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Prof. Jo Groebel

Fans. Eine kleine Motivpsychologie

Auf den allerersten Blick verbindet man mit dem Begriff „Fan“ hysterisch kreischende Teenager vorwiegend weiblichen Geschlechts. Dieses Phänomen ist so alt wie die Popgeschichte des 20. Jahrhunderts und reicht zurück bis zu Frank Sinatra und Johnny Ray, den Beatles und den Rolling Stones, den Monkees, später Boygroups wie Take That und aktueller Justin Bieber. „Fan“, abgeleitet von „Fanatic“ (deutsch: der beziehungsweise die Fanatische), steht für völlige Hingabe an das Idol, für jemanden, der einen großen Teil der täglichen Gedanken und Energien dem Idol widmet und jedwede Regung des Bewunderungsobjekts kultisch verehrt. Vermutlich spielen gerade bei jüngeren Mädchen erste erotische Regungen eine Rolle, die daher harmlos bleiben, weil es so gut wie nie zu einer realen, damit potenziell verschreckenden Begegnung kommt.

Doch auch die Männer haben ihre Fandomäne, hier ist es vor allem der Sport, in Deutschland und vielen weiteren Ländern besonders der Fußball, der weitreichende Emotionen weckt. Erotik dürfte hier selten eine Rolle spielen, höchstens indirekt. Neben dem Können und der Identifikation mit dem Verein sind es die Trophäen und Symbole, die den Ballstar auszeichnen und ihn zu einem nachahmenswerten Menschen machen: Stärke, Geld, Autos, „Bräute“, also nach wie vor von vielen anerkannte gesellschaftliche (männliche) Werte.

Inzwischen wird das Fan-Sein nicht mehr primär kritisch oder lächelnd-abschätzig bewertet, man akzeptiert, dass der Enthusiasmus gegenüber einem Idol viele positive Aspekte beinhaltet: Ablenkung von einem manchmal grauen Alltag, Suche nach Positivvorbildern, meist schlicht und einfach Lust auf harmlose Begeisterung.

Dabei sind die Hintergründe recht komplex, die Motivlagen lassen sich über mehrere Eigenschaften der einzelnen Person, ihrer Bezugsgruppe und der Gesellschaft insgesamt beschreiben, siehe die Fanmotivmatrix:

DIE FANMOTIVMATRIX


© Jo Groebel 2012

Die sehr wissenschaftlich aussehende Matrix lässt sich recht einfach auf den Fanalltag übertragen. Einerseits kennzeichnet sie die verschiedenen Motivlagen eines Menschen: Jeder sucht ein gewisses Maß an positiver Erregung, damit das Leben nicht so langweilig ist. Dass wir ein gutes Gefühl mögen, ist fast selbstverständlich. Und ohne aktive Suche nach Information wären wir gar nicht lebensfähig. Natürlich sind wir auch alle eingebettet in eine Gemeinschaft, soziales Verhalten gehört zu den Triebfedern jeder Biografie. Und als aktive Menschen sind wir interessiert, etwas zu tun, unsere Ideen durch Handeln und Aktivität umzusetzen. Und schließlich: Ohne Ethik wären wir ebenfalls nicht überlebensfähig. Überträgt man all das nun auf eine Analyse der Fans, dann kann man diese genannten Bereiche wiederum aufteilen in das Verhalten jedes einzelnen Fans, das in der Fangruppe und schließlich in die ihn umgebende Gesellschaft und Kultur, also all das, was insgesamt in Deutschland und anderen Ländern an Meinungen und Lebensstilen existiert. Konkret heißt das dann für unser Thema:

Zwar kann man sich Fans auch im stillen Kämmerlein vorstellen, doch meist dürften sie eingebettet sein in verschiedene soziale und gesellschaftliche Bezüge. Vermutlich ist sogar die Dynamik innerhalb einer Fangruppe, bei der man sich gegenseitig verstärkt und aufschaukelt, ein zentrales Motiv für die Bewunderung von Idolen. Entsprechend lässt sich die Fanmotivation einerseits nach den verschiedenen sozialen Kontexten einteilen, also Individuum, Gruppe, Gesellschaft, siehe oben, andererseits nach den unterschiedlichen psychologischen Prozessen, die dabei eine Rolle spielen.

Jedes Fan-Sein beginnt mit der Begeisterung, die auch den Körper in Aufregung versetzt. Der Anblick des Idols, des geliebten Vereins geht mit einer beschleunigten Herzrate einher, bei der direkten Begegnung sogar mit feuchten Händen. In der Fachsprache nennt man das die physiologische Erregung. Sie ist messbar, zugleich wird die Erregungskurve des Einzelnen durch Ansteckung in der Gruppe weiter erhöht, dabei wieder gefördert durch die jeweilige Erlebnis- und Fankultur auf nationalem oder gar grenzüberschreitendem Niveau. Manche Soziologen sprechen gar von der Erlebnisgesellschaft, ein möglichst hohes Maß an ständiger Begeisterung ist zu einer Art Norm geworden. Die Sozialpsychologie hat in entsprechenden Analysen vielfach gezeigt, dass im Zusammensein mit anderen die Erregung immer noch weiter zunimmt, der besondere körperliche Zustand jedes Einzelnen im Fußballstadion ist ein plausibles Beispiel dafür.

Allerdings sprechen wir nicht von einem rein automatischen Verlauf, ohne Inhalt würde die Begeisterung ins Leere laufen. Dieser Inhalt ist die Begeisterung für ein konkretes gelungenes Spiel, für eine bestimmte Musikrichtung, vor allem aber für eine konkrete Person oder zumindest einen Verein. Hier entsteht auf der Gefühlsebene die Bindung durch Bewunderung der Eigenschaften des Vorbildes, hier schafft die Fangruppe durch gegenseitige Verstärkung erst den Kern der sozialen Dimension der Zuneigung zum Begeisterungsobjekt. Das alles wird in einer hochdifferenzierten Medienkultur weiter gefördert. Merchandising, Fanpublikationen, Fernseh- und Onlineangebote schaffen in Wechselbeziehungen zueinander die Kultur des Enthusiasmus, die vermutlich zu den stärksten Triebfedern für Fans gehört.

Zugleich ist der Fan auch immer an weitergehenden Informationen über sein Idol interessiert. Die Medien thematisieren auf der gesellschaftlichen Ebene möglichst viel an entsprechenden Informationen, in der Gruppe tauscht man sich dazu aus, und insgesamt entsteht so neben dem persönlichen Informiertsein durch informelles Lernen auch ein persönliches Weltbild, bei dem die Summe aller Informationen Erwartungen gegenüber dem Sport oder gar der Gesellschaft insgesamt, selbstverständlich auch gegenüber dem Idol und dem Verein erzeugt. Was sind die besonderen Erfolgsgeheimnisse, welche Belohnungen gehen mit dem Erfolg einher, nicht zuletzt, welche Werte und Arten des Umgangs miteinander weisen die Bewunderten auf? So gehört die Fankultur durch das informelle oder auch sogenannte latente Lernen zu den indirekten Bildungsfaktoren der Gesellschaft.

Auf der sozialen Ebene ist ein weiterer wichtiger Punkt die Möglichkeit, zu einer Gruppe zu gehören. Jeder Mensch möchte mit anderen Menschen bestimmte Interessen teilen, nichts ist dazu besser geeignet als eine Aktivität, die viele ähnlich beurteilen und empfinden, bei der sich viele ähnlich zu Hause fühlen wie beim Sport oder wie bei der Musik. Auf der individuellen Ebene ist es dann die Vorbildfunktion des Idols, die die soziale Orientierung prägt, auf der Gruppenebene ist es die Zusammengehörigkeit, die von jedem Einzelnen gesucht wird, auf der gesellschaftlichen Ebene sind es vor allem Social Media wie Facebook etc., die Plattformen für diese Zusammengehörigkeit bieten.

Weiter gestärkt werden all diese psychologischen und sozialen Prozesse durch gemeinsames Handeln. Bindung und Vorbildfunktion äußern sich auch darin, dass man gemeinsame Dresscodes befolgt und gleiche Kleidung trägt, damit nicht zuletzt das Idol direkt nachahmt. Bei der „Gruppenuniform“ bleibt es aber nicht, Fans zeichnen sich in der Regel durch gemeinsame Aktionen aus. Der gemeinsame Besuch des Stadions, die Organisation von Fangruppen, gemeinsame Unterstützungsaktionen, das Engagement für den Verein gehören eher zu den positiven Aspekten. Dass einzelne Fans auch zu Negativaktionen neigen, gar zu Hooliganismus, ist bekannt und wird von vielen Organisationen intensiv durch Präventivprozeduren angegangen. Hierzu gehören auch auf der gesellschaftlichen Ebene die großen Positivkampagnen, die die prosozialen Seiten der Fankultur unterstützen sollen.

Damit schließt sich der Kreis zur Dimension der Fairness und der Ethik. Menschen neigen eher zu sozialem Positivverhalten. Entsprechend dürften angenehme Vorbilder eine größere Durchsetzungschance haben als negative. Das ethische Verhalten eines Sportlers auf dem Feld setzt sich in den Verhaltensmustern seiner Fangruppe fort und steht in Wechselbeziehung zu der vorherrschenden Fairnessnorm unserer Gesellschaft.

All dies zeigt sich auch interkulturell. In einer groß angelegten Globalstudie für die UNESCO mit mehr als 5.000 Zwölfjährigen zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche sich eher positive und ethisch richtig handelnde Vorbilder suchen als negative. Fans gehören also eher zu einer positiv gestalteten Gesellschaft, als dass man sie negativ beurteilen sollte.

Literatur

Jo Groebel: The UNESCO Global Study on Media Violence. In D. Singer & J. Singer (eds.). Handbook of Children and the Media. Beverly Hills. Sage Publications. 2001.

Jo Groebel: Das Neue Fernsehen. VS-Springer Wissenschaft. 2013.

Jo Groebel & Robert A.Hinde (eds.): Aggression and War. Cambridge University Press. 1991.

Jo Groebel, Eli Noam & Valerie Feldmann (eds.): Mobile Media. Columbia University/Lawrence Erlbaum Publishers. 2006.

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