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3.Kapitel

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Ihm war schrecklich kalt und er konnte sich nicht bewegen. Dilga wusste nicht, ob seine Augen offen oder geschlossen waren. Das einzige was er fühlte, war der harte Boden und das Brennen an seinem Bein. Er hatte das Bewusstsein verloren, wie lange er schon hier lag, konnte er nicht einmal schätzen.

Jemand berührte ihn. Eine Hand tastete seinen Körper ab. Die Oger! Sie hatten ihn gefunden. Er schluchzte lautlos. Finger legten sich auf seinen Hals, er hörte ein Grunzen und geriet in Panik. Er wollte sich wegrollen, aber es wurde nicht einmal ein Robben daraus, nur ein hilfloses Zucken. Aber das reichte aus, dass die Hand zurückgezogen wurde.

»Der lebt noch«, sagte eine Stimme.

Wie durch dichten Nebel drang sie an sein Ohr. Das war kein Oger. Da sprach ein Mensch.

»Hat sich jedenfalls bewegt«, stellte eine zweite Stimme lakonisch fest.

Dilga versuchte zu sprechen, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht.

»Hat er was bei sich?«, fragte eine weitere Stimme.

Sie war deutlich höher als die anderen, die er bisher gehört hatte. Seine Taschen wurden durchsucht. Dann drehte man ihn auf den Rücken. Grobe Hände rissen sein Hemd am Kragen auseinander.

»Nichts«, stellte eine der Stimmen enttäuscht fest.

Dilga drohte das Bewusstsein zu schwinden. Er wehrte sich dagegen.

»Hier.« Das war wieder die erste Stimme. »Kürze sein Leiden ab!«

Ein Schatten fiel über ihn. Nein! Er wollte leben! Verzweifelt versuchte Dilga sich hochzustemmen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht.

»Der hat noch nicht aufgegeben«, lachte der Lakonische erstaunt.

»Wo ist er verletzt?«, brummte ein dunkler Bass. »Ich sehe kein Blut.«

»Zum Schlafen wird er sich hier wohl nicht hingelegt haben.«

»Ob das Marodeure waren?«, sinnierte der Mann, der vorgeschlagen hatte, ihn von seinen Leiden zu erlösen.

Diese Vorstellung schien ihnen Angst zu machen. Der Mann, der sich neben ihn in den Schnee gekniet hatte, stand wieder auf. Eine Weile debattierten sie herum. Dilga konnte nicht mehr verstehen, was sie sagten. Ihre Stimmen entfernten sich immer weiter.

Ein heller Schmerz fuhr plötzlich durch seinen Oberschenkel und holte ihn ins Bewusstsein zurück. Blut lief ihm warm übers Bein. Der mit der dunklen Stimme hockte jetzt neben ihm. Dicht über seinen Schultern hörte Dilga ihn sprechen. Das Wort Oger fiel, dann redete jemand über Kochtöpfe und sie lachten rau. Wieder drohten ihm seine Sinne zu entgleiten.

Mit schier übermenschlicher Kraft gelang es ihm die Augen aufzureißen. Über ihm schwebte ein breites Gesicht, das zur Hälfte hinter einem wilden schwarzen Bart verschwand. Dunkle Augen starrten ihn überrascht an. Hinter dem Bärtigen stand ein Mann mit einer Mütze und einer Axt, die er zum Schlag erhoben hatte.

»He!« Der Bärtige lächelte kurz.

Dilgas Augäpfel verdrehten sich in ihren Höhlen. Die Welt kreiste um ihn herum, dann wurde es dunkel.

*

Das Erste, was Dilga registrierte, war die angenehme Wärme und der Geruch nach Essen. Er lebte! Erleichtert öffnete er die Augen. Über sich sah er eine hölzerne Decke an der Würste zum Trocknen hingen. Die Männer, deren Stimmen er gehört hatte, hatten ihn gerettet. Matt schloss er die Augen wieder und horchte in sich hinein.

Er war nackt. Man hatte seine Wunden verbunden und ihn in eine Decke gewickelt. Vorsichtig versuchte er die Finger und Zehen zu bewegen. Die Taubheit war aus seinem Körper verschwunden und er schien sich auch nichts gebrochen zu haben. Einen Augenblick genoss er die Geborgenheit, dann öffnete er seine Augen ein zweites Mal.

Diesmal schaute er sich um. Er war in einer einfachen Hütte. Sie hatte nur einen Raum und einen offenen Dachboden. Oben konnte er mehrere Schlafstellen erkennen. Einfache, mit Stroh gefüllte Matratzen, wie die, auf der er lag. Das Zimmer war spartanisch eingerichtet. Es gab einen Tisch mit zwei Bänken, ein paar Regale und einen Kamin, in dem ein behagliches Feuer brannte. Außerdem hing ein Topf über den Flammen, aus dem es verlockend duftete. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

Am Tisch stand ein grobschlächtiger Riese und säbelte mit einem Messer dicke Scheiben von einem Brotlaib ab, die er auf einige Teller verteilte. Vorsichtig hob Dilga den Kopf.

Der Mann hörte ihn und wandte sich zu ihm um. »Wieder alle Sinne beisammen?«

Dilga nickte. Er fühlte sich schwach, aber sonst gut. »Danke!«, sagte er.

»Wofür?«, fragte der Riese erstaunt.

»Dafür, dass du mich gerettet hast.«

Das Grinsen wurde eine Spur bösartig. »Da dankst du dem Falschen. Das war nicht meine Idee. Mort wollte dich nicht deinem Schicksal überlassen.« Der Mann nahm eine flache Schüssel und kam zu ihm herüber. »Schaffst du das allein oder muss ich dich füttern?«

Es gelang Dilga sich soweit aufzurichten, dass er die Schale entgegennehmen konnte. Mit Genuss schlürfte er etwas von der kräftigen Fleischsuppe. Sie war würzig und schmeckte köstlich.

Der Mann zog sich einen Schemel heran und setzte sich neben ihn. »Mein Name ist Barton.«

»Dilga«, erwiderte er, ohne im Essen inne zu halten.

»Du musst mir ein paar Fragen beantworten, Dilga.«

Er kaute einen dicken Fleischbrocken und bekundete sein Einverständnis mit einem Nicken.

»Wer bist du und wie bist du in diese Lage gekommen?«

Jetzt musste er vorsichtig sein. Er hatte keine Ahnung, was das für Männer waren. Womöglich gehörten sie zu Oleg. Kurz fasste er die Ereignisse zusammen. Dass er seinen Dienstherrn verärgert hatte, geflohen war und einige Monster getroffen hatte.

»Ein Söldner«, stellte Barton fest und verzog das Gesicht.

Dilga konnte es ihm nicht verdenken. Die meisten Söldner waren keine Zierde der Menschheit.

»Für Oleg hast du gearbeitet?«, fragte Barton misstrauisch und sah ihn eigenartig an. »Du redest von dem Oligarchen aus Tyralon?«

Wie Barton den Namen aussprach, verriet Dilga, dass er den Mann nicht schätzte. Aber da war noch etwas anderes in seinen Augen und seiner Stimme. Etwas, das Dilga nicht deuten konnte. Er schlürfte den Rest Suppe, gab Barton die leere Schüssel zurück und nickte schweigend.

Barton blieb sitzen und drehte die leere Schale in seinen Händen. »Wir sind hier in Askalon!«, sagte er schließlich.

Es dauerte einen Moment, bis Dilga diese Information verarbeitet hatte. Askalon! Die Monsterberge trennten das Königreich von Tyralon. Er war auf der anderen Seite der Berge. Das war doch nicht möglich! Oder doch? Es war wenigstens vier Tage her, dass Milana seine Fesseln gelöst hatte.

Draußen näherten sich Schritte. »Da kommen die anderen.« Barton machte keine Anstalten aufzustehen.

Krachend flog die Tür auf und vier Männer kamen in die Hütte. Sie trugen schwere Nagelstiefel, grobe Hosen und waren in dicke Mäntel gehüllt. Um ihre Gesichter hatten sie Schals geschlungen, so dass man nur ihre rot gefrorenen Nasen und die Augen sah. Trotzdem erkannte Dilga den mit dem wilden schwarzen Bart, der sich über ihn gebeugt hatte.

»Unser Gast ist wach«, brummte der Bärtige mit seinem tiefen Bass. Er wickelte seinen Schal ab und hängte den Mantel an einen Haken neben der Tür.

»Das ist Mort. Ihm verdankst du dein Leben«, erklärte Barton und deutete auf den Schwarzbart.

»Wir hatten wenig Hoffnung, dass du es schaffst«, sagte Mort und kam zum Bett herüber. »Du bist immer noch ziemlich blass!«

Die anderen Drei schälten sich aus ihren Mänteln und gesellten sich zu Mort. Mit Ausnahme von einem, der eine speckige Mütze auf seiner Glatze trug, waren sie genau solche Hünen wie Barton. Grobschlächtige Männer, deren Muskelberge ihre Bewegungen linkisch wirken ließen.

Barton stellte sie ihm vor. Bela, der auch ohne seine grauen Haare als Ältester der Fünf zu erkennen war. Arndt, dessen misstrauischer Blick ihn förmlich durchbohrte und Sägg, der Kleinste der Runde. Er war der mit der hohen Stimme, die vorgeschlagen hatte, ihn von seinem Leiden zu erlösen. Die Fünf waren Holzfäller, die das ganze Jahr über in den Monsterbergen lebten. »Unser Gast heißt Dilga«, führte Barton die Vorstellung fort. »Er ist ein Söldner und aus Tyralon geflohen.«

Sie starrten ihn an. Genauso, wie zuvor Barton.

»Tyralon?« Arndt dehnte die Silben des Wortes.

»Wie?«, fragte Sägg. Ihr Misstrauen war greifbar.

»Vielleicht setzen wir uns an den Tisch, dann kann er uns beim Essen mit seiner Geschichte unterhalten.« Mort deutete mit dem Kopf zum Tisch. Ohne Zweifel war er der Anführer der Gruppe. »Bist du kräftig genug, um dich zu uns zu setzen und zu antworten?«

Dilga nickte. »Wo sind meine Sachen?« Fragend sah er Barton an.

»Ich hab sie gewaschen und geflickt.« Barton stand jetzt am Feuer und füllte eine Suppenterrine aus dem Kessel. »Du kriegst sie nachher wieder.« Er stellte die Terrine auf den Tisch und füllte die Schalen.

Dilga blieb nichts anderes übrig, als sich in die Wolldecke gewickelt an den Tisch zu setzen. Eingezwängt zwischen Bela und Barton nahm er eine weitere gefüllte Suppenschale entgegen. Mort reichte ihm eine Scheibe Brot dazu. Die Männer langten kräftig zu, während sie seiner Erzählung lauschten. Außer der Suppe, gab es Brot, Schmalz, Zwiebeln und saures Bier.

»Einem Satyr bist du entkommen«, stellte Mort anerkennend fest. »Das sind die schlimmsten Monster hier in den Bergen!«

Das bezweifelte Dilga, doch bis er diese Männer besser kannte, behielt er seine Einschätzung lieber für sich.

Sie stellten ihm weitere Fragen, vergewisserten sich, dass sie seine Geschichte richtig verstanden hatten. Es fiel ihnen sichtlich schwer ihm zu glauben.

»Wieso musstest du aus Tyralon fliehen?«, wechselte Mort das Thema.

Bisher hatte er sich nur wenig am Gespräch beteiligt. Jetzt brachte seine Frage die anderen zum Schweigen. Dilga spürte ihre Blicke und überlegte sich seine Antwort sorgfältig.

»Ich hab mich ungebührlich verhalten und Oleg beleidigt.« Das war eine Erklärung, die sie glauben konnten und sie war nicht weit von der Wahrheit entfernt. Milanas Begehren abzulehnen, stand ihm nach den Bräuchen nicht zu.

»Hast du ihn bestohlen?«, hakte Sägg nach.

Dilga schüttelte den Kopf. Er war müde und hatte keine Lust, noch länger auf ihre Fragen zu antworten. Außerdem stieg ihm das Bier zu Kopf.

»Du fällst ja vor Müdigkeit fast von der Bank«, meinte Barton mitfühlend. »Ich denke wir sollten ihn jetzt in Ruhe lassen. Schließlich ist er gerade erst aufgewacht.« Dankbar nickte er Barton zu.

*

Dank Bartons Kochkünsten, erholte sich Dilga in wenigen Tagen. Heute wollte er zum ersten Mal die Hütte verlassen. Mort hatte ihm zu seinen eigenen Sachen noch einen gefütterten Umhang, einen Schal und ein paar dicke Socken gegeben. Die Sachen waren nicht neu und an einigen Stellen geflickt, gleichwohl waren sie großzügige Geschenke. Die Männer hatten selbst nicht viel und im Winter war ihr Leben hart. Trotzdem hatten sie bisher nicht einmal eine Gegenleistung von ihm verlangt und das machte ihm Sorgen.

Sie hatten Angst vor ihm, je mehr er zu Kräften kam. Mit Ausnahme von Bela vielleicht. Der Alte unterschied sich in mancherlei Hinsicht von seinen Kameraden. Dilga band sich den Schal um und verließ die Hütte. Vor der Tür blieb er einen Moment stehen und genoss die frische Luft und die Wintersonne. Der Platz vor dem Haus war sorgfältig vom Schnee befreit worden, so dass Dilga die abgedeckten Beete sehen konnte. Bela baute hier, gemeinsam mit Barton, zum Sommer hin Kräuter und Gemüse an. Das hatten sie ihm am vergangenen Abend erzählt.

Ein breiter Weg, der an der Tür begann, führte den Berg hinunter. Nach rechts lief ein kleiner Pfad zu einem Schuppen. Dort bewahrten die Männer ihren Vorrat an Brennholz auf. Vor dem Verschlag standen mehrere große Körbe, in denen sie Späne und andere Holzabfälle sammelten. Daneben stapelten sich die Baumstämme, die sie im Spätsommer und im Herbst geschlagen hatten. Beeindruckt betrachtete Dilga die Baumgiganten. Allein sie zu fällen musste eine Menge Arbeit gewesen sein. Ganz zu schweigen davon, sie anschließend hierher zu schleppen. Das konnten die Männer unmöglich ohne ein Zugtier geschafft haben.

Er ging zu dem Stapel hinüber. Die Äste entfernten sie bereits im Wald, soviel wusste er aus seiner Kindheit. Dilga legte eine Hand an einen der rauen Stämme und versank einen Moment in seinen Erinnerungen. Holzfäller! Die waren fast so geheimnisvoll gewesen wie Gaukler und Söldner. Sie kamen nur selten ins Dorf und blieben für sich, auch wenn sie Familie unter den Bauern und Handwerkern hatten. Mort und seine Leute schienen das ähnlich zu halten.

Dilga schüttelte die Erinnerung ab und setzte seine Runde um das Haus fort. Auf der Rückseite reichte der Wald fast bis an die Hütte heran. Hier lag alles im Schatten und der Schnee türmte sich an der Wand. Er zog seinen Umhang fester zu und beeilte sich wieder in die Sonne zu kommen. Auf der Vorderseite, neben dem einzigen Fenster, hatte er eine Bank gesehen. Jetzt saß Mort dort und rauchte. Dilga zögerte einen Moment, dann setzte er sich zu ihm.

»Die Anderen werden bald zurück sein«, meinte Mort schmauchend.

Bela war mit Arndt und Sägg losgezogen, um ihre Fallen zu kontrollieren. Die Männer gehörten zum Eigengut des Königs und hatten von ihm die Erlaubnis zur Jagd. »Fangt ihr viel?«

Mort schüttelte den Kopf. »Im Sommer geht es noch, aber im Winter höchstens mal ein halb verhungertes Kaninchen oder einen Vogel, dem zum Fliegen die Kraft fehlt.«

»Ich habe gesehen, dass ihr einen Jagdbogen habt.«

»Der gehört Barton«, lachte Mort. »Den hat er sich als Tilgung einer Schuld aufschwatzen lassen. Er dachte, er könnte damit unseren Speiseplan aufbessern. Aber außer ein paar Bäumen und Sträuchern hat er nicht viel geschossen.«

Dilga fiel in das Lachen ein. Die meisten unterschätzten, welche Fertigkeit es verlangte mit einem Bogen umzugehen. Mort bot ihm seinen Tabaksbeutel an und er schüttelte den Kopf. Rauchen war keine gute Idee wenn man hin und wieder unentdeckt bleiben wollte. Der Rauch haftete einem noch nach Tagen an. Da half auch das geschickteste Schleichen nichts, wenn man von diesem Gestank umgeben war.

»Wie hattest du vor, durch den Winter zu kommen?«, fragte Mort neugierig. Das Wort Marodeur lag in der Luft, auch wenn Mort es nicht direkt aussprach.

»Darüber habe ich bisher noch nicht nachgedacht«, antwortete Dilga ausweichend.

»Hast du dich schon einmal durch Stehlen am Leben gehalten?«, bohrte Mort direkt.

Endlich war es heraus. Die Männer fürchteten, was er tun könnte, jetzt da er wieder gesund war. »Ich ermorde niemanden. Schon gar nicht, wenn er mein Leben gerettet hat«, stellte er klar.

Mort zog bedächtig an seiner Pfeife und stieß den Rauch in Kringeln aus. »Habe ich darauf dein Wort?«, fragte er, nach einem kurzen Schweigen.

»Aye. Ich gebe dir mein Wort und das Versprechen, dass ich nicht tatenlos zusehen werde, wenn man euch schaden will.«

*

Die Drei hatten kein Glück gehabt. Durchgefroren und erschöpft kehrten sie zur Hütte zurück. Dilga half Mort gerade dabei, einen der Strohsäcke, die ihnen als Bettstatt dienten, neu zu stopfen. Barton hatte die Rückkehrer ebenfalls gehört und lugte voller Hoffnung aus der Bodenluke, die in den Keller führte. Dort bewahrten sie den Hauptteil ihrer Vorräte auf; eingelegtes Gemüse, gepökeltes Fleisch, lagerfähiges Obst und Käse. Am Vortag war Dilga mit Barton zusammen unten gewesen, um drei größere Schinken und das Rückenteil eines Rindes umzulagern. Im Winter musste man vor allem Fleisch und Käse regelmäßig kontrollieren, damit sich keine Maden oder andere Schädlinge daran gütlich taten.

»Essen wir halt Gemüsesuppe.« Barton klettere aus dem Loch und legte einen halben Laib Käse auf den Tisch. »Ich reibe etwas davon rein, dann wird es schön sämig.«

»Ich hätte gern mal wieder ein gescheites Stück Fleisch«, maulte Arndt.

»Wie wäre es mit Wild oder einem fetten Vogel?«, fragte Dilga beiläufig.

»Oh ja! Mit Soße und frischen Beeren.« Sägg schnalzte mit der Zunge und setzte sich auf seinen Platz. Er zog sein Messer aus dem Gürtel und kratzte eine großzügige Portion Schmalz aus dem Tontopf.

»Du meinst das ernst?«, stellte Barton erstaunt fest.

»Wenn du mir deinen Bogen leihst.« Das Feixen verstummte. Sie begriffen, dass er keinen Spaß machte.

»Du würdest für uns jagen?«, hakte Barton ungläubig nach.

»Ich steh in eurer Schuld und ich möchte sie gern abtragen.«

»Ich schenk dir das Ding, wenn es dafür Fleisch gibt«, versprach Barton mit leuchtenden Augen.

»Ich kann dir auch beibringen, wie man mit einem Bogen schießt«, bot Dilga Barton an. Barton winkte lachend ab. Er kramte den Bogen hinter der Kiste mit den Lederresten hervor. Dilga nahm ihn und testete die Zugkraft der Sehne. »Die muss in absehbarer Zeit ausgetauscht werden.« Er hob den Bogen und visierte eine der Würste an der Decke an. »Und etwas zum Schießen wäre auch nicht schlecht.«

»Klar!« Barton deutete nach draußen. »Pfeile hab ich im Schuppen noch ein paar.«

»Kannst du die Sehne selbst austauschen?« Bela, der bereits am Tisch saß und an einem Stück Brot knabberte, musterte ihn aufmerksam.

Dilga nickte. »Einen Jagdbogen kann ich reparieren und notfalls auch Pfeile herstellen. Solche ohne Metallspitze jedenfalls.«

»Klasse!«, freute Barton sich, wie ein Kind. »Wenn du willst, können wir morgen auf die Pirsch gehen.«

»Sicher!« Die Aussicht seinen Muskeln etwas Bewegung zu verschaffen, gefiel Dilga.

Die Männer setzten sich an den Tisch und Barton trug die heiße Suppe auf. Ein einfaches Rezept, mit Gemüse und einer nahrhaften Wurzelsorte. Dilga füllte sich seine Schale und streute etwas von dem Käse, den Barton mit einer hölzernen Reibe zerkleinert hatte, auf seine Suppe.

*

Er hatte Glück gehabt und ein gut genährtes Wildschaf geschossen. Das gab nicht nur Fleisch, sondern auch Wolle und Leder. Selbst Arndt und Sägg hatten ihm begeistert auf die Schulter geklopft. Mort hatte das Schaf zerlegt und Dilga hatte Barton bei der Zubereitung des Essens geholfen. Er hatte unterwegs ein paar Kräuter gesammelt, von denen er wusste, dass sie den Geschmack von Wild ausgezeichnet hervorhoben. Jetzt saßen sie zusammen und ließen sich den Braten schmecken.

»Kann ich dich überreden den Winter über hier zu bleiben?« Mit seiner Frage unterbrach Mort Barton, der zum wiederholten Mal begeistert erzählte, dass Dilga das Schaf mit einem einzigen Schuss erlegt hatte, über eine Distanz von gut fünfzig Schritten.

»Da musst du nicht lange bitten.« Mit Gewalt brach Dilga ein einzelnes Rippchen des Schafs ab und legte es auf sein Brett.

»Weil wir dein Leben gerettet haben?« Sägg ignorierte großzügig, dass das nicht seine Idee gewesen war.

Dilga nickte und fügte hinzu: »Und weil es ein warmes Bett in einer lausig kalten Jahreszeit bedeutet.«

»Nicht leicht für Söldner im Winter«, stellte Mort fest. Dilga nickte schweigend und trank einen Schluck Soße.

»Dann ist es abgemacht? Ich begleite dich morgen gern wieder«, meinte Barton.

»Das könnte dir so passen!« Mort warf Barton einen finsteren Blick zu. »Dich vor der Arbeit drücken. Wir wechseln uns ab damit, Dilga zu begleiten. Morgen gehe ich mit!« Eine Weile stritten sie gutmütig miteinander. Barton versuchte zu argumentieren, warum er am besten geeignet war, Dilga zu begleiten. Er verwies darauf, dass er den Küchendienst versah und wenn Dilga ihm dabei half, sei es nur logisch, dass sie sich auch die Jagd teilten.

»Wenn du so gern jagen willst, kannst du mich morgen begleiten um unsere Fallen zu kontrollieren«, bot Sägg an.

»Wenn ich mich recht erinnere, hat Dilga angeboten für uns zu jagen und nicht als Koch zu arbeiten«, wandte Bela ein. »Auch wenn ich sagen muss, dass du dich mit Kräutern besser auszukennen scheinst als Barton.«

Barton war, was Kräuter anging, so etwas wie Belas Schüler. Das hatte der Holzfäller ihm auf ihrem Ausflug erzählt. »Eigentlich nur ein Nebeneffekt.« Dilga verstand die unausgesprochene Frage. »Ich hab vor einigen Jahren angefangen mich für Heilkräuter zu interessieren.«

»Du verstehst dich aufs Heilen?« Bela war beeindruckt.

»Das ist zu viel gesagt. Nein!« Dilga schüttelte den Kopf. »Ich kann kleinere Blessuren und Wunden versorgen. Das ist alles.« Und auch das war nicht die ganze Wahrheit. Eigentlich hatte Delia angefangen, ihn mit Giften auszubilden. Dilga zog das breite Jagdmesser, das Barton ihm überlassen hatte, aus dem Gürtel und zerteilte den restlichen Braten in der Mitte, so dass es einfacher wurde, sich kleine Stücke abzubrechen.

»Woher hast du das?« fragte Arndt fast feindselig.

»Ich habe es ihm gegeben«, antwortete Barton mit vollem Mund. »Für den Fall, dass ein Schuss nicht ausreicht.« Er rülpste. »Gnadenstoß ist nicht meine Sache, wie ihr ja wisst.«

Dilga schob das Messer wieder in seinen Gürtel und sah Arndt ruhig an. Er wusste genau, was in dem Mann vorging. »Ihr seid zu Fünft, Arndt!«, sagte er dann.

»Aber wir sind keine Kämpfer«, erwiderte Arndt trotzig. »Von uns käme keiner heil durch ein Ogerlager.«

»Das bin ich auch nicht«, wehrte Dilga ab.

»Trotzdem bist du ein Söldner.« Arndts Stimme verriet seinen Rückzug.

Dilga las in den braunen Augen noch immer Angst. »Welchen Vorteil hätte ich davon, euch zu töten?«

»Wir haben hier eine Menge wertvolles Holz«, argwöhnte Arndt.

»Genau!«, kichernd wedelte Barton mit der Hand in die Richtung, wo auf dem Hof die riesigen Baumstämme lagerten. »Ich sehe schon wie Dilga einen davon huckepack davon trägt und mit dem Verkauf reich wird.«

Einen Moment blieb es still, dann löste sich die aufkeimende Spannung in einem lauten Gelächter. Selbst Arndt stimmte mit ein. »Tut mir leid, Dilga!«, sagte er versöhnlich.

Mit einem Nicken akzeptierte Dilga Arndts Entschuldigung. Er nahm ihm seine Angst nicht übel. Viele Söldner würden genau das tun, was Arndt fürchtete.

*

Dilgas Versprechen

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