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[44] Entpersonalisierte Off-Ton-Slideshow

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Ein Produktionsformat, dass dem Anforderungsprofil (Flexibilität, akzeptabler Ressourceneinsatz, Kontrollierbarkeit etc.) gerecht wird und die Problemfelder (Personalisierung, Rechtsfigur) beherrschbar macht, gleicht einer vertonten Slide- oder auch Diashow. In einer Slideshow werden Bilder, Stummfilmausschnitte, Grafiken oder Abbildungen gezeigt und mit einer Audiospur hinterlegt. Der Rezipient*innen erhalten so zunächst den Eindruck, als betrachten sie ein Fotobuch, bei dem die einzelnen Bilder – teilweise animiert – erläutert werden. Die notwendigen Informationen zum Verständnis der Medien liefern Sprecher*innen aus dem Off. Bei Bedarf können grafische oder textuelle Elemente ergänzt werden. Auch die Integration von Stummfilmen ist möglich. Stummfilme stehen dann entweder für sich, oder sie erhalten ein spezielles Audio aus dem Off. Die visuellen Elemente dienen dazu, den Inhalt (Audio) zu elaborieren. Auf der Seite der Rezipient*innen hat das Format Diashow vermeintlich den Nachteil, dass die finalen Produktionen nicht so unterhaltsam sind, wie konventionelle Filmprodukte. Auf der Entwicklerseite bietet das Format Diashow aber den Vorteil, dass die Produktion flexibel integrierbar und mit Blick auf die Mediennutzung auch kontrollierbar ist. Im Grund benötigt man zunächst lediglich den Audioschnitt. Ein einmal produzierter Audioschnitt lässt sich mittels Schnittprogramm anschließend fast beliebig mit visuellen Medien (Bildern, Grafiken, Stummfilme etc.) anreichern. Der Audioschnitt lässt sich über die Komponenten Manuskript und Deklamation zudem didaktisch in den Ausbildungsprozess (produktive Komponente der Designorientierung) integrieren. Auch die Ressourcenfrage scheint unproblematisch. Man benötigt in einer Grundausstattung lediglich die Schnitt- bzw. Aufnahmesoftware und einen Rechner mit Mikrofon.

Fazit: Die Slideshow bietet die meisten Übereinstimmungen mit dem Anforderungsprofil

Erklärfilme, die in Designprojekten entstehen, erläutern entweder, wie man etwas macht oder warum man etwas macht bzw. wie und warum etwas funktioniert oder sie erklären mehr oder weniger abstrakte Konzepte und technische bzw. naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Erklärvideos aus didaktisch professionalisierten Lernumgebungen sind vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen (vgl. Kapitel 1, 2, 3, 4) insbesondere durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet:

1. Erklärvideos [45] enthalten eine klare Fokussierung auf einen thematischen Schwerpunkt. Dieser Schwerpunkt ist in der Regel über das Ordnungsmittel curricular verankert. Die eher willkürliche Vielfalt, die Videos aus informellen Kontexten bieten, wird über die Steuerinstrumente formaler Settings im Rahmen institutionalisierter Aus- und Weiterbildung (Lehrperson, Curriculum) kanalisiert.

2. Erklärvideos verfügen über eine didaktische Gestaltungsperspektive mit definiertem fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Anspruch. Es gibt eine Bezugsnorm, die durch die Lehrkräfte definiert wird. Erklärvideos erreichen damit eine relativ hohe und vor allem vorhersagbare fachwissenschaftliche Qualität.

3. Es gibt Produktionsstandards, die Erklärvideos aus pädagogisch angeleiteten Kontexten von solchen Videos unterscheiden, die in informellen Kontexten als Eigenproduktion entstehen. Das heißt im Besonderen, dass es Qualitätsstandards für die Audioqualität gibt. Trotz geringer Produktionsbudgets erreicht die Qualität von Erklärvideos über die Standardisierung semi-professionelles Niveau.

4. Erkärfilme im Sinne des Konzepts sind kurz; die Zeitspanne reicht von kurzen Erklärungen mit einer Dauer von weniger als einer Minute bis hin zu maximal fünfminütigen Produktionen.

5. Erklärfilme werden im Laufe der Zeit zwangsläufig Teil von Erklärfilmreihen mit einer Vielzahl von aufeinander aufbauenden Erklärvideos.

6. Das Corporate Design der Produktionen spiegelt medial die Lernumgebung, in der die Macher*innen agieren. Das bedeutet, dass die verwendeten (Bild-) Medien und Macharten einen Wiedererkennungswert und Wiedererkennungsmerkmale bieten. Die Produktions-Peers entwickeln fast zwangsläufig einen eigenen Stil.

7. Erklärvideos verwenden einen mehr oder weniger informellen Kommunikationsstil. Dieser Stil hat aber klar definierte Regeln (vgl. Kapitel 6.1, 6.2). Allgemein zeichnen sich Erklärfilme, auf Youtube, durch einen eher informellen Kommunikationsstil aus, sie werden häufig sogar gezielt durch einen flapsigen Sprachstil aufgelockert. Es wird fast ausschließlich geduzt und es geht wenig hierarchisch zu. Dadurch wird nicht von oben herab kommuniziert, sondern auf Augenhöhe erklärt. Mit Blick auf Erklärvideos, die in einem institutionalisierten Kontext entstehen, unterliegt die Produktion bzw. Verwendung von humorvollen bzw. unterhaltenden Elementen jedoch gewissen Regeln. Abgesehen von Rechtsverstößen, etwa der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, stellt die Verletzung von moralischen Grundwerten eine solche Grenze dar. Institutionen des [46] öffentlichen Rechts, aber auch Unternehmen haben zusätzlich Compliance-Richtlinien einzuhalten. Eine strikte Anwendung der Regeln im Kontext einer Qualitätskontrolle ist besonders dann verpflichtend, wenn die Videos später in Social-Media-Plattformen veröffentlicht werden. Die Einhaltung der Regeln ist immer auch ein Spagat. Schließlich besitzen bestimmte Unterhaltungselemente durchaus motivationspsychologische Potentiale. Es obliegt auch hier den Lehrkräften, für klare Regeln zu sorgen. Das gilt auch mit Blick auf eine fehlertolerante und positive Lernatmosphäre, in der die Videos entstehen und in der sie distribuiert werden.

8. Dopplungen bzw. Wiederholungen sind im Kontext designorientierter didaktischer Projekte der Regelfall. Es ist durchaus möglich, vorhandene Produktionen zur Überarbeitung freizugeben. Die Vielfalt der Angebote wird am Ende einen Beitrag zur Überwindung von Bildungsbarrieren leisten und inklusive didaktische Settings ermöglichen. Eine auf den ersten Blick überflüssig bzw. redundant erscheinende Zweit- oder gar Drittproduktion von speziellen Erklärfilmen zu ein und demselben thematischen Schwerpunkt macht die individuelle Akzeptanz und damit Zugänglichkeit überhaupt erst möglich (vgl. Kapitel 4).

Mit den genannten Eigenschaften unterscheiden sich die Erklärfilme aus Designprojekten von reinen Videotutorials und auch von Performancevideos. Videotutorials, in denen eher praktische Werktätigkeiten im Sinne einer operativen Handlung zum Nachahmen vorgemacht werden, bilden einen reduzierten Spezialfall des Erklärvideos. Es handelt sich um ein Genre, das sich gerade in informellen Kontexten großer Beliebtheit erfreut. Erklärvideos aus Designprojekten unterscheiden sich von Tutorials insbesondere dadurch, dass sie die Inhalte in der Regel tiefer elaborieren und theoretisch fundieren. Außerdem verwenden sie mehr grafische Textelemente und der Begleittext wird nicht frei gesprochen, sondern abgelesen. Performancevideos sind dann besonderes beliebt, wenn es den Darsteller*innen gelingt die Community zu überzeugen. In Performancevideos werden spezielle, oft künstlerische Fähigkeiten oder Fertigkeiten der Darsteller*innen häufig überaus prägnant präsentiert.

Mit Blick auf das Produktionsformat besitzt die vertonte Slideshow das größte Potential, in Designprojekten Verwendung zu finden. Auch die Lege- und Schiebetechnik sowie der Iconfilm bieten sich dafür an, als Designprojekt umgesetzt zu werden. Die Formate haben aber gegenüber der Slideshow den Nachteil, dass sie weniger flexibel eingesetzt werden können und auf sehr spezielle visuelle Medien angewiesen sind. Die Slideshow dagegen verwendet Fotos, Abbildung und Grafiken, die einfach zu beschaffen bzw. zu produzieren sind. Der Realfilm [47] ist, wie sich gezeigt hat, dagegen weniger gut dafür geeignet, als Standardformat für die regelmäßige Umsetzung von Designprojekten zu fungieren. Der Implementierungsaufwand ist zu groß. Der Realfilm findet daher seinen Platz eher in speziellen Projekten.

Tabelle 3 fasst die Besonderheiten der Produktionsformate in einer Übersicht zusammen und zeigt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Filmformate. Die Off-Ton-Slideshow erweist sich mit Blick auf die Rechtsfigur als gut kontrollierbar, weil eine visuelle Entpersonalisierung problemlos umsetzbar ist. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für den Filmschnitt auf ein Minimum, während über Abbildungen, Bilder, Stummfilme und andere visuelle Medien Realitätsnähe erzeugt werden kann. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten zum Konzept wurde die vertonte Slideshow im Referenzprojekt zu diesem Lehrbuch in rund 500 Projekten erprobt. Die weiteren Ausführungen fokussieren sich entsprechend auf dieses Format. Die in den folgenden Kapiteln näher erläuterten Entwicklungsphasen sind aber für die anderen Formate ebenfalls von Bedeutung. Auch sie benötigen je nach Herangehensweise ein Manuskript, müssen ein Audio produzieren, fordern einen finalen – allerdings speziellen – Filmschnitt und benötigen Nachnutzungsszenarien und Distributionskanäle.

Tabelle 3: Videoproduktionstechniken in einer Übersicht

Grad der Personalisierung Implementierung: Aufwand für die Lehrkräfte Realitätsnähe Anforderungen an die Lerner*innen
Zielvorstellung (Soll) Niedrig Niedrig Hoch Niedrig
Personalisierter Film (Bewegtbild) Hoch (hoher Kont- rollaufwand) Hoch (Schnitt, Beleuchtung, Rechtekonzept etc.) Hoch Hoch
Entpersonalisierter Film (Bewegtbild) Niedrig Hoch (Schnitt, Beleuchtung etc.) Hoch Hoch
Wisch- bzw. Legetechnik Niedrig Hoch (Verschiebeobjekte müssen erzeugt werden) Niedrig Hoch
Iconfilm Niedrig Niedrig Niedrig Hoch
Entpersonalisierte Off-Ton Slideshow Niedrig Niedrig Hoch Niedrig

Nachdem die bildungswissenschaftlichen Bezüge die Vorzüge der Projektpädagogik als pädagogische Rahmung zeigen konnten und eine Eingrenzung bzw. Fokussierung auf das Produktionsformat Off-Ton-Slideshow erfolgt ist, geht es im Folgenden darum, die Phasen von Designprojekten auszudifferenzieren.

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