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2002: Spagat zwischen Disziplin und Leichtigkeit

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Die Bedrohung durch den Markt wurde zum bestimmenden Thema der Weltmeisterschaften des 21. Jahrhunderts. Nach dem emotionalen und abergläubischen Zagallo wurde 2002 in Japan und Südkorea der Hardliner Luiz Felipe Scolari, kurz Felipão, zum Nationaltrainer berufen. Er war die vielleicht entscheidende Figur dieses Turniers.

Die Seleção spielte bei Weitem kein herausragendes Turnier und konnte in keiner Weise den fußballkünstlerischen Ansprüchen des Publikums gerecht werden.

Aber Felipão gelang der Spagat zwischen professioneller Disziplin in Training und Spiel sowie emotionaler Fröhlichkeit in der Öffentlichkeitsarbeit. In Brasilien ist es bis heute unvergessen, dass ein Kamerateam nach einem Sieg mit ins Flugzeug der Nationalmannschaft durfte und dort die Stars beim Singen und Tanzen des Liedes „Ich lass mich vom Leben treiben“3 filmte. Das Lied kommt in etwa einer Hymne des brasilianischen Selbstverständnisses von Improvisation, Flexibilität und Unbekümmertheit gleich. Außerdem begann Felipão von der „Familie Scolari“ zu sprechen, wenn er sich auf die Seleção bezog. Das hatte ebenfalls einen äußerst positiven Einfluss auf seine Außendarstellung. Mit diesem guten Marketing gelang es ihm trotz der nur durchschnittlichen Leistungen, das Team zu formen und die Öffentlichkeit hinter sich zu bekommen.

Im Finale wartete mit Deutschland erneut eine europäische Mannschaft, die mit Spielern wie Klose, Neuville und besonders Asamoah unter Verdacht stand, den Erfolg kaufen zu wollen. Brasilien stand 60 Minuten in der Abwehr und schlug in der letzten halben Stunde gegen die inzwischen erschöpften Deutschen zweimal eiskalt zu. Der fünfte Titel wurde mit einer fast italienisch anmutenden Taktik und den Manndeckern Lúcio und Roque Junior gewonnen. In der Öffentlichkeit standen jedoch die „drei Stürmer-Rs“: Ronaldo, Rivaldo und Ronaldinho Gaucho, im Zentrum. Brasilien konnte sich endlich wieder als überlegene Offensivkraft wahrnehmen, die durch Angriffsfußball zu verzaubern weiß. Außerdem hatte man vier Jahre nach dem Frankreich-Trauma gezeigt, dass es möglich war, eine europäische Mannschaft zu besiegen. Cafu zeigte seine Heimatverbundenheit bei der Pokalvergabe, indem er seinen Geburtsort Jardim Irene auf seinem Trikot verewigte.


Brasilianische Fans bei der WM 2006 in Deutschland: Nur die weiße Oberund Mittelschicht kann sich solche Europareisen leisten.

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