Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 4 - Martina Meier - Страница 11

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Der weihnachtliche Personal-Shopper

„Verdammt! Jedes Jahr der gleiche Mist!“

Sarahs Kopf war blutrot, der Schweiß strömte von ihrer Stirn. Sie hatte keinen 100-Meter-Lauf in zehn Sekunden geschafft – es war Angstschweiß! Denn: Es war der Morgen des 24. Dezembers und Sarah stand mitten im örtlichen Kaufhaus, um sie herum etwa weitere acht Millionen Menschen, die Last-Minute-Geschenke brauchten.

„Also … okay … ich brauche fünf Geschenke. Mama, Papa, Oma, Opa, Bruder. Fangen wir leicht an. Bruder“, versuchte sich Sarah Mut zuzusprechen.

Aber wie zum Teufel hieß noch mal seine Lieblingsband, von der er die neue CD wollte? The Billers? The Nillers? Keine Ahnung, aber irgendwo würde sie schon was im Elektronikmarkt finden. Einziges Problem: Geschätzte vierhundert weitere Angstschweiß-Menschen tummelten sich vor Flachbildfernsehern, DVDs, CDs und Toastern. Wer schenkte seiner Liebsten zu Weihnachten bitte einen Toaster? Irgendwelche Ideen? Richtig – Männer!

Die Verkäufer hatten sich anscheinend alle versteckt. Bestimmt gab es hier irgendwo eine geheime Tür, hinter der die Verkäufer gerade Mau-Mau spielten oder mit versteckter Kamera die verwirrten Menschen beobachteten.

Keine Hilfe von den Verkäufern? Selbst ist die Frau! Ab zum CD-Regal und nach The Zillers suchen. Gut war natürlich, dass Sarah einfach nur bei „The“ schauen musste und siehe da – The Killers. Genau! Die waren es, die ihr Bruder zur Dauerbeschallung der Wohnung nahm. Aber da ergab sich schon das nächste Problem. Welches Album sollte sie kaufen? Sie kannte keinen einzigen Song mit Namen und konnte nicht ableiten, was ihr Bruder schon auf CD hatte oder nicht. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass ein Junge der im Alter ihres sechszehnjährigen Bruders sein konnte, ebenso einen Blick auf die CDs geworfen hatte.

„Hey, ʼtschuldigung, aber sag mal, welches ist das beste Album von denen?“

„Denen? Du sprichst von The Killers! Da ist jedes Album gut!“ Der für Sarahs fünfzehnjährige Begriffe verdammt gut aussehende Kerl verdrehte gekonnt seine meerblauen Augen und rümpfte kurz die Nase, bevor er dann aber nach einem speziellen Album griff. „Meinen Geschmack trifft das hier am besten.“

„Vielen Dank!“

In jedem halbwegs guten Kitschfilm hätte sie ihn jetzt nach seinem Namen oder seiner Nummer gefragt, ihr wäre irgendetwas Ungeschicktes (sie stolpert, fällt auf ihn, ihre Lippen treffen sich) passiert und das Happy End wäre da. Hier nicht. Hier ging es um das wahre Leben und Weihnachten.

Also hetz, hetz, einfach weiter. Was konnte sie ihrer Oma schenken? Sinnvoll, praktisch, günstig. Einen Schal! Genau! Obwohl sich ihr Kopf noch fragte, ob ein Schal für eine fast Achtzigjährige nicht doch etwas unpassend war, hatten sich ihre Beine bereits in Bewegung gesetzt und zielsicher einen Omi-Laden mit schrecklichen vielen Leoparden- und Zebramustern im Schaufenster als Ziel ausgesucht, in dem es bestimmt auch einen Schal gab.

„Schal … Schal“, murmelte Sarah vor sich hin und streifte durch die Reihen. Jacken, Hüte, Mäntel, Handschuhe ... Wo waren hier bitte die Schals?

„Schals?“, rief Sarah plötzlich laut aus, als würde sie nach ihrem Hund suchen.

„Entschuldigung, kann ich dir behilflich sein?“

„Schals“, sagte Sarah einfach wieder, denn in ihrem Kopf suchte sie schon nach einem Geschenk für ihre Eltern und ihren Opa. Außerdem, und das kam dazu, lief ihr so langsam die Zeit davon. Um zwölf Uhr schloss das Center und es gab Mittagessen.

„Was möchtest du denn für einen Schal?“

„Egal. Günstig.“

Die Dame zog die Augenbraue fast bis zu ihrem Haaransatz empor, so, als ob der Begriff „günstig“ unausstehlich und völlig unpassend für diesen Laden wäre.

„Hier haben wir ein Kaschmir-Exemplar, direkt importiert aus ...“

„Wie teuer?“

„Vierundsechszig Euro neunzig.“

„Fünfundsechszig Euro?“

„Nein, vierundsechszig Euro neunzig.“

„Ich sprach von günstig“, flötete Sarah sichtlich genervt.

Die Verkäuferin verzog ihr Gesicht zu einem hämischen Grinsen. „Ich habe dir den günstigsten Schal gezeigt.“

Leise fluchend verließ Sarah den Laden – ohne Schal, versteht sich. Ein Blick auf die Uhr offenbarte zudem, dass sie noch genau eine Stunde Zeit hatte, bevor es Mittagessen gab und die Läden schlossen. „Geschenke, verdammt, ich brauche was! Irgendwas!“

Vielleicht kamen ihr ja Ideen, wenn sie einfach durch das Kaufhaus ging und ihren Blick schweifen ließ. Doch zu dem Schweifen kam es nicht. Es machte einmal laut rums und Sarah landete auf dem Boden. Mit dem Kerl von eben auf ihr.

„Du?“, hörte sie ihre Stimme und seine zeitgleich. Sofort rappelte er sich hoch, während Sarah völlig irritiert ihr Dies-ist-keine-Lovestory-aus-Hollywood-Mantra aufsagte. Keine Zeit für auch nur irgendwelche kleinen romantischen Gedanken.

„Tut mir leid, ich hab anscheinend nicht aufgepasst“, setzte der Kerl an.

„Ach, du, kein Problem. Alles gut, mir ist nichts passiert.“ Sarah rappelte sich auf und hatte bereits auf der Stelle kehrt gemacht, da hielt er sie am Arm fest.

„Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“

Ganz kurz: Ein Kerl mit meeresblauen Augen, halblangen blonden Haaren, einem verdammt guten Stil und unglaublich toller (und männlicher!) Ausstrahlung empfiehlt dir eine CD, rempelt dich an und lädt dich auf einen Kaffee ein. Und was machst du?

„Tut mir leid, ich habe keine Zeit. Geschenke kaufen.“

„Aber ich möchte wirklich meine Dummheit wiedergutmachen.“

„Ist kein Problem, belassen wir es dabei, okay?“

Was tat man nicht alles dafür, um seiner Familie ein wenig Freude zu bereiten? Man ließ den besten Märchenprinzen einfach links liegen und machte sich auf die Suche nach irgendwas, was man unter den Baum legen konnte.

„Wie wäre es, wenn ich dir beim Einkaufen helfe?“

„Was?“

„Na, es sieht so aus, als hättest du bisher nur ein Geschenk. Und das habe ich dir auch noch ausgesucht.“

„Aber du kennst meine Familie nicht.“

„Du anscheinend aber auch nicht. Ich bin übrigens Fabian.“

„Hi, ich bin Sarah“, die leider keine Zeit für Smalltalk hat, weil sie in circa zwanzig Minuten alle Geschenke haben muss.

„Für wen brauchst du denn noch was?“

„Für meine Mutter, Vater und Großeltern.“

Ein Lächeln huschte über Fabians Gesicht. „Na dann wollen wir mal.“

Sechs Stunden später saß Sarah gemeinsam mit ihren Eltern unterm Weihnachtsbaum. Handgeschnitzte Engel, Lametta in gold und rot sowie bunte Kugeln sorgten für das richtige Weihnachtsfeeling.

„Ich habe auch was für euch“, begann Sarah und griff nach den Geschenken, die sie für ihre Familie eingepackt hatte.

„Für dich.“

„Geil!“, schrie ihr Bruder, als er das neue Album in den Händen hielt.

„Für die beste Mama der Welt.“

„Oh nein, Kind! Vom Winde verweht auf DVD! Ich hab den Film so ewig nicht mehr gesehen!“

„Für Papa.“

„Danke, Liebes. Ein Weizenbierglas kann man immer gebrauchen.“

„Und für euch.“

„Nein wie nett. Ein Gutschein über einen Großeltern-Tag. Wie toll.“

Wäre dies hier ein Hollywood-Film, da war sich Sarah sicher, würde sie jetzt fröhlich und glücklich in die Kamera lächeln und einen Satz sagen wie: „Und ich habe auch mein Weihnachtsgeschenk bekommen. Fabian. Und wir lebten glücklich bis ans Ende unserer Tage.“

Doch da dies nun mal das wahre Leben war, konnte sie nur festhalten, dass sie immerhin seine Handynummer hatte – und aufeinander waren sie immerhin auch schon einmal gefallen.

Alexander Karl, Jahrgang 1989, studiert in Tübingen Medienwissenschaft und Geschichte. Er schreibt gerne Kurzgeschichten und Bücher, macht Sport und unternimmt etwas mit seinen Freunden. Neben bisherigen Kurzgeschichten in Anthologien wird im Frühjahr 2012 sein erster Jugendroman im Papierfresserchens Verlag veröffentlicht.

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