstliche Essen seiner Frau freuen. Und noch auf so vieles mehr: Jasmin und er planten Nachwuchs. Dazu musste er mehr Sold verdienen, vielleicht würde er sich für diesen neuen Ritterorden bewerben, den die kirche derzeit ins Leben rief. Von ihr hatte er für seine Dienste im heiligen Krieg immerhin auch dieses kleine Stück Land samt Hof im Leandertal geschenkt bekommen. Eingebettet zwischen sanften Hügeln, kaum einen Tagesritt von Ammerlingen entfernt.
Plötzlich hörte Lukas ein Knurren. Er hob den Kopf leicht und lauschte. Er trat aus dem Schuppen heraus, der sich an eine große Eiche schmiegte. Kalte Abendluft schlug ihm entgegen und er fröstelte kurz. Das Geräusch kam von da hinten, hinter dem Vorratsschuppen.
„Jasmin, ich dachte, Remo ist in der Stube?“, rief er in Richtung der Wohnhütte. Er schüttelte kurz den Kopf. Er mochte es nicht, wenn sich der Hund am Vorratsschuppen herumtrieb und bei jeder Gelegenheit versuchte, einen Happen Fleisch zu stibitzen. „Na los, Remo, wir gehen rein. Los!“ Lukas schulterte das Fleisch und machte sich auf, in die Hütte zurückzukehren. Es wurde langsam kalt und er freute sich auf eine warme Stube und sein Abendessen.
„Liebster, hast du mich gerufen? Was ist mit dem Hund? Remo liegt im Schlafgemach.“ Die Stimme seiner Frau war gerade verstummt, als Lukas erneut ein tiefes Grollen hinter sich hörte.
„Wenn Remo in der Hütte ist ... was zum Teufel ist dann ...“ Er warf das fleisch ins Gras, zog seinen Dolch und dachte an sein Schwert, das in der Stube an der Wand hing. Vorsichtig ging er um den Schuppen herum und blickte angestrengt in die Dunkelheit. „Wer ist da? Kommt heraus!“ Doch er wusste, dass es sich hier niemals um einen Menschen handeln konnte. Ein Bär vielleicht? Aber Bären trauten sich für gewöhnlich nicht aus ihren Wäldern so tief ins Leandertal.
Schon wieder ein Knurren. Es kam ihm beinahe schon wie eine Sprache vor. Er hatte im Heiligen Land so manche fremde Sprache gehört, aber so etwas noch nie.
Lukas holte tief Luft, hob einen Stein auf und warf ihn in den Schatten der großen Eiche. Es gab ein dumpfes Geräusch gefolgt von einem tiefen, wütenden Grollen. Egal, was es war, Lukas wusste instinktiv, dass er sich schnell zur Hütte zurückziehen musste.
Er wollte sich gerade umdrehen, als ihn zwei gelbe Augen aus dem Dunkel anstierten.
Lukas schluckte und ein Schauer überlief ihn. Diese Augen lagen viel zu weit auseinander, um irgendeinem Tier zu gehören, das ihm bekannt war. Die Laute erklangen erneut und es hörte sich nun an, als würde in einer tiefen, kehligen fremden Sprache zu ihm gesprochen. Dabei wanderte das Augenpaar höher und höher und ragte schließlich mehrere Ellen über ihm aus der riesigen Eiche.
Dann trat es heraus. Holz knirschte und knackte und in Lukas zogen sich die Eingeweide zusammen. „Allmächtiger Es konnte nicht sein. Er hatte von ihnen gelesen. Hatte die Gerüchte gehört. Hatte sich mit anderen Rittern und Soldaten darüber lustig gemacht.
Dann rannte Lukas. Rannte so schnell er konnte. Zurück zur Hütte. Zurück zu Jasmin. „Liebste ... komm ja nicht heraus ... Jasmin .... Bitte ... bleib ...“ Hinter ihm dumpfe Schritte und das tiefe Grollen. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass er verfolgt wurde. Er stolperte vorbei am Räucherfleisch, war nun beinahe an der Hütte angelangt. Von drinnen hörte er Remo kläffen.
Plötzlich erstarben die Geräusche hinter ihm und Lukas wagte einen kurzen Blick über seine Schulter. Ein kreischendes Zischen. Ein Glühen in der Nacht. Dann Hitze und ein kurzer brennender Schmerz, tausendmal heißer als die unbarmherzige Sonne über Akkon, gefolgt von ewiger Ruhe.
Die Tür ging auf, Jasmin übertönte Remos Bellen: „Liebster, was brüllst du denn hier draußen her-“ Weiter kam sie nicht. Fassungslos musste sie mit ansehen, wie ihr Gemahl in einem gleißenden Flammensturm verglühte.
Sie schrie, taumelte ins Haus und schaffte es mit zitternden Fingern, die Tür zu verriegeln. Remo bellte. Mit verschwommenem Blick rannte Jasmin zum hinteren Teil der Hütte. Lukas hatte dort, vorsichtig wie er war, eine Geheimtür eingebaut und hinter einem Regal versteckt. Jasmin schob es mit einem Ruck zur Seite und gelangte ins Freie.
Hinter ihr krachte und polterte es, der Boden bebte und Remos Bellen ging in ein kurzes Winseln über, ehe es für immer erstarb.
Jasmin rannte so schnell ihre Füße sie trugen. Tränen brannten in ihren Augen beinahe ebenso schmerzhaft wie die Hitze, die durch die näherkommenden Flammen auf sie einströmte. Ein lautes Krachen hinter ihr und sie warf beim Rennen einen Blick zurück. Die Hütte, die kleinen Geräte- und Vorratsschuppen - alles verging in einem tosenden Feuersturm. Innerhalb weniger Augenblicke wurde ihr ganzes Leben zerstört.
Jasmin schluchzte und rannte erfüllt von Grauen und Todesangst weiter in Richtung der kleinen Landstraße. Da, endlich, erblickte sie Reiter. Sie standen auf einer kleinen anhöhe und einer musste auf jeden Fall ein Ritter sein, denn seine Rüstung und sein Helm glänzten matt im Feuerschein.
„Dem Schöpfer sei Dank ... edle Herren ... so helft mir doch ... bitte ...“ Schon völlig außer Atem rannte Jasmin auf die drei Reiter zu, die regungslos auf der kleinen anhöhe standen. Nur das Schnauben ihrer Pferde und das Brausen des feuers klang durch die nacht.
Bei den Reitern angelangt, fiel sie auf die Knie und blickte zu ihnen hoch. „So helft mir doch! Mein Gemahl ... unser Heim ... ich bitte euch!“ Während der mittlere Reiter tatsächlich die Rüstung und den Helm eines Ritters trug, waren die beiden, die ihn flankierten, in dunkle Waffenröcke samt Mäntel mit langen Kapuzen gehüllt. Der Ritter hatte das Visier leicht geöffnet und Jasmin sah nun ein leichtes aber bösartiges Lächeln. Er nickte kurz und Jasmin wurde mit grausiger Bestimmtheit bewusst, dass sie hier keine Hilfe zu erwarten hatte.
Eine der verhüllten Reiter gab ein zischendes Geräusch von sich und mit einer unglaublichen Schnelligkeit schoss ein Arm auf Jasmin zu. Eine ledrige Klauenhand, grausam und nicht von dieser Welt, umschloss ihren Hals.
Jasmin versuchte noch schwach, die Klauen auseinanderzuziehen, aber sie konnte es nicht. Sie spürte, wie das Leben langsam aus ihr wich. „Lukas ... Liebster ...“
Der Ritter nickte erneut. Der verhüllte Reiter drehte mit einer blitzschnellen Bewegung und einem knackenden Laut sein Handgelenk und öffnete dann seine Klauenhand. Mit einem dumpfen Geräusch sackte der tote Körper der jungen Frau ins Gras und der Ritter blickte kurz in die wässrigen Augen, die nun stumpf und klagend in den Nachthimmel blickten. Dann schloss er sein Visier, drehte sein Pferd und galoppierte mit den anderen Reitern davon, während ein großer schwarzer Schatten über sie hinwegflog und sie in die dunkle Nacht begleitete.