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3.1 Schreiben mit allen Sinnen

Das Schreiben ist meist eine einsame Handlung. Es erfordert Ruhe und Konzentration, ein tiefes Eintauchen in die eigenen Gedanken. Deshalb kann es schnell passieren, dass man sich in seiner Fantasiewelt verliert. Wenn Sie merken, dass Sie sich verlieren, machen Sie eine Pause. Gehen Sie hinaus in die reale Welt. Öffnen Sie Augen und Ohren, erfassen Sie mit allen Sinnen, was um Sie herum vorgeht.

Das kann auch ein probates Mittel sein, um Schreibblockaden zu überwinden. Ich habe früher in solchen Situationen ein kleines Tonbandgerät mitgenommen, um das, was mir bei Spaziergängen oder Autofahrten durch den Kopf gegangen ist, aufzusprechen, um die Worte nicht gleich wieder zu vergessen.

Heute kann man mit dem iPhone oder Smartphone Sprachnotizen aufnehmen. Selbstverständlich können Sie auch auf Papier und Stift zurückgreifen, um Gedanken festzuhalten. Mir selbst ging das Schreiben aber oft nicht schnell genug, wenn die Gedanken sprudelten ...

Mit allen Sinnen schreiben bedeutet aber weitaus mehr. Ich will Ihnen das an einem Textbeispiel verdeutlichen. In dem Buch Triumph des Lebens von Jean Giono, das 1949 erschienen ist, heißt es an einer Stelle:

Hol mir eine Handvoll Pfeffer, eine Handvoll Wacholder, zwei Gewürznelken, ein Lorbeerblatt, einen Stengel Basilikum, zwei Stengel Minze, einen Schirm Fenchel, Salz, Essig und ein Stück Speck ...

Geht und holt mir, du ein Glas Schnaps, ein großes, du mageren Speck, du trockenen Thymian und Bindfaden. Du nimmst jetzt die Spicknadel; schlagt das Feuer nieder ... Reibt mir dies ganze Fleisch mit Branntwein ab ...3

Dieser Text ist fürwahr ein wundervolles Beispiel dafür, wie alle Sinne in das Schreiben einbezogen wurden.

Riechen Sie die Gewürze?

Schmecken Sie den Schnaps?

Fühlen Sie, wie er die Kehle hinunterläuft?

Fühlen Sie den fetten Speck an Ihren Fingern?

Riechen Sie das Feuer?

Läuft Ihnen das Wasser im Mund zusammen?

Solche Szenen kann man nur dann und nur so zu Papier bringen, wenn man schmeckt, fühlt, riecht, was um einen herum passiert. Das sind keine Erfahrungen, die man am Schreibtisch machen kann. Und es kommt noch etwas hinzu. Der Schriftsteller bindet seine Figuren in das Geschehen, in seine eigene sinnliche Erfahrung ein.

Otto Schumann schreibt dazu:

Suchen Sie vor allem, Sichtbares und Hörbares, Duft und Geschmack und Tastbares in Bewegung umzusetzen. Mit dem Beschreiben ist wenig gewonnen. Giono steigert das vortrefflich, zunächst gibt er eine Aufzählung, dann setzt er die Menschen in Bewegung („hol mir ... du nimmst ... reibt“), bis sich alles eint zu einer bewegten und bewegenden Sinfonie.4

Wenn Sie also an Ihrem Buch arbeiten, dann versuchen Sie, alles, was realistisch mit Sinnen zu erfassen ist, tatsächlich sinnlich zu erleben. Kocht Ihr Held eine Kohlsuppe, dann versuchen Sie sich selbst am Herd. Riechen Sie, wie der Zwiebelduft durch die Küche zieht – was empfinden Sie dabei? – saugen Sie den Duft des Kohls bewusst ein. Bringen Sie zu Papier, was Ihnen durch den Kopf geht. Rümpfen Frau, Mann, Kinder die Nase? Welche Erinnerungen werden in Ihren, in den Gedanken Ihrer Lieben geweckt?

Selbstverständlich weiß ich, dass man dieses sinnliche Erleben nicht bei jedem Buchprojekt umsetzen kann. Kein Kriminalschriftsteller soll sich von mir durch meine Ausführungen dazu verleitet sehen, selbst auszuprobieren, wie es sich anfühlt, ein Verbrechen zu begehen. Aber da, wo es möglich ist – und sei es nur ein Waldspaziergang, den Sie eindrucksvoll schildern möchten –, probieren Sie es aus. Nicht in Ihrer Erinnerung, sondern jetzt, sofort ...

Wie man ein verdammt gutes Buch veröffentlicht!

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