Читать книгу Vor dem Imperium - Martin Cordemann - Страница 8

Der Bringer der Ausgelassenheit

Оглавление

Auf dem Gesicht von Captain Frank MacAllister zeichnete sich eine Mischung aus Verwirrung, Ungläubigkeit und völligem Unverständnis ab.

„Ist das ein Scherz?“

„Nein.“

„Ein Fehler?“

„Nicht unbedingt.“

„Eine Spiegelung?“

„Möglich.“ Der Wissenschaftler hob die Hand. „Bevor Sie mich weiter fragen: Ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist auf dem Band. Es sieht so aus, als wäre es auf den Zylinder gemalt. Vielleicht ist es nur ein Spiel von Licht und Schatten, das diesen Eindruck erweckt. Vielleicht ist etwas völlig anderes auf die Oberfläche gemalt, das nur durch den Blickwinkel so wirkt wie die Freiheitsstatue. Vielleicht steht auch etwas zwischen Zylinder und Kamera, das in Verbindung mit dem richtig einfallenden Licht einen Schatten dieser Art erzeugt – ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir das eingehend untersuchen werden.“

„Wie eingehend schwebt Ihnen da so vor?“

DuValle stockte. „Ich... ich würde gerne...“

„...noch mal zum Pluto zurückkehren und die Sache vor Ort genauer unter die Lupe nehmen?“ vollendete der Captain den Satz.

„Ja“, sagte DuValle und schob dann nach: „Sir.“

Der Captain seufzte. „Mist, dass wir das nicht früher gefunden haben. Gut, vielleicht können wir das mit den Daten vergleichen, die wir von den Sensoren erhalten, die wir auf Pluto zurückgelassen haben.“

„Da gibt es ein Problem, Sir“, sagte der Funker.

„Und das wäre?“

„Wir bekommen diese Daten nicht.“

„Bitte?“ MacAllister sah ihn ungläubig an.

„Ich habe das nicht bedacht, als wir die Sonden aufgestellt haben. Alle Daten werden mit einem Verschlüsselungscode gesendet, den nur wir kennen, die Erde aber nicht.“

„Ja, soweit sehe ich da noch kein Problem.“

„Das Problem liegt darin, dass die Daten automatisch zur Station 31 gesendet werden.“

„Warum das?“

„So war es immer vorgesehen und ich habe nicht daran gedacht, die Protokolle zu ändern.“

„Das bedeutet, die Daten werden da hin gesendet und gespeichert...“

„...aber niemand kann darauf zugreifen. Die Erde nicht, weil sie unsere Verschlüsselung nicht kennt und wir nicht, weil wir keinen Zugriff auf die Speicher von Station 31 haben.“

„Captain, das Radarecho wird deutlicher“, sagte Clausen.

„Auf den Schirm.“

Der Bildschirm zeigte den Pluto, seinen Mond Charon und einen kleinen Punkt, der kurz auftauchte, wieder verschwand, einen längeren Moment sichtbar blieb, dann wieder verschwand.

„Was halten Sie davon, Clausen?“

„Ich bekomm nur unwesentlich klarere Daten rein als beim ersten Mal. Zwischen 30 und 200 Kubikmeter groß. Vielleicht wirklich nur unser Echo?“ Das Objekt verschwand und tauchte nicht wieder auf. „Wenn es jetzt landet, wäre es interessant, die Daten unserer Sensoren zu erfahren.“

„Dazu müssen wir uns in den Computer von Station 31 einhacken. Und die befindet sich im Orbit um Jupiter. Aktuelle Entfernung?“

„Etwa 1.455.000 km.“

„Nehmen Sie Kurs darauf. Mr. Harris“, der Captain wandte sich an den Funker, „wie gut sind Sie darin, sich in fremde Computer einzuhacken?“

„Ich, äh, es...“ stotterte Harris. „Das ist nicht mein Spezialgebiet.“

„Was ist mit Michaels?“ schlug Clausen vor, „der ist doch unser Computeroffizier.“

„Holen Sie ihn auf die Brücke. Wie lange brauchen wir zum Jupiter?“

„592 Stunden.“

„Und das bedeutet in einer verständlichen Zeit?“

„Fast 25 Tage.“

„Na, dann haben wir ja genug Zeit, uns vorzubereiten. Harris, Sie und Michaels werden eine extrem illegale und ziemlich gefährliche Aktion durchführen müssen. Sie werden sich Zutritt in den Zentralcomputer von Station 31 verschaffen und dann alles so einrichten, dass wir alle Daten unserer Sonden problemlos abrufen können.“

Harris schluckte.

„Keine Sorge, das wird schon klappen.“

„Ich nehme mal an, dass wir dafür nicht an Bord der Station gehen“, murmelte Michaels, der gerade die Brücke betreten hatte. „Und ich nehme auch nicht an, dass die auf der Station merken sollen, dass wir tun, was wir tun und auch nicht, dass wir getan haben, was wir tun werden.“

„Niemand soll wissen, dass wir die Daten abrufen können, ja“, fasste der Captain zusammen.

„Knifflig“, meinte Michaels. „Wieviel Zeit haben wir zur Verfügung?“

„Wenn wir dort sind, etwa eine Stunde.“

„Knifflig“, wiederholte der Computerexperte. „Aber nicht völlig unmöglich. Ich kenn den Typen, der für den Zentralcomputer verantwortlich ist.“

„Guter Mann?“

„Verdankt seinen Job guten Beziehungen.“

MacAllister nickte. Es war das erste Mal, dass ihnen dieser Umstand von Nutzen sein konnte.

Als sie sich dem Jupiter näherten, befahl der Captain, Verbindung mit Station 31 aufzunehmen.

„Senden Sie einen freundlichen Gruß“, sagte er, doch die Antwort fiel etwas weniger freundlich aus.

„Raumschiff Petronia, hier spricht Commodore Murray. Sie haben Befehl, unverzüglich Ihr Schiff zu übergeben und zur Erde zurückzukehren.“

„In der Reihenfolge?“

„Sie stellen eine Gefahr für den Frieden der Menschheit dar.“

„Ich persönlich? Oder auch meine Crew?“

„Falls Sie diesem Befehl nicht Folge leisten, betrachten Sie sich als gejagt.“

„Ähm...“

„Commodore Murray Ende.“

Der Captain seufzte. „Klingt nicht gerade nach einem freundlichen Empfang. Aber vielleicht gibt uns das die Möglichkeit zur Rehabilitation?“

„Sie meinen, Sie wollen das Schiff übergeben?“

„Nicht ohne zu wissen, was dann mit der Crew passiert. Verbindung zur Station aufnehmen.“

„Verbindung steht.“

„Commodore Murray, hier ist Captain MacAllister. Wenn wir das Schiff übergeben... was sind dann die weiteren Pläne?“

„Sie stehen alle unter Arrest.“

„Die ganze Besatzung?“

„Jeder an Bord Ihres Schiffes stellt eine potentielle Gefahr dar...“

„Das ist doch Blödsinn!“

„Captain Bricket von der USS Carter wird Ihnen einen angemessenen Empfang bereiten. Er wird den Jupiter in sieben Stunden erreichen. Stellen Sie sich freiwillig oder wir werden Sie kriegen!“

„Schalten Sie ab“, meinte MacAllister zu seinem Funker. Dann wandte er sich der Brückenbesatzung zu. „Also wir sollen alle hinter Gitter gehen für etwas, das wir nicht getan haben... oder für etwas, das so absurd ist...“ Er schüttelte den Kopf. „Gut, sagen Sie der Besatzung, wer sich freiwillig den Autoritäten stellen will, ich werde ihm keine Steine in den Weg legen. Eine Raumfähre wird die betreffenden Leute zur Raumstation 31 bringen.“

Nach einer halben Stunde hatten sich alle Besatzungsmitglieder der Petronia entschieden. Keiner wollte das Schiff verlassen. Captain MacAllister lächelte.

„Geben Sie mir noch mal Murray“, sagte er.

„Übergeben Sie Ihr Schiff?“

„Nein.“ MacAllister schüttelte den Kopf. „Das ist uns ehrlich gesagt zu dumm!“

„Dann werden wir Sie vernichten, um den Frieden zu sichern!“

„Was den Begriff 'zu dumm' um eine weitere Bedeutung bereichert. Ihnen ist schon klar, dass wir keine Bordwaffen haben? Aber Sie wissen ja...“ MacAllister schaltete ab, da er nicht wusste, was der andere wissen könnte. Viel war es wahrscheinlich nicht. „Okay, Miss Clausen, dann berechnen Sie unseren Anflug doch mal so, dass die uns nicht bemerken. Und versuchen Sie herauszufinden, wo sich die Carter zurzeit befindet. Ich traue diesem Knaben nämlich nicht.“

„Wann rechnet er mit uns?“

„In 10 Stunden. Wir sind aber schon in 5 im Orbit. Harris, Michaels, wie sieht’s aus?“

„Wir sind fertig, Sir“, sagte der Computerexperte. „Wir müssen nur dicht genug an die Station heran, damit ich alle Sicherheitssperren umgehen kann.“

„Sie schaffen das in einer Stunde?“

„Ja, Sir.“

„Na dann wollen wir mal hoffen, dass wir vor der Ankunft der Carter wieder weg sind. Clausen, haben Sie sie schon gefunden?“

„Nein, sie wird durch den Jupiter verdeckt. Vielleicht sind sie ja auch schon da und verstecken sich nur vor uns...“

„...um uns die Überraschung zu bereiten, die wir für sie vorgesehen haben. Wo war die Carter, als wir die Erde verlassen haben?“

„Im Erdorbit, zur Inspektion.“

„Sie kann die Strecke zum Jupiter in knapp 9 Tagen schaffen. Dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie erst jetzt hier auftaucht.“ Er wandte sich an den Computerexperten. „Michaels, können Sie Ihr Programm auch von einer Fähre aus senden?“

„Ja, Sir.“

„Gut. Vielleicht kriegen wir Sie doch unbemerkt in die Nähe der Station. Wenn die uns sehen, werden sie auf die Fähre wahrscheinlich gar nicht achten.“

„Captain“, Clausen wirkte missmutig, „wir sind der Carter völlig schutzlos ausgeliefert.“

„Ja, ich weiß.“ Er dachte einen Moment nach. „Sagen Sie dem Chefingenieur, er soll die Nutzlast bei drei unserer Sonden durch Sprengkapseln ersetzen. Das ist im Moment alles, was wir tun können.“

Fünf Stunden vor ihrem angekündigten Erscheinen schwenkte die Petronia in einen Orbit um Jupiter ein. Der Orbit war so berechnet, dass sie in die Nähe des Mondes Europa kamen, in dessen Schutz die Raumfähre das Schiff verlassen konnte. Dann entfernte sich die Petronia wieder, gut sichtbar für die Sensoren der Station.

„Captain, die Station meldet sich.“

„Wie erwartet.“

„Captain MacAllister, hier spricht Commodore...“

„Ich weiß, was wollen Sie?“

„Wir haben Sie im Ziel. Wenn Sie nicht beidrehen und Ihr Schiff übergeben, werden wir Sie vernichten!“

„Auf die Entfernung?“

„Wir sind mit den neusten Betastrahlern ausgerüstet.“

MacAllister warf Dr. DuValle einen fragenden Blick zu, doch der schüttelte nur beschwichtigend den Kopf.

„Mein lieber Murray, Ihnen ist der Begriff Laserprojektor doch sicher ein Begriff. Wir haben zwei Stück davon an Bord und wir hatten genügend Zeit, die inzwischen zu installieren.“ Warum hatten sie es nur nicht getan? „Sollte es also zu Kampfhandlungen kommen, dann ziehen Sie den Kürzeren.“ Er kappte die Verbindung. „Beidrehen und auf Rendezvouskurs mit der Fähre gehen. Die sollten langsam mit ihrer Übertragung fertig sein.“

„Treffen mit der Fähre in... 23 Minuten.“

„Gut.“

„Da nähern sich mehrere Raumfahrzeuge von 38 Grad.“

„Nicht so gut. Identifizierung?“

„Die USS Carter, die USV Brodski, die USS Lincoln und die STM Pisa. Die haben wohl alle auf uns gewartet.“

„Freundlicher Empfang. Die schnellsten Schiffe des Sonnensystems. Wir sollten Rennen veranstalten.“

„Dazu wird es kommen.“

„Ja, das fürchte ich auch. Verbindung mit der Fähre.“

„Hier ist Harris, Sir.“

„Wie weit sind Sie?“

„Wir sind fertig, Sir.“

„Sehr gut.“

„Aber wir haben zwei Schiffe auf dem Radarschirm. Die USS Denham und USV Belgrad.“

„Weniger gut. Geben Sie vollen Schub und verschwinden Sie vom Planeten.“

„Verstanden, Sir.“

„Es wird knapp werden. Treffen mit der Fähre?“

„Elf Minuten.“

„Zeit für das Eindocken?“

„Drei Minuten.“

„Wann sind die Schiffe in Schussweite?“

„Zwölf Minuten.“

„Sehr eng.“ Der Captain hatte eine Idee. „Harris, fragen Sie Michaels, ob er in der Station einen… Feueralarm auslösen kann.“

„Welchen Sinn hat das?“ fragte DuValle.

„Nun, ein Feuer ist mit das gefährlichste, was auf einer Raumstation passieren kann. Und wenn ein Alarm ausgelöst wird…“

„…dann werden sofort alle Schiffe in der Umgebung aufgefordert, die Station zu evakuieren.“ DuValle nickte anerkennend.

„Harris?“

„Wir versuchen es, Sir.“

„Vier Minuten dreißig Sekunden bis Schussweite.“

MacAllister klopfte auf seiner Konsole herum. Er war nervös.

„Fähre bereit zum Eindocken.“

„Rein damit.“

„Station ruft Schiffe zurück. Drei der Schiffe drehen ab. USS Denham und USV Belgrad ändern ebenfalls den Kurs.“

„Hätte mich auch gewundert, wenn Bricket sich durch sowas irritieren lassen würde.“

USS Carter eröffnet Feuer, Sir.“

„Treffer?“

„Sie befindet sich noch außerhalb der Schussweite.“

„Sehr gut. DuValle, schießen Sie die vorbereiteten Sonden ab. Vielleicht irritiert ihn das ja ein bisschen.“

„Fähre gedockt, Sir.“

„Volle Kraft voraus.“

„Wohin?“

„Zum Mars.“

„Kurs ist berechnet. USS Carter hat unsere Sonden mit ihren Lasern zerstört... und setzt die Verfolgung fort.“

„Soll sie. Verbinden Sie mich mit dem Kapitän.“

„MacAllister!“ Auf dem Bildschirm erschien ein gerötetes Gesicht. „Geben Sie auf, Sie haben keine Chance!“

Der Captain lächelte und sagte ruhig: „Das wollte ich auch gerade sagen.“ Dann schaltete er ab.

DuValle winkte ihn zu sich herüber. „Captain, sehen Sie sich das mal an. Wir bekommen jetzt die Daten vom Pluto.“

Der Captain seufzte. „Sie werden mir doch nicht sagen wollen, dass die da jetzt eine Freiheitsstatue gebaut haben?“

„Nein. Sie haben uns lediglich die Möglichkeit genommen, etwas mehr über sie herauszufinden.“ Er deutete auf den Bildschirm. Der Zylinder, das einzige Artefakt einer fremden Zivilisation das die Menschheit jemals zu Gesicht bekommen hatte, war verschwunden!

Vor dem Imperium

Подняться наверх