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Kapitel 1, Amnesie

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Das Erste, was ich sah, war ein Schimmer rötlichen Lichtes.

Das Erste, was ich hörte, war ein schrilles, regelmäßiges Piepsen.

Das Erste, was ich fühlte, waren Schmerzen überall in meinem Körper.

Und das Erste, was ich dachte – das ließ ganz schön lange auf sich warten.

„Jan, du bist wach!“, hörte ich dumpf eine Stimme neben mir. Ich drehte den Kopf zur Seite und ein Stich im Nacken trieb mir Tränen in die Augen. Ich blinzelte. Ein junger Mann stand neben mir. Er wirkte einschüchternd kräftig und sein kurzgeschorenes Haar war so hell, dass es beinahe weiß aussah. Außerdem lächelte er mir zu.

War ich Jan? Das sollte ich mir merken.

„Wer bist du?“, fragte ich ihn. Meine Stimme klang, als hätte ich sie noch nie verwendet.

Sein Lächeln wich einem verwirrten Ausdruck. „Ich bin Saat, dein Bruder", sagte er in einem Tonfall, in dem man einem Kind das Offensichtliche erklärt.

War ich ein Kind?

Ich sah ihn neugierig an.

„Du erinnerst dich nicht an mich?“, fragte er verwirrt.

„Nein“, sagte ich ehrlich. Ich sah Schmerz in seinen Augen und fühlte mich schuldig. „Aber ich glaube, ich erinnere mich an nichts", fügte ich schnell hinzu.

Er starrte mich an. „Wie meinst du das?“

Ich stellte überrascht fest, dass ich darüber noch nicht näher nachgedacht hatte. Mein Kopf arbeitete unglaublich langsam.

„Ich... ich weiß nicht, wer ich bin", murmelte ich.

Und endlich wurde mir bewusst, wie enorm hier etwas nicht in Ordnung war. Mit einem Mal schnürte sich mein Hals zu und Panik schwappte in einer heißen Welle durch meinen Körper. Ruckartig setzte ich mich auf, was eine Explosion lähmender Schmerzen in mir auslöste. Alles Blut schien aus meinem Kopf in meinen Körper hinabzustürzen und zurück blieben dumpfe Hitze und ein brüllendes Rauschen. Ich sah nur noch Schwärze und überall aufblitzende Sterne. Und dann fühlte ich mich selbst zusammensacken.

Erneut öffnete ich die Augen. Saat saß auf einem Stuhl in einer Ecke des Zimmers.

„Saat“, murmelte ich. „Was ist passiert?“

„Da bist du ja wieder", sagte er erleichtert. „Der Arzt meinte, du hattest einen Kreislaufzusammenbruch.“

Ich sah ihn verwirrt an. Einen Kreislaufzusammenbruch? Ich hatte das Gefühl, schwer verletzt zu sein!

„Vorhin, als du zusammengesackt bist", erklärte Saat, als er meinen Blick sah.

„Aber... warum bin ich hier - im Krankenhaus?“, fragte ich. Warum sperrte mich mein Kopf aus?

Er zögerte. „Du weißt wirklich nicht mehr, was geschehen ist?“

Ich schüttelte den Kopf.

Sein Ausdruck war schwer zu deuten. „Ihr hattet einen Autounfall. Ma, Pa und du.“

Ein Unfall... mit meiner Mutter und meinem Vater! Der Gedanke an meine Eltern schien den Nebel in meinem Kopf zumindest ein wenig zu kräuseln. „Wo sind sie?“, fragte ich hoffnungsvoll.

Saat antwortete nicht, doch da war ein Ausdruck in seinen Augen, der mir Angst machte. „Was ist passiert?“, wiederholte ich meine ursprüngliche Frage.

Er sah zu Boden. „Ihr seid in eine Schlucht gestürzt", sagte er leise. „Sie... sie sind wahrscheinlich beide tot. Man hat nur das leere Auto gefunden... Natürlich ist der Fluss abgesucht worden, aber ohne Erfolg.“

Ich schwieg erschrocken. Wie trauerte man um Menschen, an die man sich nicht erinnern konnte?

Nach einer Weile stellte ich vorsichtig die Frage, die mich am meisten beschäftigte.

„Wie habe ich überlebt?“

Ich war erleichtert, in Saats Blick keinen Vorwurf zu erkennen, dass ich hier war, während seine - unsere - Eltern tot waren.

„Man hat dich in einem Gestrüpp am Abhang hängend gefunden. Du hast schwere Kopfverletzungen, gebrochene Rippen, Brüche in Armen und Beinen... Als ich dich zum ersten Mal so gesehen habe... - Aber die Ärzte meinen, du hattest unglaubliches Glück.“

„Wann ist das alles passiert?“

„Vor acht Tagen.“

„Ich war acht Tage lang bewusstlos?“

„In künstlichem Tiefschlaf. Erst seit Kurzem hängst du nicht mehr am Beatmungsgerät.“

Das erklärte meine Halsschmerzen - ein Schlauch in der Luftröhre hinterließ Spuren.

Ich beobachtete Saat. Er wirkte erschöpft. Er musste viel durchgemacht haben in den vergangenen acht Tagen.

Plötzlich erschauderte ich. Ich hatte wohl unglaubliches Glück gehabt, mit dem Leben davongekommen zu sein - mit nichts als ein paar Verletzungen, die hoffentlich wieder heilen würden. Na ja, und mit Amnesie.

„Sind wir endlich wach", kam eine gelangweilte Stimme von der Tür her. Eine kleine Ärztin trat ins Zimmer. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, steuerte sie auf die piepsenden Geräte links neben mir zu. Ich sah meinen Bruder fragend an und er zuckte mit den Schultern.

„Wie geht es uns?“, fragte sie, während sie auf Zehenspitzen stehend die Bildschirme ablas.

Saat nickte mir aufmunternd zu.

„Ich glaube, den Umständen entsprechend gut“, antwortete ich ihrem Rücken.

Das schien sie zu überraschen, denn nun drehte sie sich zu mir um. Sie musterte mich kritisch - vermutlich enttäuscht, dass ich weder blinkte noch piepste. „Ihr Bruder hier teilte uns mit“, sagte sie schließlich, „dass Ihre Erinnerung beeinträchtigt sei. Ich nehme an, dieser Zustand dauert nicht weiter an?“

„Doch", sagte ich.

„So? Beschreiben Sie.“

Ich überlegte kurz. „Ich erinnere mich an nichts, was mich selbst betrifft. Ich weiß nicht, wo ich herkomme oder was in meinem Leben bisher geschehen ist. Ich weiß nur, dass ich all diese Dinge eigentlich wissen sollte. Ich fühle mich, als wäre eine Wand zwischen mich und mein Gedächtnis ge-“

„Kurz“, unterbrach sie mich, „Sie erinnern sich nicht an Ihre eigene Biographie. An keinen Teil davon? Etwa Ihre Kindheit?“

„Nein.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. Seltsamerweise sah sie dadurch keine Spur weniger gelangweilt aus. „Wenn das stimmt, haben wir hier sogar eine äußerst tiefgehende Amnesie - mit einem ungewöhnlich gefassten Patienten. Keine Verwirrung, keine Apathie, kein Herumgeheule. Na, mir soll es recht sein.“

Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Ärztin nicht besonders mochte.

Sie notierte etwas auf meinem Krankenblatt. „Heute Vormittag hatten wir eine Panikattacke", sagte sie dabei.

„Aha", machte ich, und fragte mich, warum sie mir das erzählte.

„Mir wurde gesagt, dass es sich um einen Kreislaufzusammenbruch handelte", wand Saat ein. „Er hat sich so schnell aufgerichtet, wegen des Schocks...“

„Wenn Sie das sagen."

„Ach Sie reden von mir!“, rief ich.

„Gei-sti-ge Ver-wirrt-heit“, notierte sie seufzend.

„Ich - Nein!“, protestierte ich.

„Haben wir noch immer Angstzustände? Fühlen wir uns orientierungslos? Ist uns schlecht?“

„Es geht mir schon viel besser“, sagte ich ein wenig beleidigt. Die hatte doch nicht alle Tassen im Schrank...

„Hat Ihnen Ihr Bruder die näheren Umstände bereits erklärt? Was geschehen ist und wie Sie hierher kamen?“

„Ja. Das heißt... was meinen Sie mit hierher kamen?“

„Aus Slowenien?“, sagte sie ungeduldig.

„Schon gut", sagte Saat und wirkte verärgert. „Das kann er noch nicht wissen. Das wollte ich... ihm erst noch erzählen.“ Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das nicht stimmte.

„An gegebene Informationen erinnern wir uns aber?“, fragte die Ärztin.

Ich nickte.

„Ausgezeichnet", sagte sie und notierte wieder etwas auf meinem Krankenblatt.

„Warum?“

„Retrograde und anterograde Amnesien treten häufig in Kombination auf", sagte sie abwesend.

„Retro... was?“

Sie warf mir einen Blick zu, als ob mich das alles nichts anginge. „Bei einer retrograden Amnesie vergessen wir Vergangenes“, erklärte sie schließlich seufzend. „Bei einer anterograden Amnesie können sich Patienten nichts Neues mehr merken. Furchtbar anstrengend. Hat keinen Sinn, mit denen überhaupt zu reden.“ Sie lachte über ihren eigenen Scherz, offenbar nicht im Geringsten davon berührt, dass wir sie nur entgeistert anstarrten. Wahrscheinlich war sie diese Reaktion bereits gewohnt. „Sie werden jedenfalls noch genauer untersucht“, fuhr sie fort. „Und unseren Diagnosen entsprechend therapiert, falls dies von Nöten sein sollte. In den meisten Fällen sind Amnesien jedoch von kurzer Dauer.“

Ich freute mich. „Und meine Verletzungen?“

„Sind morgen auch noch da", sagte sie mit einem Blick auf ihre Uhr und schlurfte gemächlich aus dem Raum.

Saat sah ihr kopfschüttelnd hinterher. „Seltsamer Mensch...“

„Was ist mit Slowenien?“, fragte ich ihn umgehend.

Er zögerte ein wenig. „Du wurdest vor ein paar Tagen von einer slowenischen Klinik hierher überstellt. Der Unfall ist in Slowenien passiert, ihr wart dort... auf Urlaub.“

„Wo sind wir hier?“

„In Tromsø.“

„Norwegen", sagte ich. „Ich bin Norweger?“

Er nickte.

So hatte ich wieder etwas gelernt. Ich, Jan, Norweger.

In der Nacht fühlte ich mich elend. Der dicke Vorhang, den jemand vor das Fenster gezogen hatte, ließ nur entlang der Ränder ein wenig Licht herein. Ich hatte Schmerzen und ich hatte Angst. Ich fühlte mich unendlich verloren in meiner Amnesie. So sehr ich auch versuchte, mich zu kennen, es gelang mir nicht. Ich fühlte mich weniger als allein, denn ich hatte nicht einmal mich selbst.

Ich drückte auf den Pfleger-Knopf und ein junger Mann kam in den Raum. Er gab mir etwas gegen die Schmerzen und ich fragte ihn nach seinem Namen. Er hieß Björn, doch Björn war müde, das war seine zweite Nachtschicht in Folge. Bald begann ich die Wirkung des Schmerzmittels zu fühlen und ich ließ mich dankbar in Benommenheit und Gedankenleere fallen.

Als ich zum nächsten Mal erwachte, war es wieder hell im Raum und eine Pflegerin stand an meinem Bett. Ich musste einige unangenehme Krankenhausdinge über mich ergehen lassen und fand sie beinahe unterhaltsam. Zum Glück war Saat bald wieder da. Trotz meiner schlechten Nacht fühlte ich mich viel wacher als noch am Vortag.

„Leben wir hier?“, fragte ich ihn.

„Im Krankenhaus? Zum Glück nicht.“

„In Tromsø meinte ich doch!“

„Ich weiß", lachte er.

Saat nicht immer ernst nehmen, notierte ich mir in Gedanken.

„Du hast bisher mit unseren Eltern in Oslo gewohnt. Ich bin schon seit ein paar Jahren in Tromsø und du wirst von nun an auch hier leben, bei mir.“

„Oh. Ähm... danke!“

Er lachte, als hätte ich etwas Seltsames gesagt. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Er war wirklich nett.

„Wie alt bin ich?“ fragte ich.

„Du bist diesen Sommer 16 geworden, am 13. Juli. Heute haben wir den 22. August.“

„Und gehe ich noch zur Schule?“

„Ja. Ich habe hier auch schon eine Schule für dich ausgesucht. Aber im Moment ist daran natürlich noch nicht zu denken...“

„Schade", grinste ich.

„Freu dich nicht zu früh“, sagte er. „Es wird nicht einfach werden, alles nachzuholen. Die Direktorin war nur schwer davon zu überzeugen, dich später einsteigen zu lassen.“

„Das schaffe ich schon", sagte ich und klang dabei sehr viel selbstsicherer, als ich mich fühlte. Ich nutze die Gelegenheit für eine Bitte, die mir ein wenig peinlich war...

„Saat, könntest du mir einen Spiegel bringen?“

„Sind wir ein wenig eitel?“, grinste er.

Ich fühlte, wie ich rot wurde. „Ich muss doch wissen, wie ich aussehe!“

Er lachte. „Natürlich. Ich muss dich aber warnen, du siehst dir im Moment nicht gerade ähnlich...“

Er verschwand im Badezimmer und kurz darauf war ein unangenehmes Knirschen zu hören.

„Ich kann auch jemanden vom Krankenhaus fragen!“, rief ich, denn Saat sah nicht gerade zimperlich aus. Da kam er auch schon mit einem großen Spiegel in den Armen wieder.

„Da hängt noch eine Fliese dran", lachte ich.

Grinsend bohrte er seine Finger unter das Stück Porzellan und zupfte es ab, als wäre es ein Streifen Klebeband.

„Krasse Nägel!“, stellte ich fest.

Saat zuckte nur mit den Schultern und hielt mir den Spiegel vors Gesicht.

Ich erschrak. Ich sah wirklich schlimm aus. Ich hatte dunkle Krusten im Gesicht, über einer geschwollenen Nase eine Schiene, schwarze Schatten um die Augen und einen dicken, weißen Verband um den Kopf.

„Ich habe dich ja gewarnt", meinte Saat und zog den Spiegel zurück.

„Nein, warte!“, sagte ich. Ich hatte hinter all den Verletzungen gerade Züge entdeckt, die mir zwar nicht bekannt, aber zumindest auch nicht fremd waren. Grünblaue Augen blickten mir entgegen und kamen mir für mich passend vor. Mein Gesicht war schmal und mein Haar, das unter dem Verband hervorstand, war nicht ganz so blond wie Saats. Ich berührte es mit meiner eingegipsten Hand, zeigte mir selbst die Zähne und drehte den Kopf zur Seite, bis Saat anfing zu lachen und mich Prinzessin nannte. Ich wurde schon wieder rot und er brachte den Spiegel zurück, bevor die seltsame Ärztin uns erwischte. Zufrieden berichtete er, dass er durch bloßes Andrücken wieder perfekt hielt.

In dieser Nacht erwachte ich, als im Badezimmer etwas krachend zu Boden fiel und, so klang es, in tausend Scherben zersprang.

In den kommenden Tagen ging die Heilung meiner Verletzungen zügig voran, meine Erinnerung jedoch hielt sich hartnäckig verborgen. Die Ärzte durchleuchteten mein Gehirn und suchten nach Verletzungen, jedoch vergeblich. Ich war froh darüber, sie wirkten frustriert. Ich wurde an Psychologen weitergereicht und die konzentrierten sich erst einmal darauf, herauszufinden, ob ich nicht alles nur simulierte. Mein sonstiger geistiger Zustand war so gut, dass dieser Verdacht anscheinend nahelag. Im Endeffekt wurde alles auf das Trauma meines Unfalls geschoben und fleißig daran gearbeitet, dieses Trauma freizulegen.

Saat brachte mir haufenweise Bücher mit, die ich regelrecht verschlang. Ich musste die Lücken in meinem Gehirn doch zumindest mit irgendetwas füllen. Außerdem versuchte er mir zu helfen, indem er mir von unserer gemeinsamen Kindheit erzählte. So erfuhr ich, dass wir am Stadtrand von Oslo aufgewachsen waren, in einem kleinen Haus, mit unseren Eltern und unserer Großmutter.

„Oma Maja war das Herz der Familie“, sagte er lächelnd. „Sie war Mas Mutter und hatte keine Enkel außer uns - Ma war Einzelkind, Pa übrigens auch. Sie hat immer auf uns aufgepasst und mit uns gespielt. Wir hatten so viel Spaß mit ihr! Am liebsten haben wir Bauklotzburgen gebaut, die dann von den Hunnen belagert wurden. Das waren unsere beiden Kaninchen, Löffel und Gabel... - Was soll ich sagen, wir waren kreative Kinder...“ Er grinste und kratzte sich am Kopf. „Was noch?“

Ich erfuhr über Dominobahnen durch das ganze Haus, vielbeschäftigte Eltern und Streiche, die Saat anstellte. Ich lächelte - und erinnerte mich an absolut nichts.

„Als du zehn Jahre alt warst, starb Oma Maja. Nach ihrem Tod verkauften unsere Eltern das Haus und wir zogen in eine Wohnung im Stadtzentrum. Für dich war eine Welt zusammengebrochen. Du hast kaum noch mit anderen Kindern geredet und dich komplett zurückgezogen. Pa schickte dich zu verschiedensten Vereinen und Kursen, damit du Kontakt zu Gleichaltrigen fandest. Er brachte dich sogar persönlich dorthin, als er herausfand, dass du ständig geschwänzt hast. Anfangs hast du dich gewehrt und dann aus Trotz dort eben wieder mit niemandem geredet, wie in deiner neuen Schule. Ich muss zugeben, dass ich das damals ziemlich lustig fand und dich darin bestärkt habe. Ich tat zu dieser Zeit mit Hingabe alles, was Pa ärgerte. Die Kommunikation zwischen mir und unseren Eltern war nicht immer die beste... Deshalb bin ich auch zum Studium hierher in den Norden gegangen. Um dich habe ich mir Sorgen gemacht, ich kam mir vor, als würde ich dich im Stich lassen. Aber du bist eigentlich gut alleine zurechtgekommen, wie sich herausstellte.“

„Ich hatte wirklich keine Freunde?“, fragte ich mit gerunzelter Stirn.

„Um ehrlich zu sein, nein. Aber du warst zufrieden damit! Und daran ist doch nichts auszusetzen.“

„Nein...", sagte ich zögerlich. Ich hasste es, dass mir das alles so unendlich unbekannt war.

Je näher ich mich Saat fühlte, desto mehr fragte ich ihn über unsere Vergangenheit aus - doch je mehr ich nachfragte, desto trauriger wurde er. Und so ließ ich es schließlich bleiben, widerwillig zwar, aber an seiner Reaktion merkte ich, dass er mir dafür dankbar war.

„Was bei euch sonst noch so los war, weiß ich nicht“, sagte er bald. „Wir hatten wenig Kontakt, sobald ich in Tromsø war. Du hast jedenfalls die untere Sekundarstufe dieses Jahr ziemlich gut abgeschlossen, das habe ich mitbekommen. Dann hat Ma mir noch am Telefon erzählt, dass ihr nach Slowenien fahren würdet. Und das nächste, was ich von euch gehört habe, war die Nachricht über euren Unfall.“ Einen Moment lang schwieg er. „Weißt du, Jan“, sagte er schließlich, „auch wenn sie keine perfekten Eltern waren... ich wünschte, man würde sie zumindest finden und wir könnten sie beerdigen.“

Wann immer die Sprache auf den Tod unserer Eltern kam, fühlte ich mich besonders unwohl. Ich hatte das Gefühl, ich sollte um sie trauern, doch nicht einmal auf Fotos kamen sie mir auch nur im Geringsten bekannt vor. Ein Familienalbum war vor ein paar Tagen aus Oslo angekommen, eine Umzugsfirma hatte unsere Wohnung dort geräumt und alle persönlichen Dinge nach Tromsø überstellt. Es anzusehen war frustrierend. Auch Saat als Kind, meine Großmutter und sogar mein eigenes, sehr viel jüngeres Ich waren mir völlig unbekannt. Aus der Zeit nach Oma Majas Tod gab es keine Bilder mehr.

Robinson.Leva

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