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2006: Brasilianischer Fußballzirkus

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Zu diesem Zeitpunkt lebte ich schon in Brasilien und konnte zusehen, wie das nationale Selbstbewusstsein von Tag zu Tag wuchs. Die Titelverteidigung bei dem nächsten Turnier wurde eigentlich nur als Formsache betrachtet. Mit diesem aufgeblähten Nationalstolz kamen die Brasilianer zur WM 2006 nach Deutschland. Zunächst aber kamen sie nach Weggis, einem kleinen Ort in der Schweiz. Dort fand ein Trainingslager unter der Leitung von Coach Parreira statt. Der Weltmeister von 1994 stand eigentlich für Taktik und Disziplin. Doch auch er konnte sich der Euphorie im eigenen Land nicht erwehren. Zu den Trainingseinheiten wurde nicht nur die einheimische Bevölkerung zugelassen, sie wurden sogar live im brasilianischen Fernsehen übertragen.

Eine ernsthafte Vorbereitung sieht sicher anders aus, doch Team, Verband und Fans waren so von sich überzeugt, dass sie die Übertragung der Trainingseinheiten regelrecht forderten. Der Verband sah darin zudem die Gelegenheit einer kleinen Zusatzeinnahme. Folge war jedoch, dass die Seleção unkonzentriert und schlecht vorbereitet zur WM nach Deutschland reiste. Entsprechend pomadig absolvierte man die Vorrunde mit drei lustlosen Siegen gegen Kroatien (1:0), Australien (2:0) und Japan (4:1). Auch Ghana (3:0) im Achtelfinale war kein Problem. Im Viertelfinale jedoch wartete der Angstgegner Frankreich.

Brasiliens viertes WM-Spiel gegen Frankreich bedeutete zum dritten Mal das Ende der brasilianischen Titelträume. Ein alles überragender Zinedine Zidane dirigierte sein Team zum Sieg und gab die entscheidende Vorlage zu Henrys 1:0-Treffer in der 57. Minute. In der brasilianischen Trauerverarbeitung wurde später kein Wort über die mangelhafte Vorbereitung gesagt. Stattdessen schob man Roberto Carlos die Schuld in die Schuhe. Er wäre für Henry zuständig gewesen, hatte es aber vorgezogen, im entscheidenden Augenblick seine Socken zu richten.

Nach dem Spiel zeigten die TV-Kameras, wie Robinho und Zidane, beide bei Real Madrid unter Vertrag, und Zé Roberto und Willy Sagnol, beide beim FC Bayern München, sich in den Armen lagen. Für die brasilianischen Fans war die Sache klar: Ihr Favorit hätte niemals verlieren dürfen. Der Grund für die Niederlage konnte also nur darin liegen, dass die Spieler sich verkauft hätten. Sie waren durch ihre langjährigen Europaaufenthalte schon mehr Ausländer als Brasilianer. Heimatliebe schien käuflich.

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