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Durch dick und dünn, aber nicht durch dick und doof

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Die nächsten Tage stand ich jeden Morgen mit Magenbeschwerden auf. Diese seltsamen Schmerzen sind schwer zu beschreiben. Im Grunde sind es auch keine Schmerzen, es ist eher ein dumpfes, taubes Gefühl, das mir die Luft nahm, ein Gefühl, das mir vom Magen in den Kopf stieg. Die Kopfhaut schien von innen zu jucken. Der Schädeldruck stieg und das einzige, was hätte helfen können, wäre eine Art Schiebedach in der Schädeldecke, damit der innere Druck entweichen kann. Mein ganzer Körper stand innerlich unter extremer Spannung und mein Vertrauen in Uschi sank auf ein Minimum.

Mein Misstrauen war nicht unbegründet, denn dieser Freddy ließ nicht locker, er wollte Uschi unbedingt weiterhin treffen und faselte ihr etwas von der großen Liebe vor. Eines Tages ging bei uns mittags das Telefon. Ich ging ran und da war er, dieser Freddy, den ich nicht kannte, aber hasste. Er fragte nur, ob bei uns alles o.k. sei und wollte sich schon verabschieden, doch bevor er auflegen konnte, gab ich ihm folgenden Tipp: „Pass auf: Du rufst hier nicht mehr an, du fährst hier auch nicht in der Nähe unseres Hause vorbei und wenn ich dich hier sehen sollte, dann Gnade dir Gott. Ich hoffe, wir haben uns verstanden!“ Wenn er an diesem oder einem der folgenden Tage bei uns aufgetaucht wäre, hätte es kein gutes Ende genommen.

Dieser Typ war allerdings hartnäckig wie Dreck und Uschi, die mir zwar etwas anderes versprochen hatte, machte munter weiter und traf sich mit ihrem Freddy. Mir reichte es! Ich werde nie vergessen, wie sie im Badezimmer stand, sich die Haare föhnte und ich ihr sagte: „Ich muss was erledigen, ich bin in zwei bis drei Stunden wieder da.“ Uschi ahnte wohl, was ich vorhatte und wurde fast hysterisch.

„Mach jetzt nichts Falsches, Markus, mach jetzt nichts Unüberlegtes“ schrie sie mir, den Föhn in der Hand schwenkend, hinterher. Ich stieg trotzdem in meinen Wagen und fuhr in Richtung Münster, um Freddy einen Besuch abzustatten. Ich war geladen und auf 180. Von unterwegs rief ich meinen Freund mit dem Hasenkostüm an und sagte ihm, dass ich jetzt auch voll in der Scheiße stecke und ich mir diesen Freddy vornehmen würde.

„Markus, bau bloß keinen Mist. Wo bist Du? Komm zu mir und wir reden darüber.“ Aber, ich wollte nicht mit anderen Menschen darüber reden, sondern mir diesen Vogel zur Brust nehmen.

Ich fand das Haus, in dem er eine Wohnung hatte und klingelte an der Tür, ich klingelte noch mal - aber der Vogel schien ausgeflogen zu sein. Ich beschloss etwas weiter zu fahren, den Wagen woanders abzustellen, um dann 30 Minuten später wieder anzuklingeln. Und siehe da, eine Stimme an der Gegensprechanlage sagte: „Ja“. „Ja, hier ist auch Ja. Du bist doch der Typ, der was mit meiner Frau angefangen hat und ich denke, wir sollten uns mal unterhalten.“ „Über was denn?“ - fragte die Stimme etwas kleinlaut durch die Gegensprechanlage. „Wenn du nicht sofort runter kommst, dann brauchst du diese Tür nicht zu öffnen, aber ich garantiere dir, dass ich in einer Minute bei dir sein werde und dann bin ich nicht mehr so höflich.“ Nervös sagte mir die Stimme, zu der ich immer noch kein Gesicht hatte: „O.k. ich komme, ich hoffe, das wird jetzt nicht so eine Stressnummer.“ Ich wiederholte: „Komm runter, ich warte hier.“ Nach zwei Minuten kam er. Ein schmales Hemd, etwas kleiner und schmächtiger als ich, etwas zu dürr geraten, blonde dünne und für sein Alter – Ende 30 - sehr wenig Haare auf dem Kopf. Ein Typ, der nicht auffällt und von der Haarpracht eher einer Figur aus Ute, Schnute, Kasimir ähnelte. Ich dachte - das darf doch nicht wahr sein, so eine graue Maus? Ich hätte Uschi echt einen besseren Geschmack zugetraut, aber dieser Typ? Der ist ja eher eine Beleidigung für meine Augen. Wäre er wenigstens so ein Typ Antonio Banderas gewesen, dann hätte ich das noch verstanden, aber so? Jetzt verstand ich, warum diese Luftpumpe hinter meiner Uschi her ist. Er hatte wirklich von allem Nichts. Und von Nichts hatte er jede Menge. Mir wollte dieser Spargeltarzan jetzt erzählen, wie toll alles mit Uschi wäre. Außerdem würde bei uns ja nichts mehr laufen und die beiden wären schon seit mehr als sechs Monaten ein Paar. „Upps, sechs Monate?“ Da klingelte es doch gleich bei mir. Wir haben jetzt August, im Mai waren wir in der Türkei, dann wären die beiden ja schon seit Februar ein Paar. Freddy wollte sogar, dass Uschi, vor unserem Türkei-Urlaub die Beziehung mit mir beendet. Uschi hätte ihm aber gesagt, das könne sie den Kindern nicht antun, weil sich Max und Tim so auf den Urlaub freuen würden.

Jetzt ergab Uschis Verhalten im Urlaub auch einen Sinn und mit Biene an ihrer Seite, hatte sie eine Lehrmeisterin par excellence gefunden.

Ich hörte ihm mehr zu, als dass ich ihn ausfragte. Er war selbst von sich begeistert und lächelte mich all die Zeit von oben herab an, so wie einer, der über den anderen genau Bescheid weiß und ein Ass nach dem anderen aus dem Ärmel zieht. Genüsslich zelebrierte er seine scheinbare Überlegenheit und genoss jeden einzelnen Moment seiner Darbietung. Dann sagte er mir, dass Uschi und er sich schon Alternativen für mich angesehen hätten, denn aus meinem Haus müsse ich schon von Gesetzeswegen ausziehen.

„Ja, in dem Haus kannst du nicht bleiben, da haben wir uns schon beim Anwalt erkundigt, aber das wollten wir dir eigentlich in Ruhe beibringen.“ Ich glaubte, mich verhört zu haben. Der war mit meiner Uschi schon beim Anwalt und hat sich erkundigt, ob ich in dem Haus (in meinem Haus) bleiben darf oder ausziehen muss? Und die zwei haben sich „Alternativen“ für mich angesehen? Für die bin ich offenbar ein lästiger Köter, den man mal eben an einer Raststätte anleint und dann weiterfährt.

Ich schaute in dieses unscheinbare, dünnhäutige, grinsende Gesicht. Zusammen mit meiner Uschi hat sich dieser Typ schon reichlich Gedanken gemacht, wie man mich entsorgen könne. In diesem Moment habe ich eine Zeitlang überlegt, ob ich ihm nicht auf offener Straße seine dämliche Fresse poliere. Ich schaute ihm ins Gesicht, studierte seine Körpersprache. Er fühlte sich locker, befreit und stark wie der große Zampano, der seinem Feind - also mir - jedes Detail genüsslich aufs Brot schmieren kann. Ich hörte ihm zu und meine Faust, die locker in der Jackentasche verborgen war, wollte unbedingt in sein Gesicht. Ich hatte auch keine Angst davor, meine aufgestaute Wut zu entladen. Dazu hätte ich sogar gute Gründe gehabt. Mir wären auch anschließende Strafanzeigen, Schmerzensgeldklagen usw. egal gewesen. Er plapperte und plapperte auf mich ein und gefiel sich immer besser in seiner Rolle als Big-Lover. Ein Typ, der hier in einer Tour auf mich einredet, wie bescheiden meine Beziehung zu meiner Frau sei und der sich bereits ausgiebig mit meinem Leben befasst hat. Er schien jetzt auf dem Höhepunkt seiner neurotischen Selbstdarstellung angekommen zu sein. Er wäre vor Begeisterung fast abgehoben. Das war eigentlich der passende Moment, diesem Freddy gepflegt aufs Maul zu hauen. Nur hätte ich nicht gewusst, ob ich dann ein Ende finden würde. Gedanklich war ich mit einem Bein schon im Knast und er im Krankenwagen. In solchen Momenten rasen einem hundert Gedanken durch den Kopf: Wenn ich das tatsächlich mache, dann werde ich gleich als gewalttätig und unbeherrschbar eingestuft, das kannte ich ja schon von meinem Freund Mattes. Ich hörte die Richterin schon sagen: „Sie sind kein Vorbild für ihre Kinder, sie sind gemeingefährlich, gewalttätig und völlig ohne Selbstkontrolle.“ Dennoch, am liebsten hätte ich ihn hier und jetzt auf den Asphalt gelegt und war nur einen Wimpernschlag davon entfernt.

Meine Mutter hatte mich darum gebeten, unter keinen Umständen etwas Dummes oder Unkontrolliertes zu tun, als sie erfuhr, dass Uschi sich mit einem anderen Mann eingelassen hatte. Sie bat mich eindringlich, nicht die Beherrschung zu verlieren, sondern darauf zu setzen, dass sich alles wieder einrenkt und sich als Hirngespinst entpuppt. Meine Mutter hatte immer ein besonders Auge auf mich geworfen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich das jüngste von uns drei Kindern bin. Ich, der direkt nach der Ausbildung von Dortmund nach Stuttgart und später nach München zog, um dort ein zweijähriges Traineeprogramm zu absolvieren. Ich, der Jüngste war mit gerade mal 20 Jahren auf und davon und schnell flügge geworden. Meine Mutter war von meinen damaligen Berufsplänen wenig begeistert und machte sich größte Sorgen um ihr „Küken“.

Und jetzt, diesen Freddy vor meiner Nase, war ich drauf und dran, zu tun, wovor meine Mutter mich gewarnt hatte. Unterdessen redete Freddy immer weiter auf mich ein.

Ich fiel ihm ins Wort: „Toll, alles sehr interessant. Das habt ihr euch ja super ausgedacht. Glückwunsch, dass du über mein Leben und meinen Verdienst so ausführlich Bescheid weißt und dass du meiner Frau schon den Unterhalt für sie und die Kinder ausgerechnet hast – Respekt“ sagte ich. „Hast du da oben in deiner Bude denn noch genügend Platz?“ „Heeee, was, wie jetzt ???“ Er war in seinem Redeschwall so abgegangen und von sich begeistert, dass er außer sich selbst nichts mehr wahrnahm. „Pass auf, ich fahre jetzt nach Hause, dann schmeiße ich meine Frau aus meinem Haus. Und du, mein Freund, kannst die Möbel geraderücken, denn ab jetzt schläft sie bei dir. Wenn alles gut geht, hast du ab heute Besuch. Wenn ihr beide euch schon so viele Gedanken über mich und meine Kohle gemacht habt, über Unterhalt und Kindesunterhalt, dann frage ich mich, warum in aller Welt, wenn die Liebe doch so groß ist, warum geht ihr beide nicht arbeiten und plant euer gemeinsames Leben?“ Freddy guckte mich nur dumm an und sagte: „Ey, Arbeit ist was für Dumme, was soll ich denn arbeiten gehen, wenn die Knete auf anderem Wege kommt.“ Jetzt wäre endgültig der Zeitpunkt gekommen, ihm wirklich das Maul zu stopfen, aber dann dachte ich, das mach ich später, dafür finden sich Gelegenheit, Zeit und Ort. Ich brach das Gespräch ab und dankte ihm für die ausführliche Darstellung, die ich von Uschi wohl nie bekommen hätte. So trat ich frustriert und voller Zorn - als zukünftiges Auslaufmodell meiner Frau - den Heimweg an. In der Zwischenzeit hatte das neue Liebespaar schon eifrig telefoniert. Uschi rief mich im Auto an, sie hatte ja zwei Handys und war zudem auch noch multitaskingfähig: „Es tut mir leid, es tut mir so leid. Glaube mir, Markus, es geht nicht gegen dich.“

„Nee? Nicht gegen mich? Ach so! Vielleicht sollte ich alles auch nicht so persönlich nehmen?! Ich habe dir immer gesagt, ich geh mit dir durch dick und dünn, aber nicht durch dick und doof! Ich bin in 40 Minuten zu Hause. Du kannst jetzt deine Koffer packen, wenn ich komme, ziehst du aus. Die Kinder bleiben bei mir! Du hast dich ohnehin immer über die Kinder beschwert, dass sie so laut und stressig sind und nur Arbeit machen. Du kannst dich jetzt mit diesem Knallkopp vergnügen - aber die Kinder bleiben bei mir!“

Wie ferngesteuert fuhr ich nach Hause. Ich musste das Erlebte erst mal verarbeiten und auch wieder abkühlen, alles unter Kontrolle bringen, um dabei festzustellen, dass meine Ehe tatsächlich im Eimer war. Ich war sauer, wütend und enttäuscht. Ich fühlte mich verraten, hintergangen und ausgekundschaftet und das von meiner eigenen Frau und diesem Freddy.

Zu Hause angekommen, ging es erstaunlich friedlich zu, ich versuchte, die Fassung zu bewahren und Uschi versuchte sich rauszureden. Sie hat an diesem Abend nicht gepackt, sie schlief ab jetzt bei ihren Eltern und die Kinder blieben vorerst bei mir. Das Wochenende stand ohnehin vor der Tür und für die Kids war es nicht mehr ungewöhnlich, dass ihre Mama am Wochenende nicht präsent war. Ich versuchte, den Jungs ein buntes Programm für das Wochenende zu bieten. Ausgestattet mit Roller, Go-Kart, Trecker, Eimer und Schaufeln zogen wir zum Spielplatz, um den Sandkasten auf den Kopf zu stellen. Am Abend traten wir mit unserem Material-Convoy den Heimweg an. Wieder zu Hause mussten wir zuerst die Taschen, Schuhe und Haare vom Sandkastensand befreien. „So Männer, und jetzt ab unter die Dusche und dann ins Bett - aber, zack, zack!“ Als die beiden Nackedeis unter der Dusche standen, fragte Tim: „Papa, wo ist denn meine Mama, wann kommt Mama nach Hause?“ „Tim, das sag ich Dir gleich, komm erst aus der Dusche“ „Ja, aber wo ist denn die Mami - verdammt noch mal“ schob Max nach. „Kommt mal zu mir, Männer“. Ich wickelte meine Sandkastenhelden in zwei große Badetücher, setzte mich auf den Boden des Badezimmers und nahm meine Kids in die Arme. Gespannt und mit großen Knopfaugen, schauten sie mich erwartungsvoll an „Tim und Max, die Mama kommt heute nicht nach Hause und morgen kommt die Mama auch nicht nach Hause“ „Ist die Mama in den Urlaub gefahren, Papi - ohne uns? So eine gemeine Gemeinheit – mano!“ sagte Max. „Nein, die Mama ist nicht im Urlaub“ „Trennt ihr euch, Papa?“ fragte Tim mit leiser und ängstlicher Stimme. Ich merkte, wie ich jetzt nicht mehr an mich halten konnte und die Tränen in meine Augen schossen. Es tat mir so leid für meine beiden Kids. Ich nickte und sprach mit wässrigen Augen: „Ja, Kinder, so sieht es aus. Mama und Papa trennen sich!“ Max guckte mich ungläubig an und sagte: „Waaaas“ Die Mama soll nach Hause kommen!“ Tim hingegen hatte die Lage schon gecheckt. Blitzartig erstarrte er, um dann mit einem lauten: „NEEEIIIIIN Papa, bitte nicht, nein Papa, bitte nicht, die Eltern von Kevin und Nele haben sich auch gerade getrennt, mein Herz zerspringt in tausend Teile. Papa bitte nicht.“ Diesen Moment, die Gesichter meiner Kinder, die Augen, die mich anstarrten und wie mein Sohn Tim dieses für ein Kind unglaubliche „Nein, Papa, mein Herz zerspringt in tausend Teile“ ausschrie, all das werde ich nie in meinem Leben vergessen. Ich versuchte, den Kindern die Angst zu nehmen und ihnen aufzuzeigen, dass es bei uns etwas ganz anderes sei als bei ihren Freunden. Und dass Mama und Papa immer für sie da sein würden. Ich sagte: “Im Moment verstehen wir uns nicht so gut und deshalb ist es besser, wenn Mama und Papa sich vorerst nicht sehen. Das kennt ihr doch auch, dass ist bei Erwachsenen manchmal nicht anders als bei euch im Kindergarten oder in der Schule. Da findet ihr den einen oder anderen auch nicht immer toll und streitet euch mit ihm. Und ein paar Tage oder Wochen später seid ihr wieder Freunde, und genauso ist das mit Mama und Papa auch.“

Es war nicht einfach, meine beiden Jungs halbwegs beruhigt ins Bett zu bringen. Ihre Mama fehlte ihnen doch sehr, besonders an diesem Tage – und ich war es, der Mama vor die Tür gesetzt hatte und der selbst nicht daran glauben konnte, was ich den Kids gerade in Aussicht gestellt habe.

Am Montag wollte Uschi die Kinder für ein paar Stunden zu ihren Eltern holen. Ich hatte nichts dagegen. Allerdings: Uschi brachte die Kinder nie mehr zurück. Sie zog gemeinsam mit den Kindern in das große Haus ihrer Eltern und war vorerst nicht mehr erreichbar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein recht gutes Verhältnis zu meinen Schwiegereltern – von diesem Tage an war ich ein Fremder, ein Aussätziger. Blut ist dicker als Wasser – das war mir bei meinen Schwiegereltern sonnenklar.

Hände hoch! Unterhalt!

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