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Kapitel 5, Leva

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Nach zwei Anrufen bei Luigis Pizzakolosseum erwischte Dala die Nummer des Taxiunternehmens. Dann gab es für uns nichts mehr zu tun, als zu warten. Dala schlief erschöpft auf der Rückbank ein und ich griff zögerlich nach meinem Handy. 13 versäumte Anrufe von Dala DeLuca stand dort. Darunter war eine ganze Liste von Textnachrichten. Es waren immer verzweifeltere Warnungen. Gerade als ich meine Sprachnachrichten abhören wollte, war der Akku leer. Ich war beinahe froh darum. Ich schaltete das Radio an, um mich abzulenken und versuchte, mich auf die Musik zu konzentrieren. Dieses Lied hatte ich bestimmt seit Jahren nicht – ach... Ich hatte es überhaupt noch nie gehört. Nicht in diesem Leben jedenfalls. Ob man sich an etwas so Absurdes wie Amnesie überhaupt gewöhnen konnte? Mit einem Mal erinnerte ich mich an mein größtes Problem, bevor das alles hier geschehen war. Unglaublich, dass das erst wenige Stunden her war. Dalas Verhalten, plötzlich tat es wieder weh. Ich beobachtete sie durch den Rückspiegel, wie sie mit zuckendem Gesicht schlief. Sie war wohl nur deshalb wieder hier bei mir, weil in der Zwischenzeit... Ich runzelte die Stirn, plötzlich verstand ich alles sogar noch weniger. Dala wusste Dinge über Saat, von denen ich keine Ahnung hatte, aber über mich wusste sie nichts? Wie hatte sie herausgefunden, was er plante, sie hatte ihn doch noch nicht einmal getroffen! Oder etwa doch? Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie in etwas Böses verwickelt war. Es musste ein Zufall sein. Ja, sie hatte zufällig etwas beobachtet, was Saat gemacht hatte... Vielleicht war sie bei mir zu Hause gewesen um mit mir zu reden - heute, als ich längst von der Schule zurück sein hätte sollen. Und Saat - ja, was hatte Saat gemacht? Was hatte sie gesehen? Wollte sie sich deshalb mit mir beim Hafen treffen? Um mich zu warnen?

Sie schnarchte ein wenig.

Auf jeden Fall war sie eine wahre Heldin. Meine Heldin. Wie könnte ich ihr überhaupt noch Vorwürfe machen wegen gestern, nach allem, was sie heute für mich getan hatte? Sie war erschrocken, wer konnte ihr das verdenken? Es ist erschütternd, wenn der Glaube, jemanden zu kennen mit einem Schlag zerstört wird. An Saat nur zu denken ließ mein Herz rasen.

Endlich kam das Taxi. Ich winkte es heran und weckte Dala sanft auf. Saats Wagen ließen wir einfach am Straßenrand zurück.

„Wohin?“, fragte der Fahrer, als wir uns Tromsø näherten.

Das war eine gute Frage. Ich konnte unmöglich nach Hause!

„Du kommst natürlich mit zu mir", sagte Dala, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Ich war erleichtert und der Fahrer genervt.

„Und jetzt soll ich wissen, wo das ist?“

Dala nannte ihre Adresse und für einen Moment wurden Anspannung, Verwirrung und Schmerz von einer sehr alten Freude verdrängt: Dala lud mich zu sich nach Hause ein.

Als wir ankamen, war ich überrascht, wie schnell die Fahrt vergangen war. Erschrocken fiel mir ein, dass ich überhaupt kein Geld hatte, doch Dala winkte ab und bezahlte den mürrischen Fahrer mit nassen Scheinen.

Das Haus war groß und weiß und stand inmitten eines etwas verwilderten Gartens. Dala führte mich in eine weite Eingangshalle und bat mich, kurz zu warten. Mit Orangensaft, Brot und einer kleinen Plastikdose unterm Arm kam sie wieder. Ich folgte ihr eine marmorne Treppe hinauf in ein riesiges Zimmer. Obwohl es protzig eingerichtet war, hatte es eine tröstliche, beruhigende Wirkung auf mich. Jeder Winkel verriet, dass hier Dala lebte. Die Bilder, die sie an die Wände gemalt hatte, waren noch schöner, als ich sie mir jemals hätte vorstellen können.

Dala ließ sich auf ihr Bett niedersinken, schüttelte ein paar Tabletten aus der Plastikdose und spülte sie mit sehr viel Orangensaft hinunter.

„Was ist das?“, fragte ich erschrocken.

„Eisentabletten", sagte sie mit geschlossenen Augen. Sie war leichenblass.

Ich griff nach der Dose. Nahrungsergänzungsmittel zur Einnahme bei Eisenmangel stand darauf. „Bist du sicher, dass du so viele nehmen solltest?“

Sie antwortete nicht mehr, doch als ich mich über sie beugte, ging ihr Atem ruhig und gleichmäßig. Ich saß noch eine Weile neben ihrem Bett am Boden, dann wankte ich erschöpft zu einer kleinen roten Couch und rollte mich darauf ein.

Keuchend schreckte ich auf und erst als ich Dala sah, begriff ich, wo ich war. Das Zimmer wurde vom sanften Licht der Nachtsonne erhellt. Ich wusste, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich stand auf und sah mich um. Gleich neben meinem Sofa stand ein alter Plattenspieler mit einer großen geschwungenen Schallmuschel. Rundherum auf dem Boden lagen stapelweise Schallplatten und CDs. Die Stereoanlage dazu entdeckte ich im Regal daneben. Es enthielt ein buntes Gemisch von Dingen, von Büchern bis zu einem Glasauge – hoffentlich kein Geschenk aus dem Altersheim. Lange betrachtete ich die Wandbilder. Von einer Blumenwiese in silbernem Mondlicht flog ein Schwarm schwarzer und weißer Schmetterlinge auf. Die Vordersten umflatterten – auf der nächsten Wand - eine lebensgroße Elve, die den Arm nach einer glühenden Sonne über Dalas Bett ausstreckte. Planeten kreisten um die Sonne und wurden von Lianen umrankt, die aus einem Urwald entsprangen. Darin entdeckte ich unzählige Augenpaare. Aus dem Dickicht heraus ragten zwei Arme und hielten ein Terrarium. Das Terrarium war echt, es stand unter einem der mächtigen Fenster. Darin wuchs Gras und neben einem Teich entdeckte ich den Bewohner des kleinen Reichs: Eine Schildkröte, kaum so groß wie meine Handfläche, musterte mich neugierig und ließ dabei ein halb zerkautes Gänseblümchen fallen. Ihr Panzer war bizarr gemustert. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass ihr Dala Federn gemalt hatte. Sie sah aus wie eine besonders dicke Wachtel mit vier Beinen. Ich lächelte. Dala...

Erst als mein Magen knurrte, bemerkte ich meinen großen Hunger. Ich aß ein Stück vom Brot, das Dala auf den Schreibtisch gelegt hatte. Da klopfte es leise an der Tür. Ich zuckte zusammen.

„Dalaphne, bist du noch wach?“, fragte eine Männerstimme mit leichtem Akzent. Die Klinke wurde nach unten gedrückt, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Dala hatte abgesperrt. Das hieß wohl, ihr Vater sollte nicht wissen, dass ich hier war. Stumm wartete ich, bis sich seine Schritte über die Treppe wieder entfernten.

Nun da ich wusste, dass ich das Zimmer vorerst nicht mehr verlassen konnte, musste ich plötzlich unheimlich dringend zur Toilette. Ich erinnerte mich, dass die Blumenwiese an der Wand über eine zweite Tür verlaufen war und zappelte hoffnungsvoll darauf zu. Tatsächlich, dahinter befand sich ein Badezimmer.

Beim Händewaschen sah ich mich selbst im Spiegel und erschrak. Mein Hals war blutverschmiert und Abdrücke von Saats Fingern waren als blaue Flecken auf meiner Haut zu sehen. Seine Nägel hatten verkrustete Schnitte hinterlassen.

Mein Puls beschleunigte sich.

Zurück im Zimmer bei Dala kauerte ich mich auf der Couch zusammen und fürchtete mich vor dem Einschlafen.

Als ich am Morgen erwachte, saß Dala aufrecht in ihrem Bett und frühstückte. Erleichtert stellte ich fest, dass ihre Wangen wieder einen Hauch von Rosa zeigten. Auch ihre Stimme klang schon kräftiger.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte sie.

Ich zuckte mit den Schultern. „Du?“

„Wie ein Stein.“ Sie gähnte. „Und das ist ein Ausziehsofa.“

Ich blinzelte verwirrt.

„Das Sofa, auf das du dich da gezwängt hast – man kann es zu einem Bett machen.“

„Oh", machte ich. „Es war schon in Ordnung so...“ Mein Rücken knackte. „Wie geht es dir?“

„Schon viel bescher!“, sagte sie mit vollem Mund. „Und dir?“

„Ich fühle mich ein wenig... krank. Aber das sind bestimmt nur die Folgen von gestern.“

Sie wirkte bekümmert und ließ sich nicht davon abhalten, mir eine Decke zu bringen.

Wir frühstückten stumm.

„Heißt du wirklich Dalaphne?“, fragte ich irgendwann.

„Woher“ - sie hustete - „weißt du das?“

Ich musste lächeln über ihr empörtes Gesicht. „Gestern Abend hat jemand angeklopft.“

Sie verdrehte die Augen. „Vater... Du hast ihm doch nicht geantwortet? Oder aufgemacht?“

„Nein.“

„Gut.“ Sie wirkte erleichtert. „Rob, es ist furchtbar wichtig, dass er dich nicht sieht.“

„Schon klar", sagte ich. „Ein Junge, in deinem Zimmer, in der Nacht...“

„Auch nicht bei Tag.“

„Oh. Okay. Ist er zu Hause? Jetzt gerade meine ich?“

„Nein, er hat Wochenenddienst, aber... Rob, du wirst für längere Zeit hierbleiben müssen und Vater darf es wirklich nicht wissen.“

„Wieso müssen?“, fragte ich verwirrt. „Ich meine, versteh mich nicht falsch, ich bin furchtbar froh wenn ich bleiben kann, aber-“ Plötzlich hielt ich inne. „Ist es wegen Saat? Es ist wegen Saat, nicht wahr? Dala, was weißt du über ihn?“

„Ich... nein, also es ist nicht direkt wegen ihm...", sagte sie abwehrend und bohrte mit einem Finger in ihrem Brot herum.

„Dala, bitte sag mir endlich, was du weißt!“, sagte ich und zog ihre Hand vom Teller weg. „Es macht mich verrückt, das alles nicht zu verstehen! Und dir geht es doch jetzt besser...!“

Sie zögerte und zupfte ein Stück Schinken von ihrem Finger. „Ja, du hast recht", sagte sie schließlich. „Es hat keinen Sinn das hinauszuschieben. Es ist nur... so furchtbar schwierig! Die Sache ist so kompliziert und... Rob, du... du darfst dir nicht erwarten, dass diese Erklärung einfach für dich wird...“

„Mache ich nicht", sagte ich schnell. Dass das keine Geschichte über Sonnenblumen und Pandabären sein würde, war mir klar.

„Wo soll ich bloß anfangen?“, murmelte sie und ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Ich wollte nicht, dass sie jetzt auch noch Zeit brauchte zu überlegen.

„Woher hast du gewusst, was Saat vorhatte?“, fragte ich schnell. „Denn das hast du gewusst, nicht wahr? Und wie hast du uns wirklich dort draußen gefunden? - Nur Glück, das kann ich nicht glauben. Hast du sogar gewusst, wohin er mich bringen würde? Warum hast du dann nicht gewusst wann? Und wie konntest du uns trotzdem noch einholen? Und-“

„Rob!“, unterbrach sie mich. „So einfach ist das nicht! Da ist so vieles, was du nicht weißt!“

Ich wurde ungeduldig. „Dann erkläre es mir doch endlich!“

„Was glaubst du, was ich hier gerade versuche?“, rief sie.

Jetzt blieb ich still. Sie klang wirklich überfordert.

„Mein ganzes Leben...", sagte sie schließlich leise, „wurde mir beigebracht, nichts zu verraten. Und jetzt hab ich sogar... - Aber ich hatte keine andere Wahl!“

„Dala, ich verstehe kein Wort", sagte ich vorsichtig.

Sie sah mich an. „Natürlich...“ Sie atmete tief durch. „Also... also es ist so. Da ist vieles... was die Menschen über diese Welt nicht wissen.“

Ich runzelte die Stirn. „Klar.“

„Ja, nur... ich rede hier nicht von Dingen, die sie noch nicht erforscht haben. Was ich dir erzählen muss, ist eine Sache, die bewusst und gezielt vor ihnen verborgen wurde... und wird. Jetzt kling' ich für dich wahrscheinlich wie eine verrückte Verschwörungstheoretikerin. Aber es ist wahr. Es betrifft mich selbst. Rob, du wirst das für eine sehr große Sache halten, aber... bitte glaub mir, ich bin noch immer dieselbe! Und du... auch du...“

„Dala, was möchtest du mir sagen?“

Sie sah mich an, als wäre es aussichtslos. „Die Menschen wissen nicht, dass es da auch noch-“, begann sie halbherzig und brach gleich wieder ab. „Ach, was soll das Ganze? Du würdest mir ohnehin kein Wort glauben.“

Sie stand auf und ging vom Bett weg.

„Nein, Dala bitte rede weiter!“, sagte ich und bemühte mich, weniger zweifelnd auszusehen. Sie ignorierte mich, schloss die Vorhänge und begann, ihr T-Shirt auszuziehen.

„Oder auch nicht...", murmelte ich und schluckte. Darunter trug sie noch immer dieses seltsame Ding, das ich schon am Strand an ihr gesehen hatte. Es lag eng an ihren Oberkörper an, schillerte und war kurios gemustert. Und mit einem Mal begann es, sich zu bewegen! Erst auf den zweiten Blick glaubte ich meinen Augen und starrte fassungslos darauf.

Es lebte.

Von beiden Seiten um sie geschlungen, war es dabei, sich zu entfalten.

Ich wich entsetzt zurück.

Bald trug Dala oben herum nichts mehr als ihre Unterwäsche und ich nahm es nicht einmal wahr, so irritiert war ich von... von diesen dünnen Flächen, die sich da hinter ihrem Rücken ausbreiteten. Sie waren schon beinahe weiter, als Dala groß war.

„Was ist das?“, rief ich, sobald ich Luft bekam.

Dala seufzte und drehte sich um. Ein Glitzern ging durch den Raum, als sich die Flächen mitdrehten. Sie waren mit ihrem Rücken verschmolzen, rechts und links von ihrer Wirbelsäule mir ihrer Haut... verwachsen!

„Was ist das?“, wiederholte ich keuchend.

„Mann, jetzt sei nicht so schwerfällig!“, schimpfte Dala. „Das sind Flügel, was sonst!“

Die Flächen begannen zu schwingen, unglaublich schnell und ein starker Luftstoß traf mich ins Gesicht. Im selben Moment hoben ihre Füße vom Boden ab.

Ich schrie auf.

„Also echt. Ihr Menschen seid so... verstockt! Was ist schon dabei? Viele Tiere können das!“, rief Dala genervt über das Flattergeräusch hinweg, während sie sich einen Meter in der Luft schwebend zu mir umdrehte.

Ich starrte sie an, mein Herz raste und ich zitterte. Was für ein Albtraum war das? Das wurde immer schlimmer! Mein Bruder wollte mich umbringen, meine beste Freundin packte ihre Flügel aus...! Konnte ich nicht einfach zurückkehren in mein ganz normales Leben als ganz normaler Jugendlicher? Mit ein wenig Amnesie?

„Das ist doch nicht normal...", jammerte ich, als Dala zu Boden zurückgekehrt war und sich der Knoten in meinem Hals so weit gelöst hatte, dass ich krächzen konnte.

„Klar ist das normal, ihr wisst nur nicht, was normal ist", sagte sie cool, während sich ihre Flügel zusammenzogen. Sie schlangen sich wieder dicht um ihren Oberkörper, als würden sie sie von hinten umarmen. Sie hob ihr T-Shirt vom Boden auf und streifte es über. Jetzt stand sie wieder als ganz normale Dala vor mir. Als Dala, meine einzige Freundin. Dala, die mich gerettet hatte.

Doch auch als unheimliche, angsteinflößende, abartige Dala.

Ich starrte auf die Stelle, an der sie geschwebt war, während sie die Wurstbrote einsammelte, die ich überall verteilt hatte. Ich konnte nicht glauben, was gerade geschehen war. Es war völlig unmöglich. Das konnte es nicht geben!

Und doch, fast konnte ich den Luftstoß auf meiner Haut noch fühlen... Ich schielte auf Dala. Sie offen anzusehen, wagte ich nicht. Was war das bloß? Lebendig und mit ihr verwachsen! Wie konnte das ein Teil ihres Körpers sein? Ich begann an meinem Verstand zu zweifeln.

'Klar ist das normal', hatte Dala gesagt. Also wenn das normal war...! Und 'Verstockt' hatte sie mich genannt, weil ich geschrien hatte! Da möchte ich sie mal sehen, wenn ich plötzlich in der Luft herumschwirrte. 'Ihr Menschen seid so verstockt' hatte sie gesagt! Was sollte das denn heißen? War sie etwa kein Mensch? Ich konnte kaum glauben, dass ich das wirklich in Betracht ziehen musste. Mit einem Mal stürzte alles auf mich ein. Mir wurde schlecht. Ich sprang auf und rannte ins Badezimmer.

Minutenlang hing ich mit dem Kopf über der Toilette, bis die Übelkeit nachließ. Mit eiskaltem Wasser wusch ich mir am Waschbecken Hände und Gesicht, dann starrte ich in mein Spiegelbild. Ich sah verstört aus, wie ein gejagtes Tier und beinahe so blass, wie Dala es gestern gewesen war. Irritiert wandte ich mich ab. Ich musste herausfinden, was hier los war.

Mit klopfendem Herzen ging ich zurück ins Zimmer. Dala saß noch immer an derselben Stelle und blickte mir besorgt entgegen. Sie kaute nervös auf ihrem Piercing herum. Als ich sie so sah, tat sie mir mit einem Mal Leid. Ich erinnerte mich, wie furchtbar ich mich gefühlt hatte, als sie so erschrocken auf mein Amnesiegeständnis reagiert hatte.

Ich holte tief Luft und fragte so ruhig ich konnte: „W-was meinst du mit 'ihr Menschen'...? Bist du denn kein... keiner?“ Ausgesprochen klang das noch viel absurder.

„Nein! Also ja, ich meine, irgendwie...“ Sie rang nach Worten und mir wurde schon wieder schlecht. „Als ich das sagte... Also, Rob, es tut mir leid, dass ich das so gesagt habe, ich habe nicht nachgedacht. Klar, dass dich das verunsichern würde...!“

„Du bist kein Mensch...", flüsterte ich entsetzt.

„Doch!“, rief Dala schnell. „Doch, ich bin ein Mensch.“

Mein Gehirn brauchte ein paar Sekunden, eine passende Reaktion darauf zu finden. Erleichterung, das war es.

„Wenn auch... mit gewissen Besonderheiten", fügte sie hinzu.

Plötzlich fing ich an, hysterisch zu lachen. „Das konnte ich sehen!“, keuchte ich und fuchtelte mit der Hand in der Luft herum.

Dala lächelte. „Ja, die Flügel... Muss ziemlich hart sein für einen Menschen, damit konfrontiert zu werden...“

Mein Lachen verstummte. „Du hast es schon wieder gemacht.“

„Was gemacht?“

„Dich von den Menschen ausgenommen!“

„Oh, tut mir leid. Es fällt mir nur schwer, mich als Menschen zu bezeichnen. Auch wenn ich das natürlich im Grunde bin!“, versicherte sie mir schnell. „Aber wir nennen uns eigentlich nie so, immer nur Leva.“

„Ihr... Leva“, krächzte ich. „Das...“ - ich räusperte mich - „Das heißt, es... es gibt mehrere von euch?“

„Ja, es gibt mehrere von uns.“

Ich nickte stumm vor mich hin. Mehrere also. So. So war das.

Ich konnte fühlen, dass mich Dala beobachtete. Ich entwirrte meine Arme, die ich um meinen Bauch geschlungen hielt.

„Ich hätte es dir doch schonender beibringen sollen", sagte sie entschuldigend. „Aber... ehrlich gesagt bezweifle ich, dass du mir auch nur ein Wort geglaubt hättest.“

„Das bezweifle ich auch", sagte ich schwach.

„Wahrscheinlich hättest du mich für verrückt gehalten.“

„Menschen mit Flügeln, das ist doch abartig...“

„Was heißt hier abartig?“, protestierte Dala und blickte plötzlich nicht mehr mitleidig, sondern empört.

„Also, das musst du doch zugeben...!“

„Uns hat die Natur hervorgebracht, genau wie euch! Und mit deutlich mehr Fantasie, das sei mal gesagt!“

Ich lachte verwirrt.

„Nimm mich ernst!“, schimpfte sie. „Was gibt's da zu lachen?“

„Nichts“, sagte ich schnell. „Ich habe nur... Du bist immer noch du. Das ist... beruhigend.“

Sie schmollte weiter.

„Das mit dem 'abartig' tut mir leid.“

„Du nimmst es zurück?“

„Ich sage... überraschend.“

Sie lächelte.

Irgendwie hatte es Dala geschafft, mich aus meiner Schockstarre zu holen. Manchmal musste ich noch gegen den Impuls ankämpfen, mich summend im Kreis zu drehen – ein Teil von mir hielt das für eine gute Idee. Doch schon eine halbe Stunde später diskutierte ich mit ihr.

„Du bist dir sicher, dass ihr eine andere Menschenart im wissenschaftlichen Sinn seid?“, fragte ich. Ich fand es beruhigend, mich in dieser paradoxen Situation auf mein Schulwissen zu stützen.

„Ja.“

„Art, nicht Rasse. So wie die Neandertaler eine andere Art waren?“

„JA.“

„Aber ich dachte, vom Menschen gibt es nur noch diese eine Art! Homo sapiens, die Art, der wir alle angehören, egal woher wir kommen!"

Dala seufzte. „Natürlich dachtest du das, die Menschen wissen ja nichts von uns.“

„Richtig", murmelte ich verwirrt. „Aber... warum?“

„Wir verstecken uns.“

„Aber warum!?“

„Kannst du dir das nicht denken, warum? Die Menschen führen doch gegen alles Krieg, was nicht genau ist wie sie. Was sie nicht kennen macht ihnen Angst, also machen sie es platt. Die bekämpfen sich ja untereinander schon, nur weil sie nicht alle an dasselbe glauben oder genau gleich aussehen. Wenn wir da mit unseren Flügeln auftauchten, wären wir so gut wie tot.“

Ich protestierte. „Bei weitem nicht alle Menschen sind so!“

„Es braucht auch nicht viele, um die anderen mitzureißen oder zumindest zum Schweigen zu bringen.“

„Aber wenn ihr nun schon seit Jahrtausenden ganz normal unter den Menschen gelebt hättet...“

„Auch Rassen und Religionen gibt es seit Jahrtausenden. Außerdem haben die Menschen lange Zeit von uns gewusst - und uns dabei fast immer verfolgt!“

Ich sah sie überrascht an. „Die Menschen haben von den Leva gewusst?“

„Na was glaubst du, wo all die Legenden von geflügelten Menschengestalten herkommen? Die Lilith, die es schon bei den Sumerern gab, Isis, Nephtys und andere bei den Ägyptern, die Nike in der griechischen Mythologie, Victoria bei den Römern", zählte sie an ihren Fingern auf. „Feen in der keltischen und romanischen Mythologie, Samovila in der slawischen, Elven oder Alben in der nordischen, Síde in der inselkeltischen, Garuda in Indien, Tengu in Japan, Diwata auf den Philippinen und so weiter.“

„Das seid alles ihr?“

„Wir sind die Inspiration. Wie sonst hätten die verschiedensten Kulturen auf der ganzen Welt auf dieselbe Idee kommen sollen?“

„Ja...", murmelte ich und überlegte. „Aber... es spricht meiner Meinung nach nicht gerade dafür, dass Menschen euch feindselig gegenüberstehen. Solche Wesen wurden doch von ihnen verehrt! Sogar Engel werden in den verschiedensten Religionen mit Flügeln dargestellt!“

„Teufel genauso... Rob, ich verstehe ja, dass du die Menschen verteidigen willst. Aber überleg mal: Mit unseren Flügeln hätten wir eine erfolgreiche Art auf dieser Welt sein können, doch wir kamen nie richtig auf. Irgendetwas hat unsere Zahl ständig dezimiert. Und es deutet nun mal alles darauf hin, dass das immer schon die Menschen waren. Schau dir an, wie wir unsere Flügel um uns schlingen. Damit können wir sie problemlos vor den Menschen verbergen und für ihresgleichen gehalten werden. Wie hat sich das wohl entwickelt?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Und wir wissen, dass viele Leva noch bis in die frühe Neuzeit furchtbar gelitten haben. Sie wurden als Dämonen, Magier oder Hexen verfolgt und hingerichtet. Die Angst, entdeckt zu werden, trieb sie in Verstecke, schnitt sie noch mehr von der Gesellschaft ab und stürzte sie in bittere Armut. Teilweise glaubten sie sogar selbst, an einer schrecklichen Krankheit zu leiden oder vom Teufel heimgesucht zu sein. Sie lebten in kleinsten Gruppen über die ganze Welt verstreut und wussten oft nicht einmal, dass sie nicht allein waren in dieser 'Abart'. Erst im 17. Jahrhundert haben sie begonnen, sich zu organisieren. Sie begannen, ihre Andersartigkeit gezielt zu verbergen. Und gerade ab diesem Zeitpunkt flaute die Hexenverfolgung ab.“

„Moment, du willst damit sagen, dass die Hexenverfolgung vor allem auf die Leva abgezielt hat?“, fragte ich ungläubig.

„Natürlich wurden im Endeffekt viel mehr Menschen umgebracht. Aber die Leva bildeten die Grundlage, ja. Sie waren für die Ankläger die vereinzelten Beweise für die Existenz von, sagen wir Teufeln oder Dämonen. Sie sahen sie in der Nacht über den Himmel fliegen und schon waren es Hexen, auf Besen. Als die Leva von der menschlichen Bildfläche verschwanden, gingen den Menschen diese gelegentlichen Beweise eben aus. Und zusammen mit der Aufklärung bedeutete das das Ende der Hexenverfolgung.“

„Warum gibt es dann keine Aufzeichnungen von ihnen?“, fragte ich, als könnte ich mit Logik die Existenz der Leva anfechten. „Inquisitionsverfahren und Hexenprozesse wurden doch auch dokumentiert!“

„Solche Aufzeichnungen gibt es bestimmt, nur wurden sie eben später nicht mehr ernst genommen. Vielleicht sind ja auch einige der alten Darstellungen von Menschen mit Flügeln in Wirklichkeit Aufzeichnungen über die Leva!“

„Ja...", sagte ich zögerlich. „Aber was ist mit irgendwelchen Fossilien, die ganz eindeutige Beweise für eure Existenz wären?“

„Die Flügel zerfallen, wenn wir tot sind, da sind keine Knochen drin. Außerdem haben wir Wissenschaftler, die sich unter den Menschen einen guten Ruf erarbeitet haben. Die würden wenn nötig Spuren verwischen oder Expertisen erstellen, von wegen 'kuriose Laune der Natur, aber aus diesen und jenen Gründen längst ausgestorben'. Also wir haben gewisse Notfallstrategien. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen unter all den verstreuten Überresten von Lebewesen gerade welche finden, die uns verraten könnten, ist aber ohnehin ziemlich gering. Es hat im Verhältnis wohl immer schon extrem wenige Leva gegeben.“

„Wie viele gibt es denn?“

„Heute knapp viertausend auf der ganzen Welt.“

„Viertausend? Das ist doch nicht wenig!“, rief ich.

„Na hör mal! Im Vergleich zu Milliarden von Menschen? Vater sagt immer, mit unserer kleinen Familie wäre Norwegen eigentlich schon überbevölkert - dabei gibt es hier noch ein paar mehr.“

„Schon, aber viertausend Leva vor den Menschen zu verstecken...!“

„So gesehen hast du natürlich Recht. Es ist schwierig und verlangt größte Disziplin von uns allen. Dementsprechend streng sind unsere Gesetze und auch die Bestrafungen, wenn man sie bricht. Zum Glück glaubt aber sowieso kaum jemand einem Menschen, der doch einmal etwas von uns sieht. Meist glauben sie sich's ja selbst nicht einmal.“

„Ihr habt Gesetze?“, fragte ich erstaunt.

„Klar. Wenn sowas funktionieren soll, braucht es Regeln. Es gibt einen Rat und es gibt den 'Arm'. So nenne wir die, die dafür sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden. Die sind furchtbar wichtig, weil... auch wenn sich alle bemühen, die Geheimhaltung nicht zu gefährden, gibt es immer wieder Leva, die es doch tun.“ Sie schwieg einen Moment lang. „So wie ich zum Beispiel.“

„Du? Was hast du gemacht?“, fragte ich erstaunt.

„Na denk mal nach! Was mach ich hier denn gerade? Geheimhaltung ist was anderes!“ Sie wirkte ziemlich elend.

Ich sah sie forschend an. „Warum machst du es dann?“, fragte ich vorsichtig.

„Weil ich keine andere Wahl habe“, sagte sie leise. „Rob, das schlimmste Verbrechen hab ich gestern schon begangen. Als... als du beinahe gestorben wärst. Als ich dich gerettet habe.“

„Du hättest mich nicht retten dürfen?“, fragte ich erschrocken.

„Schon, aber... nicht so.“

„Was...“, begann ich nervös. „Was hast du denn gemacht?“

Sie schien sich innerlich zu winden. „Ich... ich hab dich geimpft."

„Wie meinst du das?“

Sie knetete ihre Hände und rutsche unbehaglich am Bettrand hin und her. „Wir Leva können... wir können Blut durch unsere Zähne drücken. Ich habe dir mein Blut eingeimpft. Über deinen Hals. Der hohe Sauerstoff- und Energiegehalt darin hat dich gerettet.“

„Das war dein Blut, der heiße Strom?“, rief ich erschrocken.

Sie nickte.

„Du hast mich gebissen! Ihr... ihr seid Vampire!“

„Nein sind wir nicht!“, rief Dala gereizt. „Hörst du mir überhaupt zu?“

„Schon klar, ihr seid völlig natürlich“, sagte ich schnell. „Aber Vampirgeschichten gibt es doch auch überall auf der Welt!“

Dala schloss kurz die Augen. „Ja. Nur haben die Menschen das falsch verstanden: Wir trinken kein Blut, wir geben es.“

„Natürlich“, nickte ich.

Sie kaute auf ihrem Piercing herum. Sie wirkte ziemlich verzweifelt.

„Keine Sorge Dala... Ich werde niemandem davon erzählen", sagte ich und versuchte zu lächeln.

Sie starrte zu Boden. Ich stupste ihr sanft in die Seite. „Hey, dein Rat wird es gar nicht mitbekommen!“

„Rob, du verstehst überhaupt nichts!“, rief sie wütend.

Ich erschrak und ihr Ausdruck wurde traurig. „Tut mir leid...", flüsterte sie und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. „Ich hab nur so furchtbare Angst...“

Ich streckte unsicher einen Arm nach ihr aus.

„Rob, bitte zieh mal deinen Pullover aus", sagte sie da plötzlich. „Ich will deinen Rücken sehen.“

Verwundert gehorchte ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr meine Schultern dabei schmerzten.

„Oh Mann...", flüsterte sie.

„Was?“

Sie führte mich vor den Spiegel ins Badezimmer. Zwei lange, rote Beulen hatten sich auf meinem Rücken gebildet, zu beiden Seiten meiner Wirbelsäule.

„Was ist das?“, fragte ich erschrocken.

Sie trat nervös von einem Bein aufs andere. „Als ich dich geimpft habe, also da... Mann ist das schwierig, du wirst durchdrehen!“

„Dala, was?“

„Da... da ist außer dem Sauerstoff, der dich gerettet hat, noch etwas anderes in deinen Körper gelangt. Meine DNA und Botenstoffe mit außergewöhnlichen... Eigenschaften.“

„Botenstoffe? Was für... wird das... du meinst damit... - Hat das Auswirkungen auf meinen Körper?“

„Ja“, sagte sie leise.

Jetzt hatte ich wirklich Angst. „Welche Auswirkungen?“

„Du wirst dich verändern. Es ist der eigentliche Sinn des Impfens. Was du da an deinem Rücken siehst... diese Beulen - dein Körper ist auf Hochtouren dabei, neue Zellen zu bilden... die dann zu neuen Geweben werden. Muskeln, Nerven, Blutgefäße... Und im Endeffekt... im Endeffekt...“

„Was?“

„Flügel.“

Entsetzt fasste ich nach meinem Rücken. Ich stellte nicht einmal mehr in Frage, ob das wahr sein konnte. Dieser Tag hatte mich gelehrt, das Unglaubliche zu glauben. Ich starrte in den Spiegel und meine Hände schoben sich sinnlos über die Beulen, versuchten sie flach zu drücken. Meine Augen waren panisch und Dala, Dala stand da, ratlos, hilflos, ein paar Schritte hinter mir.

„Was hast du gemacht?“, keuchte ich und stürmte an ihr vorbei. Die Zimmertür war versperrt, doch der Schlüssel lag auf dem Schreibtisch, mein Pullover daneben. Ich riss mich von Dala los, die nun an meinem Arm hing, und rannte die Treppe hinab.

„Rob, es tut mir leid!“, hörte ich sie rufen.

Ich lief zur Haustür hinaus, durch den Vorgarten und die Straße entlang. Ich war völlig überfordert, ich wollte nur fort. Ich rannte immer weiter, durch Straßen, die ich nicht kannte. Nach und nach verdrängten die Erschöpfung und die Regelmäßigkeit der Bewegung alle Gedanken und Gefühle aus mir. Irgendwann ließ ich mich einfach auf den Boden fallen und blieb liegen, bis ich wieder ruhig atmen konnte und noch länger.

Eine kleine, alte Frau kam herbeigehumpelt. „Mein Gott, Junge, was fehlt dir denn?“, fragte sie.

Ich ignorierte sie.

„Du kannst doch nicht auf der Straße liegen!“

Ich stand auf und ging wortlos davon. Schon nach wenigen Minuten tat mir das Leid. Sie hatte mir helfen wollen. Ich kehrte um und lief zurück, doch sie war verschwunden. Ich schämte mich und wusste nicht, was ich tun sollte. Lange stand ich einfach nur da, erstarrt, leer, ratlos, bis meine Beine sich wie von selbst in Bewegung setzten.

Ich brauchte lange, bis ich Dalas Haus wieder gefunden hatte. Die Eingangstür war unversperrt. Ich fürchtete, dass Dalas Vater inzwischen zu Hause sein könnte und schlich so leise ich konnte nach oben.

Dala lag zusammengekauert auf ihrem Bett und schlief. Daneben am Boden standen ein leeres Glas und die Plastikdose mit den Eisentabletten. Plötzlich wusste ich, warum sie die nehmen musste. Sie hatte mir so viel von ihrem Blut gegeben, dass sie selbst beinahe zu wenig gehabt hätte. Am Strand wäre sie beinahe ohnmächtig geworden und nur mit Mühe und Not hatte sie es bis zum Auto geschafft. Es war ihr erbärmlich gegangen. Sie hatte mir das Leben gerettet und ich hatte ihr Vorwürfe gemacht und war davongelaufen. Am Liebsten wäre ich auf der Stelle wieder abgehauen. Ich ging zur Tür, sperrte ab und rollte mich auf dem Teppich vor ihrem Bett ein.

Plötzlich saß sie neben mir.

„Rob, es tut mir so leid!“, flüsterte sie, als sie bemerkte, dass ich wach war. „Bitte glaub mir, das war bestimmt nicht, was ich wollte! Es war die einzige Möglichkeit! Du wärst tot gewesen, bevor ich es geschafft hätte, dich zur Oberfläche zu ziehen!“

„Nein, Dala, mir tut es Leid. Du hast mir das Leben gerettet. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“

„Das... das verstehe ich doch...“ Plötzlich begann sie, heftig zu blinzeln. „Ich bin nur so froh, dass du zurückgekommen bist!“ Sie warf sich mir um den Hals.

Ich ignorierte den Schmerz in meinem Nacken und tätschelte hilflos ihren Rücken.

„Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich wollte dir nachlaufen, aber du warst zu schnell...!“

Meinem schlechten Gewissen half das nicht gerade. „Ich habe einfach Luft gebraucht", sagte ich halbherzig.

Sie ließ mich los. „Rob, wenn du das nächste Mal Luft brauchst, bitte streck den Kopf zum Fenster raus.“

„Dala, ich... ich habe bereits mein Gedächtnis verloren. Nun habe ich das Gefühl, auch noch den Rest von mir zu verlieren.“ Es fiel mir nicht leicht, das zu sagen. Ich wusste noch immer nicht, wie sie nun zu meiner Amnesie stand.

Sie sah mich nicht an, doch sie nahm meine Hand. Das genügte mir.

„Das mit den Flügeln hat mich einfach fertig gemacht“, sagte ich leise. „Es macht mich immer noch fertig. Wie ist das bloß möglich? Werde ich zum Leva?“

Sie nickte wortlos.

Ich war in einer Fabelgeschiche gelandet. Ich lag zitternd auf der Couch, kauerte mich zusammen, zog mir die Decke über den Kopf, bis ich plötzlich das Gefühl hatte zu ersticken und sie panisch von mir riss. Ich hatte geglaubt, Antworten von Dala zu bekommen, stattdessen hatte sie mir neue verstörende Dinge gezeigt und gesagt. Ich richtete mich auf und starrte hinüber zu ihr in ihrem riesigen Bett. Ich musste erfahren, was sie über Saat wusste.

Als ich jedoch über ihr stand und ihr verkrampftes Gesicht sah, ihr Zucken im Schlaf, brachte es nicht über Herz, sie aufzuwecken. Mir wurde zum erstem Mal so richtig bewusst, wie schwierig das alles auch für sie sein musste.

Robinson.Leva

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