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Der Schmetterling ist ein Virus

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Er trägt den Namen: COVID-19, wird landläufig als Corona Virus bezeichnet und gehört zu der Gruppe der Grippe-Viren. Er ist so klein, dass wir ihn nicht sehen können und so wirkmächtig, dass er die Welt der Menschen, um es kurzzufassen, vollständig lahmgelegt hat. Für den historischen Leser, wir schreiben das Jahr 2020, es ist der 31. März und auf der ganzen Welt fliegen kaum Flugzeuge mehr, kein Restaurant hat geöffnet, die Industrieproduktion ist eingeschränkt, in Deutschland dürfen wir nur noch zu zweit auf die Straße. Versammlungen sind verboten. Geschäfte haben geschlossen. Kirchen, Synagogen und Moscheen haben geschlossen. Menschen dürfen keine Partys mehr feiern. Es ist kein größenwahnsinnig-paranoider Diktator am Werk, es ist ein Virus. Ein kleiner Virus hat Kontinente in den Hausarrest gesteckt und wenn es die Pressefreiheit nicht geben würde, wären alle Freiheitsrechte ausgesetzt. Ein kleiner Virus, welcher sich erst in China verbreitet. Aus ein paar Infektionen in einer kleinen Industrieenklave im Dezember 2019 hat sich eine Pandemie entwickelt mit weltweit 622.450 Infektionen, Aktuell sind 457.877 Menschen infiziert, 135.779 genesen und 28.794 Menschen gestorben (Stand 28.3.2020).

Wie konnte das geschehen? Die Basis der Verbreitung eines Virus ist, dass dieser weitergegeben wird. Es braucht einen Wirt und einen Huster und einen Virus, der sich leicht überträgt und sich dann festsetzt. So wird der Virus weitergetragen von Wirt zu Wirt. Als weitere Faktoren setzen wir einen Wirt in ein Flugzeug und tragen diesen Virus weiter auf weitere Wirte und ab diesem Zeitpunkt ist die Dynamik nicht mehr zu stoppen, denn von Wuhan reist der Virus nach Peking von Peking nach Venedig, Madrid, Riad, München. Von dort aus reist er nach Ischgl, New York, San Francisco, Düsseldorf und so weiter und so fort. Innerhalb kürzester Zeit gibt es selbst auf den kleinsten Inseln jemanden der mit jemandem in Kontakt gekommen ist, der mit jemandem in Kontakt gekommen ist. Ein Schmetterling in Wuhan hat einen Tornado um die ganze Welt geschickt. Jetzt in der sozialen Isolation schauen wir auf die Zahlen die täglich steigen und können es kaum glauben. Es gibt den Schmetterlingseffekt wirklich und die vollen Ausmaße dieses Tornados sind bisher noch nicht auszumachen.

Neben dieser Infektionsdynamik gibt es jedoch auch eine non-lineare Psychodynamik. Welche von „Das ist in China und damit ganz weit weg.“ über „Das ist nur Grippe und nur für Menschen über 85 Jahren gefährlich!“ hin zu „Ok, es scheint doch wohl etwas ernster zu sein“, und zu Panikkäufen von Jahresbedarfen an Toilettenpapier reichte. Zunächst galt es als Panikmache, wenn Menschen die Situation als ernst beschrieben. Jetzt gilt es als asozial und unempathisch auf der Straße stehen zu bleiben und mit dem Nachbarn zu reden. Die Dynamik ist ebenfalls non-linear und folgt doch einer Ordnung. Schauen wir noch einmal genau hin. Wir befinden uns im Januar des Jahres 2020. Die Wirtschaft brummt, die Börsen verzeichnen Rekorde. Menschen kaufen Häuser, Fernseher und Handtaschen im Wert eines Kleinwagens. Die Stimmung ist: „Everything goes!“. Die Chinesen tun uns leid. Jedoch dringen auch kaum Bilder an die Öffentlichkeit, es herrscht Ausgangssperre. Die Flüge nach China werden gestrichen. Damit sind wir sicher und abgeschirmt. Der Monat geht so dahin und verschiedene Erklärungen werden angeboten, warum die Epidemie nicht nach Europa schwappt. Ich selbst war der Meinung, es ist für Europäer vielleicht gar nicht so gefährlich. Es ist die Phase der Verleugnung, des psychischen Widerstandes gegen eine Bedrohung der wir machtlos gegenüberstehen. Die Tsunami-Welle wird schon nicht hier eintreffen.

Dann verbreitet sich der Virus in Italien, rasend schnell und ohne rechte Erklärung, wie der Virus es ausgerechnet nach Norditalien geschafft hat. Der Virus kommt näher. Es gibt Auflagen für Flüge. Die Flughäfen leeren sich. Der Virus rückt näher, aber er ist immer noch ausreichend weit weg. Es setzt ein Unwohlsein ein. Firmen ordnen an, dass die Mitarbeiter nur noch im Notfall auf Geschäftsreisen gehen sollen. Die Stimmung ändert sich merklich. Toilettenpapier wird zu einer heißbegehrten Ware. Die Geschäfte leeren sich langsam, nicht so sehr die Waren, aber Menschen bleiben den Geschäften fern. Niemand will es so recht zugeben, aber die Gesellschaft ist aus dem Takt geraten. Der wirtschaftliche Walzer wird hakelig und unrund. Es gibt die ersten Diskussionen über Großveranstaltungen. Messen werden in Frage gestellt. Und die Frage bleibt: „Ist das nicht alles ein wenig übertrieben?“ „Es ist doch noch so weit weg... oder... doch lieber ein Paket Toilettenpapier kaufen?“ Es gibt beruhigende und mahnende Worte und doch keine Richtung. In der Chaostheorie wird dieses als Phasenübergang beschrieben. Es ist der Zustand, in dem das Wasser im Topf brodelt, jedoch noch nicht kocht. Es ist der Zustand, bevor die Dynamik umschlägt und sich eine andere Ordnung ergibt.

Es wird März und jetzt wird es ernst. Alles wird anders. Messen und Großveranstaltungen werden abgesagt. Grenzen werden geschlossen. Menschenansammlungen sollen vermieden werden. Das reicht aber nicht, die Infektionszahlen steigen. Also werden Restaurants und Kneipen geschlossen. Das reicht immer noch nicht. Schulen werden geschlossen, Kindergärten. Die Fallzahlen nehmen weiterhin zu. Also werden alle sozialen Zusammenkünfte verboten. Menschen sollen nur noch zu zweit unterwegs sein. Es braucht jetzt einen triftigen Grund, um das Haus zu verlassen. Der Flugverkehr ist zum Erliegen gekommen, die Autobahnen sind leer, die Städte werden zu Geisterstädten und Menschen arbeiten im Home-Office. Die Dynamik ist umgeschlagen. Die neue Bewegung heißt: „Flatten-the-curve!“. Wir haben den kollektiven Auftrag, die Kurve geradezuziehen. Wer jetzt noch feiern geht, ist ein empathieloser, massenmordender Psychopath. Nein, er ist es nicht in der Realität, aber in unserer Wahrnehmung. Der Topf kocht, oder besser, das Eis ist gefroren und wir warten und verharren in Erstarrung darauf, dass die Welle über uns hinwegzieht. Die Börsen sind eingebrochen und ein Land, ein Kontinent, mehrere Kontinente stehen still und warten darauf, dass der Schmetterling aufhört mit den Flügeln zu schlagen. Es ist erstaunlich, wie wenig Widerstand gegen die Zwangsmaßnahmen zu vernehmen ist. Nicht als die Kneipen und Bordelle schließen, nicht als die Fußball-Bundesliga ausgesetzt wird, nicht als der Kindergeburtstag abgesagt wurde. Es ist als hätten alle darauf gewartet. Die Dynamik der Ruhe scheint Menschen zur Ruhe zu bringen. Endlich dürfen wir einmal stillstehen, uns hinsetzen. Wir müssen nicht nach dem Schnäppchen jagen, den neuen Film sehen, nach Barcelona jetten oder ein neues Date klarmachen. Wir müssen einfach mal auf der Couch sitzen und mit den Kindern spielen. Natürlich bringt der Stillstand Probleme, es wird zu aufgestauten Aggressionen kommen, medizinisch Kranke werden nicht versorgt. Die wirtschaftliche Zukunft steht in den Sternen. Absolut richtig. Die Frage an dieser Stelle ist jedoch: Warum genießen wir nicht einmal ganz kurz die Stille des Stillstandes? Warum sollten wir das tun? Das verrät das nächste Kapitel.

DURCH DIE CORONA KRISE

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