Читать книгу Der Mörder ist immer der... - Martin Cordemann - Страница 4

Zweites Kapitel

Оглавление

„Oh, Hallo!“ Meine Klientin schien überrascht zu sein, mich so schnell wieder zu sehen. „Kommen Sie doch herein.“

„Vielen Dank.“ Ich trat ein. Sie wohnte in einem kleinen Appartement, nett eingerichtet. Es gab Fotos ihrer Eltern, Fotos ihres Bruders, Fotos von Edinburgh Castle, Loch Ness. Alles passte perfekt ins Bild. Leider hatte ich keinen Schimmer, was dieses Bild war.

„Haben Sie etwas herausgefunden?“ fragte sie.

Ich nickte.

„Darf ich mich setzen?“

„Natürlich.“

„Ich bin nach Braunsfeld gefahren, in die Alsdorfer Straße.“

„Ja?“

Ihr Blick war gespannt.

„Nun...“ Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen. „Ihr Bruder war zuhause! Ein bisschen verkatert vielleicht, aber ansonsten ziemlich okay. Hatte sich ein paar Tage hintereinander betrunken und hat das Telefon herausgerissen, weil ihn der Lärm um den Verstand gebracht hat. Der Akku von seinem Handy war leer. Als Sie sich mit ihm treffen wollten, war er gerade am Schlafen. Das ist die ganze Geschichte. Er wollte Sie heute noch anrufen.“

„Oh, vielen Dank!“

Sie fiel mir um den Hals und gab mir einen Kuss.

„Keine Ursache“, murmelte ich, denn es gab auch eigentlich keine. Das, was ich gemacht hatte, hätte jeder Idiot machen können. Und doch: Myriam Burns war überglücklich.

„Sie müssen mich für ziemlich bescheuert halten, was?“

Ich musste – und ich sollte. Aber sie war einfach zu süß!

„Sagen wir, für sehr besorgt“, meinte ich diplomatisch.

„Trotzdem“, ihr Blick und ihre Stimme wurden das, was ich nur mit zärtlich umschreiben konnte. „Was... ich bin Ihnen sicher etwas schuldig...“

„Hmmmja“, murmelte ich und unsere Blicke trafen sich. Sie hatte wundervolle Augen, ich versank in ihnen, wie in einem tiefen, warmen Bergsee… was natürlich eine völlig idiotische Metapher ist, weil Bergseen erstens eiskalt waren und man zweitens selten in ihnen versank, aber ich denke, Sie wissen, was ich meine. Es war die Art von Augen, bei denen man den ganzen Mist mit Schottland und ihrem Bruder vergisst und man den Augenblick so lange wie möglich hinauszögern möchte… aber selbst der geht irgendwann zu ende. Zum Beispiel, wenn das Telefon klingelt. Was aber hier nicht passierte.

„Wie wäre es mit einem Abendessen?“ hauchte ich. Das würde meine Dienste zwar nicht angemessen vergüten, aber andererseits hatte ich auch nicht eben viel Arbeit gehabt.

Sie lächelte in einer Art, dass mein Herz dahin schmolz, auf den Fußboden tropfte, den Gang hinunter floss, durchs Treppenhaus, über die Straße und in den Gully vor dem Blumengeschäft gegenüber.

„Natürlich, nichts lieber als das.“

Das war der Unterschied zwischen Männern und Frauen: Gleiche Worte, unterschiedliche Bedeutungen. Wenn sie so was sagten, meinten sie es grundsätzlich anders, als ich es auffasste.

Wenn ich es gesagt hätte, hieße es: Ja, ich liebe dich!

Wenn sie es sagten, hieß es: Ja, kein Problem.

Frauen waren anders als Männer, nicht nur äußerlich, sondern vor allem in dem, wie sie das meinten, was sie sagten. Ich fragte mich spontan, warum es eigentlich nur Krieg zwischen Völkern, Religionen und weißderTeufelwelchenschwachsinnigenGruppierungen gab, anstatt klar und deutlich zwischen Männern und Frauen? Vielleicht, weil zumindest eine der beiden Seiten die klare Kriegserklärung der anderen nicht eindeutig verstanden hatte?!

So wie sie mich ansah und so wie ich sie inzwischen ansah, sah ich für die nächsten sieben bis 24 Monate Liebeskummer auf mich zukommen. Wir würden ein herrliches Essen haben, wir würden lachen, scherzen, uns großartig amüsieren und dann würde sie mit dem gut aussehenden Typen vom Nachbartisch abhauen. Es war doch immer so. Gott, was war mein Leben deprimierend.

„Was ist?“ fragte sie, denn mein Gedankengang schien sich über eine längere Zeitspanne hingezogen zu haben.

„Oh, nichts“, murmelte ich. „Ein Abendessen ist mehr als ich verkraften kann!“ Das klang nun nicht unbedingt positiv, aber sie schien es zu überhören. Geflissentlich.

„Ich heiße Myriam!“ sagte sie und streckte mir die Hand entgegen. „Und du?“

„Sneyder.“ Sie sah mich überrascht an. „Alle nennen mich so“, versuchte ich das zu entschuldigen. Es war genauso mein Nach- wie mein Spitzname, und selbst ich nannte mich so. Ich hatte mir nie darüber Gedanken gemacht.

„Gut, Sneyder“, sagte sie leise. „Was isst du gerne?“

„Pizza!“ Aber die konnte ich mir selbst warm machen – und tat es mir ungeheurer Beharrlichkeit und Ausdauer viel zu oft. „Aber das muss nicht sein! Was kochst du denn gerne?“

Sie hob die Schultern. „Ich koche eigentlich nicht oft. Ich...“ Sie lachte. „...mache mir auch immer Pizza warm!“ Man musste sie einfach lieben. Und wenn ich „man“ sage, meine ich: „ich“. Ja, sie war zum Verlieben und ich war auf dem besten Weg, genau dieses Ziel zu erreichen. „Wir können ja irgendwo essen gehen, natürlich, warum bin ich da nicht vorher drauf gekommen? Ich lade dich zu einem wirklich ordentlichen Essen ein, warum sollten wir auch hier bleiben?“

Sie wies auf ihre Wohnung, die, wenn nicht hübscher, so doch zumindest aufgeräumter war als meine eigene.

„Also Pizza essen wir beide auch so oft genug.“ Wenn ich ihre Ausdrucksweise hörte, wurde mir rot vor Augen. „Wie wäre es“, sie sah mich herausfordernd an: „mit einem Steakhouse? Steak und Salat?“

„Klingt hervorragend.“ Seit die Detektei nicht mehr so gut lief, also seit ich sie übernommen hatte, war ich nicht mehr in einem Steakhouse gewesen, oder: hatte ich nicht mehr ordentlich gegessen.

„Ich hab schon lange nicht mehr in einem Steakhouse gegessen“, meinte Myriam und überwältigte mich mit ihrem Lächeln. „Seit meine Eltern nicht mehr leben.“ Das Lächeln verschwand. Ich hob fragend eine Braue. „Autounfall“, erklärte sie und das Strahlen wich aus ihrem hübschen Gesicht.

„Tut mir leid“, murmelte ich.

„Danke.“ Sie tätschelte meine Hand. „Deswegen habe ich mir auch solche Sorgen um meinen Bruder gemacht.“

Ich nickte mitfühlend. Vielleicht ergab diese ganze Sache mehr Sinn, als es den Anschein erweckt hatte.

Das Telefon begann zu läuten. Das musste ihr Bruder sein. Ich erhob mich.

„Wann?“ fragte sie, während sie den Hörer abnahm und die Sprechmuschel zuhielt.

„Morgen Abend?“ fragte ich.

„Gut“, sagte sie. Und: „Sneyder?“ Ich drehte mich, in der Tür stehend, um. „Danke für alles!“

„Nichts zu danken.“

„Hol mich um sechs ab!“ Ich hob fragend eine Braue. „Dann können wir uns noch unterhalten“, sagte sie und ich schloss mit einem leisen „Bis morgen“ die Tür, während sie sich ihrem Bruder zuwandte.

Draußen regnete es. Es machte mir nichts aus. Ich schwebte dahin, mein Geist in rosigen Wolken eingebettet. Sie war wundervoll, sie war das wundervollste Geschöpf, das ich seit Jahren kennen gelernt hatte. Bei ihr stimmte alles, sie war die Frau, nach der ich immer gesucht, nach der ich mich immer gesehnt hatte. Ich liebte sie, da gab es keinen Zweifel. Ich liebte Myriam Burns, die perfekte hübsche intelligente nette Frau.

Als ich meinen Wagen erreicht hatte, war ich klatschnass, aber das störte mich nicht. Nichts war aufregender, als frisch verliebt zu sein, kein Alkoholrausch konnte da mithalten, nichts ließ einen die Realität so sehr verdrängen. Der Tag hatte sich gelohnt, für diesen Tag hatte es sich gelohnt, morgens aufzustehen, für diesen Tag hatte es sich gelohnt, die Detektivagentur meines Vaters weiterzuführen, für diesen Tag hatte es sich gelohnt, zu leben!

Als ich zu Hause ankam, war ich trunken vor Freude, fiel ins Bett, starrte die Decke an und schwelgte in meinen Vorstellungen, wie es mit meiner Liebe Myriam werden könnte… aber niemals werden würde!

Der Mörder ist immer der...

Подняться наверх