Читать книгу Lieder von Liebe und Schwein - Martin-Aike Almstedt - Страница 8
Оглавление4. Frau Fagarillo und die Veterinärinnen
Nun hatte es sich so ergeben, dass wir Tür an Tür mit einer älteren Nachbarin wohnten. Die Dame hieß Fagarillo und hatte 14 Katzen und ein Holzbein. Das war eigentlich eine Art Plastikschale, wie uns hinter vorgehaltener Hand erklärt wurde, aber so wie sich Frau Fagarillo mit ihren Krücken bewegte und wie das klang, erinnerte es mich an einen Kriegsverletzten aus dem Jahr 45 des vergangenen Jahrhunderts.
Wenn Fixe-I und Frau Fagarillo sich auf der Treppe begegneten, geschah es leider fast immer, dass diese Dame Fixe-I mit ihrer Krücke wegstieß, worauf Fixe-I ihr jedesmal ins Holzbein biss. Normal waren dann Schreie der Empörung, aber manchmal hörten wir Frau Fagarillo-auch murmeln: „Jetzt weiß ich wenigstens, wozu diese Prothese nützt.“ Ja tatsächlich: Die war plötzlich zu einem wirksamen Schutz vor Bissverletzungen geworden. Fixe-I allerdings ärgerte dieser Schutz, jedenfalls ließ er ungern davon ab. Er wollte zum Blut-Kern seines Fanges vordringen.
Dass Frau Fagarillo, als nichts half und auch unsere Interventionen gegenüber Fixe-I unfruchtbar blieben, das Veterinäramt hilfesuchend anrief, konnten wir verstehen. Ganz ermessen konnten wir diesen Anruf allerdings erst, als eines Morgens zwei nette Damen an unserer Wohnungstür klingelten. „Wir kommen vom Veterinäramt und sind hier um zu fragen, ob sie ein Schwein in Ihrer Wohnung beherbergen?“ „Ja, das tun wir“, sagte Anna Mu, „und zwar ein ganz entzückendes.“ Wie um das zu bestätigen sprang Fixe-I noch ein wenig strohbedeckt aus dem Wohnzimmer hervor und zeigte sich friedlich grunzend den beiden Damen. „Das ist wirklich ein schönes Tier“, lobten die beiden und knieten sich herab, um den kleinen Eber zu streicheln. Der ließ sich das wohlig gefallen, bis hinter der Nachbarstür, wo Frau Fagarillo wieder einmal lauschte, ein Geräusch zu hören war. Fixe-I sprang auf und schnaubte. Das störte die Veterinärinnen in ihrem dienstlichen Tun jedoch nicht. Sie standen auf und wollten sich nun Unterkunft und Pflegeeinrichtungen für unser Schwein genauer ansehen. Anna Mu zeigte ihnen das alles bereitwillig, und schließlich waren die beiden Damen mit allem hoch zufrieden. „Aber eine Sache müssen wir noch besprechen“, sagte eine der beiden Frauen fast schon im Weggehen. Fixe-I spitzte - wie auch wir - kräftig die Ohren, denn ein optimales Richtungshören schien jetzt angesagt. „Ein Schwein“, so ließ sich die Veterinärin vernehmen, „ist ein Herdentier. Wir können es ihnen deshalb leider nicht gestatten, hier ihr Tier zu halten.“ „Das geht nicht“, schluchzte aufgebracht Anna Mu, und Nosch, der aus seinem Zimmer gekommen war, befand dass das große Scheiße sei. „Wenn sie ihr Tier behalten wollen, muss mindestens noch ein weiteres Schwein hinzukommen.“ Fixe-I quiekte fröhlich, und hinter der Nachbarstür polterte es nun ganz unverhohlen. Auch ich war inzwischen dazugekommen und fragte, ob es nicht noch eine andere Möglichkeit gäbe. Die Damen schauten sich an. „Ich will das nicht“, rief Nosch trotzig, nahm Fixe-I auf den Arm und verschwand mit ihm in seinem Zimmer. „Vielleicht können wir Ihren Sohn als Spielkamerad eintragen, sozusagen als Ersatz für ein zweites Schwein.“ „Ja klar, kein Problem“, rief Nosch aus seinem Zimmer. Das Schwein grunzte, „die Englein sangen“, alle freuten sich, und so wurde Nosch, nachdem wir noch ein paar gute Tipps zur Pflege von Schwein und Sohn mit Schwein samt gesetzlichen Vorschriften zur Haltung der beiden bekommen hatten, tatsächlich zum Ersatzschwein auf dem amtlichen Papier.
Was Frau Fagarillo angeht, so begriff sie, dass sie gescheitert war, und versuchte es nun mit Liebe. Ihre Krücke als Verteidigungsinstrument für sich und ihre von Fixe-I gern gejagten Katzen ließ sie weg, gab Fixe-I sogar dann und wann eine Leckerli und schließlich kam es dahin, dass die beiden sich anfreundeten und manchmal sogar zusammen in je eigener Weise Frühstück fraßen.