Читать книгу Lieder der Wälder - Marleen S. Meri - Страница 10

Mottenlist

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Fürst zu werden bedurfte Begabung. Das Naturell eines Herrschers musste in die Wiege gelegt werden, um einen befähigten Regenten zu schaffen. Eminenz benötigte Disziplin, Härte, Intelligenz. Hingabe und Passion ebenso wie Opferwillen und Kompromisslosigkeit.

Severyn hatte sein bisheriges, junges Leben mit Begeisterung darauf verwandt, zu einem solchen Herrscher heranzureifen, waren die dafür notwendigen Begabungen doch tief in seiner Seele verwurzelt.

Herausragende Freundlichkeit war nichts, um was er sich dabei bemüht hatte.

Herausragende Freundlichkeit hätte ihn nicht an diese Stelle gebracht. Herausragende Freundlichkeit hätte ihn heute nicht durch den Thronsaal des Palasts über spiegelnden Marmor schreiten lassen. Jeder seiner Schritte hallte als weites Echo an den Wänden wider, verfing sich in den funkelnden Lüstern und im Rankenwerk des Throns, auf den er zuschritt. Der Umhang, den Flügeln einer Seidenmotte nachempfunden, berührte den Boden nicht, doch er lag so schwer und herrschaftlich auf seinen Schultern, dass sich Severyn beinahe wie der Fürst erschien, der er einmal sein würde.

Freundlichkeit war hinderlich, ließ leicht ins Straucheln geraten, verlockte zu blödsinnigem Skrupel, über den Severyn nur zu spotten vermochte. Freundlichkeit hätte ihn nicht hier vor den Eshwener Adel und seinen Vater gebracht, die Gesandtschaften aus Skoggen und Moorhaag an dessen Seite.

Severyn war sehr gut darin, seinen Emotionen nach außen hin keinen Raum zu lassen. Doch obwohl er es sich nicht anmerken ließ, kam er nicht umhin, leichte Nervosität zu verspüren, als er vor seinem Vater zum Stehen kam. Seine Mutter neben dem Fürsten lächelte voller Stolz. Bei ihnen befand sich Prinz Azahr, dessen Miene undurchsichtiger war, ebenso wie einer der silberäugigen Keitha-Kommandanten, dessen Rüstung schimmerte wie Perlen. Die Sagart, eine gedrungene Frau mit einem tannenen Umhang und laubdunkler Haut, musterte ihn aus den drei Augen – den beiden gewöhnlichen und dem dritten auf ihrer Stirn. Unzählbare Blüten waren in ihr Haar geflochten, Bemalungen schmückten ihr Gesicht. Die schlanken Hände hielten eine Schale, die mit einer silbernen Flüssigkeit gefüllt war.

»Severyn Pádraig, Erster deines Namens«, sprach Fürst Barcat. Seine Stimme drang laut und tief durch den Spiegelsaal. »Blut meines Blutes, Geschöpf meiner Seele. Mit der Vollendung deines einundzwanzigsten Lebensjahrs am heutigen Ostara schließt du deine Ausbildung und Lehren ab und sollst in den Kreis der Erhabenen aufgenommen werden. Heute wollen wir deiner stetigen Tapferkeit, Hingabe und Stärke Würdigung zuteilwerden lassen. So die Wälder es billigen, will ich dir die Grafschaft Dalenna zur sorgsamen Verwaltung übergeben, auf dass unser geliebtes Volk dich ebenso zu schätzen lernt wie deine Ahnen. So die Wälder es billigen, sollst du nunmehr über die Keitha bestimmen können, auf dass du stets fír flathemon entscheiden wirst. So die Wälder es billigen, wirst du in den Rat der Drei aufgenommen, auf dass dein Wort stets guten Beitrag für all unsere Entscheidungen erbringen wird. So die Wälder es billigen, sollst du dich vor deinem Fürsten und jedem beweisen, auf dass du einmal ein guter Herrscher und Diener deines Volkes werden magst. Severyn Pádraig, Erster deines Namens, Sohn des Fürsten Barcat. Schwörst du, alle diese Dinge zu erstreben und dir gutes und gerechtes Handeln als höchstes Ziel zu setzen?«

»Ich schwöre«, verkündete Severyn mit klarer Stimme, »dass mich nichts mit mehr Zufriedenheit erfüllen wird, als meinem Volk Führender und Dienender zu sein. Jetzt und immer gilt dem mein ganzes Streben. So wissen die Wälder, die Propheten.«

»So hast du meinen Segen.« Fürst Barcat trat einen Schritt zurück und ließ die Frau mit den Bemalungen vortreten. Sie schloss die Augen, bloß das dritte auf ihrer Stirn fixierte Severyn, als sie die Finger mit der Silberfarbe aus ihrer Schale benetzte. »Keyll Naomh segnet deinen Weg, jetzt und immer.« Ihre Stimme war dunkel und melodiös, die Finger


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