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Doña Quijote macht sich auf den Weg
ОглавлениеEine faszinierende Reise hatte begonnen. Sie war jedoch nicht ohne Hindernisse. Ich entdeckte schnell, dass es selbst mit den besten Absichten nicht so einfach ist, sexuelle Gewohnheiten hinter sich zu lassen. Meinen ersten Versuch, den Code zu knacken, unternahm ich mit Alex, den ich auf einem Workshop bei einer spirituellen Gemeinschaft in Schottland kennengelernt hatte. Er war ein zutiefst spiritueller Mann, der eine Auszeit von seiner psychologischen Praxis nahm, um von Kanada aus um die Welt zu reisen und verschiedene inspirierende Orte zu besuchen. Nach dem Seminar fuhren wir gemeinsam nach Belgien zu mir nach Hause.
Haben Sie niemals Angst, etwas Neues auszuprobieren. Denken Sie daran: Amateure haben die Arche Noah gebaut, Profis die Titanic.
Ich holte mein verstaubtes taoistisches Buch über Liebe und Sexualität aus dem Regal und wir versuchten uns daran, Geschlechtsverkehr ohne Ejakulation zu haben. Der Autor des Buches glaubte nämlich, dass Samenverlust, nicht der Orgasmus, der Hauptnachteil von konventionellem Sex sei. Ich vertraute entsprechend darauf, dass es ein Thema des Mannes war und der weibliche Orgasmus ungefährlich. Damals wusste ich es einfach nicht besser – noch nicht.
In dem Buch standen jede Menge Tipps, wie Männer ihren Drang zur Ejakulation überwinden können. Es empfahl, die Muskeln um die Prostata anzuspannen, die Zähne zusammenzubeißen, Atemzüge zu zählen und andere ziemlich heftige Techniken – die, wie ich später lernte, alle nicht annähernd so effektiv oder gesund sind wie ein langsamerer, entspannterer Zugang zum Geschlechtsverkehr.
Jedenfalls bestand Alex darauf, dass er keinerlei Anweisungen brauchte. Doch wenn wir uns liebten, war es wie immer. Sprich, er ejakulierte. Und über die nächsten Tage passierte genau das Gleiche, trotz seiner ehrlichen Absicht, den Orgasmus zu vermeiden.
Ich schlug immer wieder vor, dass er doch das Buch lesen solle, aber er wurde immer gereizter. Als ich darauf hinwies, dass laut dem Buch seine Gereiztheit das Resultat der Orgasmen sein könnte, rastete er total aus.
„Du bist verrückt, wenn du mir erzählen willst, dass die Ejakulation einen negativen Einfluss auf Männer hat!“ bellte er mich an. „Ich bin Psychologe. Wenn das der Fall wäre, müsste ich es wissen. Wenn du weiter so ein Zeug redest, landest du in der Psychiatrie … da kannst du es deinem Arzt erklären!“
Ich sah ein, dass weiteres Argumentieren die Sache nur noch verschlimmern würde, und ich dachte, wie schön es wäre, wenn er einfach gehen und in den nächsten Zug steigen würde! Ich übte mich in eisigem Schweigen. Schließlich explodierte er: „Ich sehe, dass du offenbar kein Wort mehr mit mir sprichst, bis ich dieses Buch gelesen habe!“
„Das stimmt, Alex“, gab ich zu.
„Okay, was muss ich also lesen?“
Ich zeigte ihm die vier oder fünf Seiten, auf denen die oben erwähnten Techniken erklärt wurden, wie Männer den Orgasmus vermeiden können.
Er überflog die Erklärungen flüchtig und sagte dann: „Also gut, probieren wir ’s.“
An diesem Punkt war ich bereit, die ganze Idee einfach aufzugeben. Diese ziemlich unritterliche Einladung glich keiner meiner Vorstellungen einer heiligen sexuellen Begegnung. Doch ich sehnte mich danach, endlich herauszufinden, ob diese Ideen überhaupt einen Sinn ergaben.
Wir liebten uns wie im Buch erklärt. Er presste und drückte und zählte und beendete unser Beisammensein ohne Ejakulation. Dann überraschte er mich wirklich, als er sagte: „Ich kann es zwar kaum glauben, aber ich fühle mich nicht unerfüllt. Ich habe keine … äh … blauen Eier. Danke, dass du mir das gezeigt hast!“ Doch so erstaunlich sein neu gewonnener Enthusiasmus bereits war, es folgte noch eine viel größere Überraschung. Während der nächsten 24 Stunden war er ein anderer Mann. Seine Wut verschwand, und sein Herz öffnete sich. Wo er mir vorher versichert hatte, er brauche keine Partnerin, weil er auf einem spirituellen Weg wäre, öffnete er sich jetzt und sprach darüber, wie sehr er sich doch eine Partnerin wünschte und wie verwirrt er über seine Unfähigkeit sei, in einer Beziehung zu bleiben.
Die größte Veränderung jedoch war, dass er mich plötzlich in einem völlig anderen Licht sah. Er wollte mich nicht mehr in die Psychiatrie einliefern lassen, sondern sagte: „Du bist so spirituell und großzügig. Gott muss ganz schön stolz auf dich sein, dass du dich von so viel Widerstand nicht hast abschrecken lassen.“ Auch ich fühlte mich wie verwandelt. Mein Herz öffnete sich voller Dankbarkeit, und ich konnte ganz klar seine engelsgleichen Qualitäten sehen. Ich erinnere mich noch, wie ich dachte: „Lieber Gott, danke, dass du mir die wahre Schönheit dieses Mannes gezeigt hast.“
Ich schwor, dass ich meine letzte sinnlose Verschmelzung mit einem Liebhaber hinter mir hatte. Ich konnte das Potential für gegenseitige Bewunderung und befriedigende Intimität in der neuen Herangehensweise fühlen und war noch entschlossener als vorher, diese unkonventionelle Annäherung an das Thema Sexualität zu meistern.
Es stellte sich heraus, dass weitere sinnlose Verschmelzungen vor mir lagen, weil einige der Hinweise, wie wir uns den Paarungszielen unserer Gene entziehen können, in den heiligen Texten, die ich damals las, fehlten. Trotz Durchbrüche waren meine Ergebnisse wechselhaft. Alex hatte mir das Potential gezeigt, das in dem Konzept steckte, doch wir hatten es noch nicht geschafft, die Vorteile aufrechtzuerhalten. Wechselhafte Gefühle (das Gefühl tiefer Liebe an einem Tag und eine Abwehrhaltung am nächsten) waren noch beängstigender als dauerhafte emotionale Distanz. Sie ließen Liebe als etwas Unzuverlässiges erscheinen. Diese scheinbar unerklärlichen Wechselzustände gilt es zu vermeiden, wenn man sich als Paar auf Dauer nah sein möchte. Nach und nach lernte ich, dass eine langsame Herangehensweise und langfristige Beständigkeit entscheidende Faktoren waren.
In der Zwischenzeit reichten meine guten Absichten und hohen Ziele keineswegs aus. Wann immer ich unabsichtlich in meine früheren Gewohnheiten von Vorspiel und Sex mit Ejakulation abglitt, brach in der Beziehung Disharmonie aus.
„Als wir nach dem Geschlechtsverkehr einschliefen, sah ich, dass mein Liebster immer noch eine starke Erektion hatte. Wir hatten gerade erst damit begonnen, mit Orgasmusvermeidung zu experimentieren, deshalb fragte ich ihn: „Ist dir das nicht unangenehm?“ In seiner Stimme schwang ein hörbares Lächeln mit, als er antwortete: „Nein, im Gegenteil!“ Und als wir im Laufe der Nacht aufwachten, fand ich heraus, warum.“
Kaiya