Читать книгу Und alles nur, weil ich anders bin ... - Martina Meier - Страница 12
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In der Fremde
Enge Gassen, schmale Stufen,
Säulen, die einst Meister schufen.
Relikte längst vergang’ner Zeit.
Geschaffen für die Ewigkeit,
nun dem Verfall anheim gegeben,
wie alle Dinge, alles Leben.
Mokkatassen auf den Tischen,
Schwarzer Tee, sich zu erfrischen.
Wasserpfeifen gurgelnd fauchen,
Männer ihren Tabak rauchen.
Nur die Schuhe sind zu seh’n,
von Frauen, die vorübergeh’n.
Braune Augen, dunkle Haut.
Menschen anders, doch vertraut.
Essen, trinken so wie ich,
weinen, lachen, lieben sich,
haben Wünsche, brauchen Räume
zur Erfüllung ihrer Träume.
Fremde Düfte, die sich paaren
mit fremden Lauten in Basaren.
Golden glitzerndes Geschmeide,
dunkle Hölzer, feine Seide.
Farbenfroh in vielen Ecken
Gewürze steh’n in großen Säcken.
Der Muezzin ruft zum Gebet,
zu Allah und zu Mohammed.
Die blaue Kuppel der Moschee
spiegelt sich im klaren See.
Am Horizont das letzte Licht
funkelnd sich in Wolken bricht.
In der Dunkelheit der Nacht
befällt Verzweiflung mich mit Macht.
Ich höre meine Seele schrei’n:
Ich bin fremd hier und allein.
Tränen, lange aufgestaut,
brennen salzig auf der Haut.
Was einst als Paradies erschien,
schmolz die Wirklichkeit dahin.
Wie soll ich hier mein Leben leben?
Was ich auch tu, es geht daneben.
Mir begegnet weit und breit
nur Verständnislosigkeit.
Auf meinem Herzen liegt ein Stein.
Fühl mich frei, darf’s hier nicht sein.
Kafar* beschimpfen mich die Leute.
Als Fremde bin ich leichte Beute,
die man hetzen kann und jagen.
Wie lang noch muss ich das ertragen?
*Kafar = Ungläubige/r
Gerda Winter wurde 1937 in Egestorf/Deister (jetzt Stadt Barsinghausen) geboren. Sie wohnt nun in Hannover. Seit 2004 nimmt sie an Schreibwerkstätten, Lyrik- und Märchenworkshops teil. Ihre Gedichte, Märchen und Geschichten wurden in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Sie absolvierte mehrere Lesungen. Außerdem stellte sie sich auch in der „Plattenkiste“ des NDR 1 Radio Niedersachsen vor.