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Ein Klumpen aus Fett, Wasser und Eiweiß

Dieses Buch wird Ihrem Gehirn guttun. Wenn Sie ein Buch über das Joggen lesen, können Sie deshalb noch keinen Marathon bewältigen. Wenn Sie ein Kochbuch lesen, werden Sie davon nicht satt. Aber mit der Lektüre des vor Ihnen liegenden Buches über das Gehirn tun Sie etwas Gutes für Ihr Gehirn: Ihre Gehirnzellen vernetzen sich neu – und dabei werden Sie schlauer.

Die Zauberformel für ein fittes Gehirn, die ich an anderer Stelle ausführlicher erläutern werde, lautet: Laufen. Lieben. Lernen. Auf den folgenden Seiten werde ich Ihnen beim Lernen helfen. Sie erfahren zum Beispiel, warum der etwa eineinhalb Kilogramm schwere Klumpen aus Fett, Wasser und Eiweiß in unserem Schädel für rund ein Fünftel unseres Energiebedarfes verantwortlich ist. Dabei macht er nur rund zwei Prozent des Körpergewichts aus (oder deutlich weniger, je nach Körpergewicht: Während man sich jederzeit dick futtern kann, wächst das Gehirn im Erwachsenenalter nicht mehr). Sie werden Botenstoffe kennenlernen, die den winzigen Spalt zwischen den Enden der Nervenzellen überbrücken. Gibt es an bestimmten Stellen zu viel oder zu wenig dieser Botenstoffe, in der Fachsprache als Neurotransmitter bezeichnet, gerät unsere gesamte Persönlichkeit aus der Bahn. Depression und Sucht, Hass und Liebe sind Folgen eines veränderten Neurotransmitter-Haushaltes. Sie werden erfahren, wie Denken funktioniert, was beim Lernen geschieht und wie wichtig der Schlaf dabei ist.

Sie werden einige faszinierende Menschen kennenlernen: einen amerikanischen Patienten, der Sie zwei Minuten, nachdem Sie mit ihm geplaudert haben, völlig vergessen hätte – und einen russischen Journalisten, der sich noch nach vierzig Jahren an jedes Ihrer Worte erinnern würde; einen Eisenbahnvorarbeiter, der ein netter Typ war, bis ihm eine Eisenstange das Vorderhirn zerstörte; zwei Hirnforscher, die sich einen Nobelpreis teilen mussten, obwohl sie sich gegenseitig für Ignoranten hielten; zwei nach Forschern aus dem 19. Jahrhundert benannte Hirnareale, die für unsere Sprache unabdingbar sind und die moderne Hirnforschung begründen. Und vor allem werden Sie sich selbst kennenlernen. Am Ende dieses Buches werden Sie (hoffentlich) weder Ihrer Erinnerung noch Ihrer Wahrnehmung so trauen wie zuvor.

Mit einem Mythos räumen wir am besten gleich zu Anfang auf: Sie nutzen selbstverständlich nicht nur zehn Prozent Ihrer Gehirnkapazität. Auch dann nicht, wenn Sie sich nicht auf dieses Buch konzentrieren, sondern sich vor dem Fernseher von Verkaufssendungen berieseln lassen. Dies würde sonst einem fundamentalen Gesetz der Evolution widersprechen. Wenn wir mit nur zehn Prozent unserer Gehirnleistung durchs Leben kämen, könnte der Mensch eine Menge Energie einsparen (und im Übrigen – wie viele andere Säuger – mit einem kleineren Kopf auskommen, der leichter durch den Geburtskanal flutschte). Da Energie in Form von Glukose aufwendig bereitzustellen ist, hätte die Evolution längst für Schrumpfgehirne gesorgt.

Inzwischen ist das Wissen um den Unsinn dieser Behauptung allerdings fast ebenso sehr verbreitet wie der Mythos selbst. Deshalb erscheint eine Einschränkung angebracht. Beim Gehirn gilt das Motto »Use it or lose it« – »Nutze es, oder es verschwindet«, oder, wie man im Deutschen sagt: »Wer rastet, der rostet.« Wer in einer geistig anspruchsvollen Umgebung aufwächst, wird unabhängig von seinen genetischen Voraussetzungen intelligenter. Wer sich im Alter mit komplexen Fragen beschäftigt, bewahrt seine kognitive Leistungsfähigkeit länger (dazu später mehr). Dass das Gehirn stets zu 100 Prozent ausgelastet ist, heißt also nicht, dass wir ihm nicht mehr abverlangen könnten, als wir es gelegentlich tun. Mit anderen Worten: Sie brauchen keine Angst zu haben, dass Ihr Gehirn irgendwann mal voll ist – manchmal braucht es höchstens ein bisschen Schlaf, damit es wieder aufnahmebereit wird.

Gehirn. 100 Seiten

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