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Geld und Stress

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Warum kann Geld so viel Stress verursachen? Es wäre nur zu verständlich, wenn man Angst hätte, dass das Geld nicht für die eigenen Bedürfnisse und die der Familie reicht. Aber warum machen sich Menschen, die wirklich genug davon besitzen und es auf der Bank – einem vermeintlich sicheren Ort – liegen haben, Gedanken um Geld?

Empfinden nur bestimmte Menschen diesen Stress? Hat es etwas mit Alter, Geschlecht oder Gesellschaftsschicht zu tun? Ob man schon in Pension ist oder noch aktiv arbeitet, geizig oder verschwenderisch ist, sich mit Finanzen auskennt oder blutiger Laie ist? Wenn man darüber nachdenkt, kann nichts davon die Seelenqualen eines Investors erklären. Sogar die Menge an Geld spielt keine Rolle: Millionäre, Leute mit komfortablem Gehalt und auch Menschen mit einem kleinen Einkommen haben die gleiche Angst vor Verlusten: Ob wir über 100 Millionen EUR oder 100.000 EUR reden – immer die gleiche Geschichte. Sogar das Risiko, nur 5 % zu verlieren, lässt sich nicht vernünftig fassen und kann einem nächtelang den Schlaf rauben.

Jeder, der etwas gespart hat, begegnet früher oder später dem Risiko von Verlusten.1 Das heißt natürlich nicht, dass der Besitz von Geld per se ein Problem darstellt. Das Problem resultiert eher daraus, wie man das Geld verwaltet.

Wer war nicht alarmiert oder zumindest besorgt über die Gerüchte, dass die UBS in der Schweiz bankrott wäre,2 über die Kerviel/ Société Générale - Affäre in Frankreich3 oder die Weltfinanzkrise 2008? Die Finanzblätter sind voll von Geschichten über große Finanzinstitute, die Milliarden über Nacht verloren haben, obwohl ihnen die besten Spezialisten zur Verfügung standen. Angesichts solcher Ereignisse ist es ganz normal, Angst um die eigenen Investitionen zu haben, egal was Vermögensverwalter uns erzählen. Man erinnert sich wieder an die beruhigenden Worte des Bankers und die guten und schlechten Nachrichten, die er so vernünftig erklärt hat. Er scheint die Situation immer im Griff zu haben – und trotzdem hat man Angst.

Eine einfache Analogie erklärt, warum:

Im Alter zwischen zwei und fünf Jahren haben Kinder oft Angst vor der Dunkelheit. Im Dunklen fühlen sie sich vollkommen desorientiert und können sich nicht mehr an die Einrichtung ihres Zimmers erinnern. Wie herum steht das Bett? Wo ist die Lampe, wo die Tür? Sie verlieren die Kontrolle über ihre Umgebung und werden panisch, egal, wie sehr die Eltern sie beruhigt haben, als sie sie ins Bett brachten.

Investoren kennen das Gefühl. Die Dunkelheit ist für sie die Unsicherheit rund um ihre Investitionen. Sie mögen ihrem Banker bedingungslos vertrauen und sich all die detaillierten Erklärungen anhören, die jedes Steigen oder Fallen ihrer Aktien erklären, und verstehen trotzdem das Einmaleins ihrer Geldanlage nicht ganz.

„Ihre Aktien sind gestiegen, genau wie ich mir das gedacht habe, weil alle Indikatoren günstig standen“ oder vielleicht auch „Ihre Aktien sind gefallen, weil man dieses oder jenes Ereignis, das den Verlust ausgelöst hat, einfach nicht vorhersehen konnte“. Beide Szenarien scheinen sich um die gleiche schräge Analyse des Bankers zur gegenwärtigen Situation zu drehen. In Wirklichkeit aber verlässt sich jedes Szenario auf Vorhersagen. Und weil niemand die Zukunft vorhersagen kann – nicht einmal der brillanteste Finanzwissenschaftler oder der erfolgreichste Banker – führt diese große Unbekannte zu Dunkelheit und Stress.

Ein weiterer Faktor, der zu Unsicherheit führt, ist die Schwierigkeit, den Einfluss eines Gewinnes – oder besonders eines Verlustes – auf das Gesamtportfolio einzuschätzen. So wie ein Kind im Dunklen die wohlbekannten Orientierungspunkte (Bett, Lampe, Tür ...) nicht mehr findet, ist auch ein Investor wegen des nebulösen Verständnisses seiner Investitionen unsicher, wie er seine Verluste in Bezug auf das richtige Leben interpretieren soll. Entspricht der Verlust einem Monat Urlaub? Der Ausbildung seines Jüngsten? Der vorgezogenen Pension, von der er geträumt hat? Wenn Sie beispielsweise herausfinden würden, dass sie 25 % ihres Aktienkapitals verloren haben, was würde diese Zahl im wirklichen Leben bedeuten? Das eigentlich Wichtige ist nicht zu verstehen, weshalb sich die Prognosen des Bankers als richtig oder falsch erwiesen haben, sondern einschätzen zu können, welche genauen Auswirkungen ein Verlust haben wird. Die Sorgen eines Investors drehen sich schließlich nicht um Zahlen oder Prozente, sondern darum, was er mit dem entsprechenden Geld hätte anfangen können – oder nicht.

Das dunkle Zimmer spornt die Vorstellungswelt eines Kindes an und setzt alle möglichen Ängste frei. Genauso, wie die Fähigkeit, seine Umwelt zu erfassen, abnimmt, wird auch seine Wahrnehmung von Formen und Geräuschen immer weniger rational, bis es schließlich zu weinen anfängt, weil es glaubt, das Zimmer sei voller Monster und Hexen. Das Gleiche passiert dem Investor, der keinen klaren Blick auf seine Finanzsituation hat. Er fällt Zweifeln zum Opfer, die sein Urteilsvermögen beinträchtigen und ihn zu falschen Entscheidungen führen.

Nehmen wir die Swissair – die Prestige-Airline, die 2002 in den Konkurs ging. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Aktien des Unternehmens gehabt, als 14 Tage vor der Pleite die ersten Gerüchte aufkamen. Sie merken gerade, dass Ihre Aktien die Hälfte ihres Wertes verloren haben. Was sollen Sie machen?

Ihr Banker hatte Ihnen geraten, Ihr Geld in Swissair-Aktien anzulegen, aber er lag falsch. Egal wie gut fundiert seine Analyse war, sie basierte auf einer Prognose. Sie fangen an zu zweifeln. Wenn dieser Experte so einen Fehler gemacht hat, wie können Sie ihm weiter vertrauen – und wem kann man denn überhaupt noch trauen?

Um Ihren nächsten Schritt zu planen, versuchen Sie jede verfügbare Information auszuwerten. Einige Zeitungen behaupten felsenfest, dass die Schweizer Regierung ihr Flaggschiff nie in Konkurs gehen lassen wird. Wäre es also gescheiter, nichts zu tun, weil das Unternehmen ohnehin von der Regierung gerettet wird und die Aktien dann irgendwann wieder steigen? Sollten Sie am Ende noch mehr Swissair-Aktien kaufen, in der Überzeugung, dass das der einzige Weg ist, die Verluste wieder aufzuholen? Oder sollten Sie besser alles verkaufen, damit sie nicht noch mehr verlieren?

Belagert von solchen Zweifeln und ohne die richtigen Informationen oder Methoden für eine vernünftige Entscheidung haben viele Investoren dann irrational gehandelt. Sie sind der leisen Stimme in ihrem Kopf gefolgt, die sie immer wieder an die Monster im Dunklen erinnert hat. Sie ließen sich unter wachsendem Stress von vagen Intuitionen leiten – ihren Emotionen. Es gibt aber kaum einen Bereich im Leben, in dem es vorteilhaft ist, sich von seinen Emotionen hinreißen zu lassen. Zweifel und das Gefühl, schnell handeln zu müssen, führen uns direkt in Fehlentscheidungen.

Die bessere Art, in Krisenzeiten zu agieren, ist, sich mit Dingen zu befassen, die man unter Kontrolle hat. In unserem Swissair-Beispiel hätte sich der Investor fragen können: „Ab wann fängt ein Verlust an, meine Pläne zu stören?“ Diese einfache Rechnung ist schon ein guter Barometer. Wenn wir unsere Limits finden und festlegen, können wir schon Verhaltensregeln aufstellen. Wir agieren bereits kontrolliert.

Wenn Ihr Banker behauptet „Dieses Produkt ist riskanter, Sie können sowohl größere Gewinne, aber auch größere Verluste machen“ – haben Sie dann eine klare Vorstellung dieses Risikos? Wissen Sie dann, welche Verluste noch tragbar sind? Hier liegt die Gefahr, hier lauern Ihre „Monster“ und Ihre Stressauslöser. Der Fehler liegt nicht darin, Geld zu riskieren, sondern darin, dass Sie nicht rechtzeitig festgelegt haben, wie viel Sie investieren wollen oder können und wie viel Sie zu verlieren bereit sind.

1 National Survey by the American Psychological Association (APA), International survey by Reader’s Digest in 2006, Study by the University of Cambridge, 2008.

2 Zurichers say „UBS won’t go bankrupt like Swissair.” www.bloomberg.com, 02.10.2008. Frédéric Goujon, „Et si UBS faisait faillite?” Toutes Taxes Comprises (Swiss television series, TSR 1), 09.03.2009.

3 Claire Gatinois and Anne Michel, „Société Générale: six questions sur une fraude.” Le Monde, 26.01.2008.

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