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A. Einige Worte vorab
ОглавлениеGottesdienste im Altenheim werden von Vielen als etwas ganz Besonderes beziehungsweise besonders Schönes empfunden1 – zum Beispiel als anregende Abwechslung im täglichen Einerlei notwendiger Einrichtungsroutine (‚Öffentliche Ereignisse mit Event-Charakter‘) oder als Ruheoase und Kraftquelle im oftmals anstrengend-überfordernd erlebten Alltag älter und alt gewordener Menschen (‚Heilsame Unterbrechung‘). Sie werden dementsprechend in erster Linie positiv wahrgenommen, meistens freudig erwartet (mitunter geradezu herbeigesehnt) und in der Regel gern und gut besucht.2 Wer das weiß, wird darum bemüht sein, regelmäßig gottesdienstliche Feiern im Altenheimkontext zu ermöglichen und sie so vor- und nachzubereiten, dass ihr störungsfreier Ablauf gewährleistet ist. Dazu werden engagierte Helfer und Helferinnen benötigt, die Geduld, Einfühlungsvermögen sowie Verständnis für Menschen in besonderen Lebenslagen besitzen und dazu bereit und in der Lage sind, auf unterschiedliche menschliche Voraussetzungen und Bedürfnisse einzugehen. Schließlich sind auch Männer und Frauen, die aufgrund ihres Alters und der damit verbundenen Beschwernisse in einem Altenheim leben, längst nicht alle gleich, sondern individuell verschieden: Manche von ihnen wissen zum Beispiel (noch) sehr genau, wann und wo der für sie vorgesehene Gottesdienst stattfindet; sie können sich selbsttätig und rechtzeitig in die entsprechenden Räumlichkeiten begeben und sie auch mit guter Orientierung wieder verlassen. Andere sind notwendig darauf angewiesen, erinnert oder ganz einfach mitgenommen beziehungsweise gebracht und auch wieder abgeholt zu werden, wenn eine gottesdienstliche Feier stattfindet; sie behalten weder Termine noch Räume im Gedächtnis oder sind anderweitig gehandicapt (zum Beispiel sinnes- und/oder mobilitätsbeeinträchtigt). Einige können problemlos und konzentriert einen Gottesdienst in voller Länge mitvollziehen; andere werden bereits nach kurzer Zeit unruhig und unaufmerksam – sei es, weil ein Kissen im Rollstuhl verrutscht und der Rücken schmerzt oder ganz plötzlich ein unaufschiebbarer Toilettengang ansteht, sei es, weil sich Emotionen regen, die aufwühlen und umtreiben. Ist das eine oder das andere der Fall, bedarf es besonderer Ansprache und alltagspraktischer Unterstützung während des Gottesdienstes;, um größere Irritationen zu vermeiden. Letzteres gilt auch für die Zeit nach dem Gottesdienst, die von vielen Altenheimbewohner/inne/n (wieder) in den eigenen Wohnbereichen und Zimmern verbracht wird. In ihr geht es unter anderem darum, zeitnah dabei zu helfen, Kleider zu wechseln, Schuhe auszuziehen, geschwollene Beine hochzulagern oder einzureiben und währenddessen nach Möglichkeit auch noch auf all die Worte und Gesten zu hören und einzugehen, die der/die Altenheimbewohner/in als Reaktion auf das, was gerade in der gottesdienstlichen Feier gesagt wurde und geschehen ist, vermittelt.
„Fröhliche Karnevalsfeier im Altenheim“
Im Jacobi-Haus Bünde, einem Altenheim in evangelischer Trägerschaft mit erklärt evangelisch-diakonischem Profil, bin ich während meiner Tätigkeit als Pfarrerin in den Jahren 2005 bis 2010 erfreulicherweise von vielen ‚helfenden Händen‘ beziehungsweise engagierten Helfern und Helferinnen unterstützt worden. Meinem spirituell-geistlichen Einsatz wurde ein hoher Stellenwert zugebilligt, und insbesondere das von mir verantwortete Gottesdienstgeschehen erhielt außergewöhnlich viel positive Aufmerksamkeit. Regelmäßig und ganz selbstverständlich sind dementsprechend materielle und vor allen Dingen auch personelle Ressourcen freigesetzt worden, um meine pastorale Arbeit zu fördern und so ‚verkündigende Seelsorge‘ und ‚seelsorgliche Verkündigung‘ im umfassenden Sinne zu ermöglichen. Dieser Umstand hat entscheidend dazu beigetragen, dass ich mich zur Erfüllung (m)eines besonderen Dienstauftrages im Altenheim mit (seinen) spezifischen Herausforderungen und Belastungen befreit und befähigt fühlen konnte. Für mich war und ist das – ich kann nur wiederholen, was ich in meinen Gottesdienstbänden ‚Gnade ist bunt‘ (2008) und ‚Himmelsglanz für dich und mich‘ (2011) bereits formuliert habe – ‚alles andere als selbstverständlich‘. Und darum möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken: Bei Bernd Hainke (Heimleiter), Evelyn Genat (Verwaltungsfachkraft, Mitarbeiterin im Begleitenden Dienst und Seelsorgebeauftragte), Monika Höke-Jung (Diplom-Sozialarbeiterin im Sozialdienst), Anja Schweble, Nastja Weiz (beide bis Juli 2009 Wohnbereichsleitung und später Pflegedienstleitung), Nina Budzyganov sowie Katharina Ens (beide seit August 2009 Wohnbereichsleitung), die hier stellvertretend für alle anderen im Jacobi-Haus in der Pflege und sonstigen Betreuung Tätigen zu benennen sind, und bei all den Ehrenamtlichen, die sich zum Beispiel als ‚Grüne Damen und Herren‘ oder ‘Grüne Patenschüler/innen‘3 eingebracht haben, sowie Dr. Isabelle Lewis, unserer Organistin, der es immer wieder gelungen ist, für schöne und deshalb ansprechende gottesdienstliche Klänge und Töne zu sorgen. Sie alle haben während meiner (Arbeits-)Zeit im Altenheim – und gewiss auch darüber hinaus – durch ihr Engagement dazu beigetragen, dass regelmäßig Gottesdienste angeboten werden konnten und auch Menschen, die aufgrund ihres Alters wenig(er) agil und mobil waren, eine Chance bekamen, sich im Rahmen von gottesdienstlichen Feiern ermutigen, stärken und trösten zu lassen. Mein besonderer Dank gilt all denjenigen Bewohner/inne/n im Jacobi-Haus Bünde, die regelmäßig in die von mir verantworteten Gottesdienste gekommen sind, um mit mir gemeinsam zu singen, zu beten und der Kraft des Wortes Gottes nachzuspüren. Für viele von ihnen war es beschwerlich und mit Anstrengung verbunden, präsent zu, aber sie haben sich immer wieder neu aufgemacht, weil ihnen ganz offensichtlich viel an unserer gottesdienstlichen Gemeinschaft lag.
Und das – wenn auch nicht nur das – hat dazu beigetragen, dass sie mir so richtig ans Herz gewachsen sind und ‚lieb‘ wurden, also zu dem wurden, was in unserer Liturgie mit Hilfe der sehr persönlichen Anrede ‚Liebe Gemeinde‘ ausdrückt werden soll: Ein liebenswertes und liebevoll wahrgenommenes Gegenüber, zu dem es deutlich wahrnehmbare inhaltlich-thematische und vor allen Dingen auch emotionale Verbindungen gibt – lebendige ‚Lebens-Verbindungen‘, die einen Gottesdienst lang bedeutsam sein können, und solche, die ein Leben lang bedeutsam bleiben.
links: Gottesdienst-Mitgebsel auf dem Tisch einer Altenheimbewohnerin
rechts: Autorin mit Gottesdienst-Mitbringsel
1 Diese Tatsache war ausschlaggebend für die Wahl des Haupttitels des vorliegenden Gottesdienstbandes „Leuchtend wie Gottes Regenbogen“. Mit ihr soll deutlich gemacht werden, dass jeder Gottesdienst (auch jeder Gottesdienst im Altenheim!) – ganz so wie ein Regenbogen – als schönes Ereignis, das staunende Freude hervorzurufen vermag, verstanden werden kann beziehungsweise verstanden werden sollte.
2 Im Jacobi-Haus Bünde haben während meiner Zeit dort durchschnittlich vierzig Gemeindeglieder am Gottesdienst teilgenommen; das waren in etwa vierzig Prozent aller beziehungsweise fünfzig Prozent der mobilen Altenheimbewohner/innen.
3 ‚Grüne Patenschüler/innen‘ sind Jugendliche aus Bündener Realschulen, die sich im Rahmen von Schulpraktika im Jacobi-Haus Bünde engagieren; sie besuchen Altenheimbewohner/innen, spielen mit ihnen oder lesen ihnen etwas vor.