Читать книгу Und alles nur, weil ich anders bin ... - Martina Meier - Страница 18
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Unersetzbarer Wert des Lebens
„Wo nimmt der Mann nur den Mut her?“, sagen die einen. „Was für ein Wahnsinn!“, sagen die anderen. Wie „das Leben herausfordern“ empfinde ich dieses Extremsport-Projekt: ein Sprung – nicht von der Skischanze, nicht am Bungeeseil oder an einem Fallschirm – nein, der freie Fall erfolgt vielmehr aus der Stratosphäre zur Erde – die Dimension ist für mich ohne jegliche Vorstellung!
Mich beschäftigt das Vorhaben. „Hoffentlich springt er nicht! Er kommt nie und nimmer lebendig auf der Erde an!“, denke ich, als der Tag näher rückt. Froh bin ich, als der Sprung aus witterungstechnischen Gründen abgesagt wird.
Und dann – nur ein paar Tage später – erfolgt der Sprung doch! Der Mensch muss wahnsinnig sein! Warum macht er das? Was will er beweisen – anderen, sich? Warum? Kann Erfolg so vermessen machen? Mancher Behinderte wäre froh, seinem Rollstuhl zu entkommen ... und er legt es – aus meiner Sicht – dabei darauf an, sein Leben zu riskieren. Das wegen des Gewichts notwendigerweise dünne Material des Ballons – allein schon eine Gefahr beim Aufstieg! Würde er frühzeitig platzen, kann sich der Fallschirm nicht entfalten ... Warum gefährdet ein gesunder Mensch derart seine Gesundheit, sein Leben selbst. Gerade ein Mensch, der soviel Ex-tremsporterfahrung hat wie er und sich schon öfter in Graubereiche wagte, müsste durch gemachte Grenzerfahrungen den Wert seines Lebens noch bewusster schätzen, denke ich ...!
Dann, in den Medien, sich überschlagende Meldungen vom geglückten Sprung ...!
Irgendwie atme ich erleichtert auf, um gleichzeitig zu denken: „Hoffentlich kommt da nicht noch etwas nach, wenn er alle ärztlichen Untersuchungen hinter sich hat! Für ein solches Unterfangen ist der Mensch nicht angelegt!“
Über 39.000 m freier Fall, 4,2 Minuten lang in einer Geschwindigkeit, mit der er die Schallmauer durchbrach, die Probleme des unkontrollierten Trudelns, die er in den Griff zu bekommen hatte, bevor ihn spürbar die Bewusstlosigkeit zu erfassen drohte. Die nervliche Anstrengung, Konzentration und der Gedankenablauf in diesen bedrohlichen Momenten – für mich unvorstellbar. Und dann der Moment einer geglückten Landung, die die Welt aufatmen ließ und ihn sicher auch! Er fiel auf die Knie und riss beide Arme hoch.
Es muss wohl neben der Arbeit, die seine ganze Konzentration erforderte, gefühlsmäßig unglaublich viel abgelaufen sein, denn wie man lesen konnte, hat dem Mann der Sprung „keinen Spaß“ gemacht. Ein Moment der Freude kam – Meldungen zufolge – für ihn erst auf, als sich sein Fallschirm öffnete und er sich sicher war, dass er heil auf der Erde ankommen würde. In seiner Seele muss dabei viel passiert sein, denn er hat, wie ich hörte, zeitnah die Entscheidung getroffen, ganz mit dem Extremsport aufzuhören. Das ist für mich ein hoffnungsfrohes Fazit aus diesem, wie durch ein Wunder gut ausgegangenen, aber dennoch fast unwirklichen Unterfangen. Nach diesem unnachahmlichen Sprung kann das tiefe Gefühl der Seele – Achtung vor dem Wert des Lebens und der Schöpfung – nur noch größer geworden sein.
Sieglinde Seiler wurde 1950 in Wolframs-Eschenbach geboren. Sie ist Dipl. Verwaltungswirt (FH) und lebt mit ihrem Ehemann in Crailsheim. Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte. Später kamen Aphorismen, Märchen und Prosatexte hinzu. Ferner fotografiert sie gerne. Bislang hat sie bereits über 200 Gedichte im Internet und in diversen Anthologien veröffentlicht.