Читать книгу Lieder von Liebe und Schwein - Martin-Aike Almstedt - Страница 10
Оглавление6. Der Fall in den Mist
Wir tranken Tee, als das Telephon klingelte. Anna Mu nahm den Hörer ans hübsche Ohr, stammelte noch „Ja, ja, natürlich“ und wurde dann bleich. „Unser Vermieter kommt gleich, der Mist vom Balkon muss schleunigst weg. Hol den Anhänger! Ich packe die Säcke.“ „Verfluchte Schei..“, entfuhr es mir, „Ich muss jetzt doch zu meiner Gruppe.“ „Meintest Du Scheiße“, fragte Nosch. „Ja, so etwas Ähnliches“, antwortete ich hastig.
Als der Anhänger geholt, die fraglichen Säcke zwei Treppen heruntergetragen und verladen waren, fuhr ich schleunigst, wie es Anna Mu überflüssigerweise dringend geraten hatte, los. Das Dorf, wo sich der mir zur Verfügung stehende Misthaufen türmte, war bald erreicht, und nun ging es ans Abladen und Beschütten. Nosch hat wirklich recht: „Es ist ekelhaft“, dachte ich und auch noch „Beeilung tut jetzt Not, sonst komme ich zu spät.“ „Unrast und Hast sind ein bös' Gast.“ Diese großmütterliche Weisheit bewahrheitete sich nun einmal mehr, denn nun stolperte ich mit dem Ekelsack vor mir in den Händen über die unsichtbare mistbedeckte kleine Umrandungsmauer des widerlichen Haufens und lag nun ohne Umkehr lang ausgestreckt und wutgehörnt in demselben. „Was machen Sie denn da?“, fragte der herbeigeeilte Mistbesitzer. „Das ist mir bisher auch nicht klar“, war meine Antwort - und brüllend: „Ich weiß nicht, wie ich aus dem Scheiß herauskommen kann.“ Der Bauer war ein netter. Er lachte, schnäuzte sich ohne das übliche Tuch die rote Nase und griff beherzt nach mir im Mist. Mein Gehirn war jetzt offensichtlich zu unpassenden Scherzen aufgelegt, jedenfalls gebar es unabwehrbar sofort den blödsinnigen Satz: „Schnell streift er ab Hemd, Hos‘ und Jacke und stürzt sich in die brodelnde Kacke.“ Dieser Vers, aus der unseren Deutschlehrer früher zum unbeherrschbaren Zorn bringenden Verballhornung von Schillers schönem Gedicht „Der Ring des Polykrates“ war in mein Gehirn wie eingemeißelt, während der Bauer an mir zog und riss. Der Rettung war glücklicherweise ein schneller Erfolg beschieden, und nun standen wir einander wirr gegenüber. Ich sah, dass Hemd, Hos‘ und Jacke des Bauern ihren angestammten Ort nicht verlassen hatten und fand nun meinen unerwarteten Einfall aus ferner Jugend während des Hinfalls mehr als redundant. „Ja die Mauer, mir ist das auch schon mal passiert“, sagte der nette Mann. Ich bedankte mich aufs Herzlichste. Der Landwirt gab mir eine alte Pferdedecke, die ich über die Sitze meines Autos legte, dann gab ich Vollgas, die Kiesel auf dem Boden flogen hoch, und ich eilte zur dringend gebotenen Vollwaschung in meinen Musikraum, der ganz in der Nähe lag.
Obwohl kurz danach frisch gewaschen und neu bekleidet war die Angelegenheit nur zur Hälfte gemeistert. Jetzt galt es so schnell wie irgend möglich im übernächsten Dorf Kohlen zu kaufen, um den Gruppenraum für unseren Übungsabend zu beheizen. Unterwegs in Stockhausen blinkte mir jedoch eine rote Ampel entgegen. Da ich schnell weiterkommen wollte bog ich nach rechts ab, wendete nach 20 Metern und umfuhr so mit rumpelndem Anhänger das unerwünschte Hindernis. Beim Supermarkt in Groß Schnee angekommen wollte ich gerade aussteigen, als ein Polizeiwagen neben meinem Auto hielt. „Sie wissen, warum wir Sie ansprechen?“, fragte der männliche Teil des Polizeipärchens. „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte ich. „Sie haben in Stockhausen die auf Rot gestellte Ampel umfahren.“ „Ist das verboten?“, fragte ich.“ „Ja natürlich. Zeigen Sie mir bitte Ihren Führer- und auch den Fahrzeugschein.“ Ich öffnete das Handschuhfach und erlebte eine Riesenüberraschung, denn mein Blick fiel auf einen großen Trommelrevolver, den ich noch nie gesehen hatte - und besonders nicht in meinem Handschuhfach. Der Polizist zog seine Waffe. „Legen Sie die Hände hinter den Kopf und verlassen sie augenblicklich den Wagen!“ Der weibliche Teil des beamteten Pärchens sprang auf die andere Seite meines Autos und öffnete die Beifahrertür, wo das Handschuhfach war. „Die Hände aufs Wagendach!“ Der Befehl klang sehr bestimmt. „Was ist denn los, ich habe doch gar nichts verbrochen?“ „Aufs Dach!", schrie das Pärchen. „Das ist ja wie im Hollywoodkrimi“, hörte ich mich sagen. Inzwischen hatte sich um uns ein Kreis von Menschen gebildet und ich entdeckte darin den Pastor, bei dem ich allsonntäglich Orgel spielte. „Bitte helfen sie mir, Herr Dickbung!“, rief ich ihm zu. „Was ist denn los, Herr Almstedt, um Gottes willen? Haben Sie sich verspielt?“ „Wenn ich das wüsste“, antwortete ich. „An meinem Orgelspiel liegt es, glaube ich, nicht. Oder?“, fragte ich den Polizisten. „Werden Sie jetzt nicht auch noch unverschämt“, antwortete der.
Endlich hatte die Polizistin sich der Waffe bemächtigt und betrachtete sie nun von allen Seiten. Dann schüttelte sie ihren amtlich bemützten Kopf, suchte Augenkontakt mit dem mich waffentechnisch noch immer bedrohenden Kollegen und schüttelte ihn erneut. „Ein Spielzeug? Wie kommt das in ihr Auto?“, fragte mich der Polizist. „Ich weiß das nicht, könnte mir höchstens erklären, dass mein Sohn … aber der besitzt so etwas nicht." Ich musste unter Polizeibegleitung zurück nach Göttingen und zu unserer Wohnung fahren. Es wurde geklingelt und Anna Mu öffnete. „Was ist los?“ „Gar nichts“, antwortete ich. „Das werden wir sehen“, sagte der Polizist. „Ist ihr Sohn da?“ Nosch kam und wurde gefragt, ob er das Ding - gemeint war der Revolver - kenne. „Ja, der gehört meinem Freund Anton. Wo haben sie ihn denn gefunden? Wir haben schon danach gesucht.“
Nun war nichts mehr zu retten. Der Yogaabend fiel aus. Aber wenigstens hatte der Vermieter Fixe-I‘s Mist nicht gesehen.