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Im Kaufhaus

Vorige Woche war ich in einem großen Kaufhaus der Stadt. Du meine Güte, war da was los. Ein Gewühle und Gedränge. Die Menschen schoben sich durch die Abteilungen. Immer wenn ein Kunde etwas in einem Regal genauer ansehen wollte, musste die ganze Menschenmenge hinter ihm stehen bleiben. Und warm war es da. Also, in der Sauna kann es auch nicht heißer sein. Nur ist man da leicht oder besser gesagt gar nicht bekleidet. Dort aber rann mir das Wasser aus allen Poren, denn ich hatte über meinem Hemd noch einen Pullover und eine Winterjacke an.

Immer wieder hörte man eine Stimme aus dem Lautsprecher mit den Ansagen: „Nummer zwölf bitte zum Ausgang zwei.“ Oder: „Der kleine dunkelhaarige Matthias, vier Jahre alt, bekleidet mit einer dunklen Hose und einem blauen Anorak sucht seine Mutti, die er in der Spielwarenabteilung verloren hat. Liebe Mutti, bitte melden Sie sich an der Sammelkasse im dritten Stock.“

Und dann waren auch die Durchsagen zu hören: „Nummer vierundzwanzig bitte zu den Spielwaren.“ Oder: „Nummer vierundzwanzig zu den Gardinen.“ Oder: „Nummer vierundzwanzig zu den Fernsehern.“

„Eigenartig“, dachte ich mir. „Wer ist denn Nummer vierundzwanzig?“

Gregor und Leontine, meine Kinder, die ich mitgenommen hatte, meinten, dass Nummer vierundzwanzig nicht überall gleichzeitig sein könne. „Wer kann denn Nummer vierundzwanzig nur sein, dass er oder sie so wichtig ist, dass er überall gebraucht wird?“, fragten sie mich.

Ich erklärte ihnen, dass man im Kaufhaus nicht ausrufen konnte: „Die Putzfrau möchte bitte mit Eimer und Lappen in die Lebensmittelabteilung zum Getränkeregal kommen, weil dort einem Kunden eine Flasche zu Boden gefallen und zerschellt ist.“ Deswegen hätte man sich darauf geeinigt, dass einfach nur gerufen wurde: „Nummer zwölf bitte in die Lebensmittelabteilung.“ Nummer zwölf war nämlich die Putzfrau.

Aber warum nur andauernd die Nummer vierundzwanzig?

„Weißt du was?“, sagte Leontine. „Wenn das nächste Mal wieder die Nummer vierundzwanzig gerufen wird, gehen wir auch dahin, wohin die Nummer vierundzwanzig kommen soll.“

Gregor nickte stumm. Einerseits war er ebenso neugierig wie Leontine, andererseits aber war ihm etwas mulmig im Magen, wenn er dahin sollte, wohin die Nummer vierundzwanzig andauernd gerufen wurde.

„Vielleicht“, dachte er sich, „vielleicht ist es der Arzt, und immer wenn er gerufen wird, ist jemand umgefallen, weil ihm im Gewühle schlecht geworden ist. Oder jemand hat zwischendurch Hunger oder Durst bekommen, konnte aber nicht in seine Manteltasche greifen, um sich ein Brot, einen Keks oder ein Getränk herauszuholen, und nun ist er einfach umgekippt.“

Nein, das wollte er lieber nicht sehen. Nicht jetzt in der Weihnachtszeit.

Schon wieder diese Durchsage! „Nummer vierundzwanzig bitte in die Spielwarenabteilung zu den Holzeisenbahnen.“

„Jetzt aber los!“, rief Leontine und zog an meiner Hand. „Da müssen wir hin. Eine Etage höher!“

Sie zog an meiner Hand und ich zog gleichzeitig an der Hand von Gregor. Wir erreichten nach einigem Schieben die Rolltreppe. Hier war es richtig bequem. Mehr als zwei Personen passen auf keine Stufe und so konnte man einmal tief durchatmen. Leider ist so eine Fahrt mit der Rolltreppe nicht sehr lange. In der dritten Etage angekommen, blickte ich mich einmal kurz um, entdeckte den Tisch mit den Holzeisenbahnen und steuerte darauf zu.

Die Menschenmenge – und ganz besonders die Menge an Kindern – schwoll immer mehr an. Leontine und Gregor wurden zwischen Anoraks, Mänteln und Tüten eingekeilt. Sie konnten nichts sehen. Kurzerhand setzte ich Gregor auf meine Schultern und nahm Leontine auf den Arm.

Gregor wurde plötzlich ganz aufgeregt. Er wuselte mit seinen Händen derart wild auf meinem Kopf und in meinem Gesicht herum, dass er meine Brille so verschob, dass ich nichts, aber auch rein gar nichts mehr sehen konnte. Ein Brillenbügel war an meinem Hals und der andere rutschte an den Haaren immer höher. Gleich würde sie den Kopf verlassen, an meiner Jacke, zwischen Gregors Füßen, dann zwischen Leontines Mantel und meinem Anorak hinuntergleiten, auf dem Boden landen und ... zertreten werden. Ich hatte aber auch keine Hand frei, sie aufzufangen, denn ich hielt ja Leontine.

Es blieb mir nur noch übrig zu rufen: „Hilfe, meine Brille macht sich auf den Weg!“

In diesem Augenblick fassten von der Seite fünf in einem weißen Handschuh steckende Finger in mein Gesicht und griffen doch tatsächlich nach meiner Brille. „Keine Bange, junger Mann, die Brille ist gerettet“, sagte eine tiefe Stimme seitlich neben mir.

Ach, war ich froh. „Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Brille auf dem Kaufhausboden zertrampelt worden wäre. Ich hätte nichts mehr gesehen. Wir hätten nicht nach Hause fahren können, sondern die ganze Strecke laufen müssen. Ohne Brille kann ich nicht Auto fahren“, sagte ich zu den Kindern und drehte mich während des Sprechens zu der tiefen Stimme um.

Und wer stand da neben mir und hatte mir geholfen? Der Weihnachtsmann. Der leibhaftige Weihnachtsmann. Mit rotem Mantel, Kapuze, Handschuhen, Weihnachtssack und Rute.

Leontine auf meinem Arm war auf gleicher Augenhöhe mit ihm. „Hallo Weihnachtsmann“, sagte sie zu ihm und streckte ihm ihre kleine Hand entgegen, die der Weihnachtsmann erfasste und schüttelte. Und schon sagte sie ein Weihnachtsgedicht auf. So hatte sie es im Kindergarten gelernt: Wenn man dem Weihnachtsmann gegenübersteht, muss man ein Gedicht aufsagen.

Der Weihnachtsmann und auch die umstehenden Kaufhausbesucher machten ein frohes Gesicht. Als Leontine fertig war, holte der Weihnachtsmann aus dem Weihnachtssack ein kleines Päckchen und gab es ihr. Sie bedankte sich und gab ihr Päckchen nicht mehr her.

Dann ertönte wieder die Stimme aus dem Lautsprecher an der Decke: „Nummer vierundzwanzig bitte ins Erdgeschoss zu den Herrensocken.“

„Ich werde schon wieder gerufen.“ Der Weihnachtsmann fügte noch kurz hinzu: „Frohe Weihnachten“, drehte sich um und verschwand in der Menge ebenso schnell, wie er aufgetaucht war.

Nun war das Rätsel also gelöst.

„Die Nummer vierundzwanzig ist der Weihnachtsmann, weil Heiligabend am vierundzwanzigsten Dezember ist und sie nicht immer wieder rufen wollen‚ dass der Weihnachtsmann irgendwohin kommen soll“, erkannte Leontine erstaunt.

„Ja, Leontine, du hast recht. Überall wird der Weihnachtsmann gebraucht. Wir sind doch auch froh, dass wir ihn getroffen haben. Du hast nun ein Weihnachtsgeschenk aus der Hand des Weihnachtsmannes und ich habe meine unbeschädigte Brille. Na, und für Gregor wird er bestimmt auch noch etwas im Sack haben. Morgen kommen wir wieder her. Jetzt wissen wir ja, wer mit Nummer vierundzwanzig gemeint ist.“

Und wir alle drei riefen ihm noch nach, obwohl er gar nicht mehr zu sehen war: „Danke, lieber Weihnachtsmann!“

Charlie Hagist ist 71 Jahre alt, verheiratet und hat ein 19-jähriges Enkelkind. Inzwischen sind in mehr als 18 Anthologien seine Geschichten erschienen.

Wünsch dich in Wunder-Weihnachtsland Band 11

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