Читать книгу Lieder von Liebe und Schwein - Martin-Aike Almstedt - Страница 7
Оглавление3. Husky und Fixe-I
Tempora mutantur et nos cum illis. Dieses aus dem 16. Jahrhundert stammende und auf einen Satz Ovids zurückgehende Sprichwort galt auch für unser Schwein. Jedenfalls wurde es zunehmend größer. Männlich ausgestattet mit kleinen Hauern, residierte es auf unserem Balkon in einem igluartigen strohausgelegten Häuschen, war inzwischen stubenrein wie eine Katze und hörte - wenn es Lust hatte - aufs Wort. Ja, Anna Mu war sehr erfolgreich im Umgang mit dem Tier. Aber leider war sie nicht erfolgreich genug, denn eines Tages, als die beiden spazieren gehen wollten, geschah es: Sie passierten eine kleine Brücke und auf dieser fast noch vor unserem Haus einen edel aussehenden dicken Herrn mit einem Husky. Die Begegnung ging nicht friedlich aus. Der Hund riss sich los und stürzte sich auf Fixe-I, unseren geliebten kleinen Eber. Ein fürchterlicher Kampf entstand. Gefährliche Knurr- und Grunzlaute, grässlich auf und abschwellend, bei gleichzeitigen tierischen Schmerzensschreien mischten sich mit unserem und des fremden Mannes lautstarkem Gebrüll des Entsetzens und der Beschwörung, schnellstmöglich voneinander abzulassen. Eine ausdrucksstarke Kakophonie entstand. Das zu komponieren wäre interessant, dachte ich trotz allem augenblicklichen Krampf. Die Kämpfenden interessierte unsere Beschwörung allerdings gar nicht. Also ging man nun hastig dazwischen. Anna Mu zog am Schwein, ich, der aus unserer Wohnung hinzu sprang, an Anna Mu und der fremde Mann an seinem Husky. „Eine tolle Filmszene“, dachte ich ziemlich erschrocken.
Schließlich trafen sich alle, die Tiere und ihre Hüter, beim Tierarzt. Hier nahmen die eben noch in die Ohren und ins Gemüt stechenden Ausdruckslaute eine andere Qualität an. Die tierischen wurden zu einem nackten Jaul-Gewimmer, die menschlichen hingegen kamen umhüllt daher. Sie wurden, wie das beim homo sapiens sapiens üblich ist, in Worten versteckt, allerdings ohne, dass sie dabei wesentlich anders klangen als vordem die bestialischen. Die Worte umfassten das vom Huskyhalter hervorgebrüllte Angebot, Anna Mu auf die Schnauze zu hauen, weil sie das Schwein angeblich immer frei herumlaufen ließ, sowie ihre Gegenrede, deren semantischer Kern in der Mutmaßung gipfelte, dass für den dicken Herrn bereits die Psychiatrie alle Türen geöffnet hätte. Mein Beitrag bestand in der an den edlen Herrn gerichteten dringenden Empfehlung, sich bei Anna Mu sofort zu entschuldigen, sonst bekäme er es mit mir zu tun. Nosch, der inzwischen auch noch erschienen war, meinte, es sei doch alles Scheiße, und der Tierarzt beteuerte fortwährend, dass alles nicht so schlimm sei und wir uns endlich beruhigen sollten. Nach und nach taten wir das denn auch und tranken schließlich sogar noch alle zusammen einen Tee bei uns. Das Ende dieser kleinen Begebenheit kann man nicht besser als mit den Worten eines früher ganz in unserer Nähe wohnenden berühmten Dichters und Zeichners ausdrücken: „Drei Tage war das Schwein noch krank. Jetzt frisst es wieder, Gott sei Dank.“