Читать книгу Der Tod in Venedig von Thomas Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL - Mathias Kieß - Страница 4

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Was Thomas Mann seiner Hauptfigur Gustav von Aschenbach bescheinigt, hat er mit dem Tod in Venedig längst selbst erreicht: Den Eingang in den Kanon der Schullektüre. Abiturthemen zu der Novelle sind keine Seltenheit und noch heute, über hundert Jahre nach der Veröffentlichung, beschäftigen sich zahlreiche Gymnasiasten mit der verbotenen Liebe des Protagonisten und sollen ihre eigene Schreibweise an der von Thomas Mann bilden. »Das scheint nahezuliegen, ist diese Erzählung doch in einem klassizistischen Stil von marmorner Perfektion geschrieben«.1 Darüber hinaus ist es vor allem die fein eingewobene Symbolik und der damit verbundene Themenreichtum, die Literaturwissenschaftler dazu veranlassen, von »Thomas Manns dichtester Prosaarbeit«2 zu sprechen, und die den Leser des Tod in Venedig auch zur mehrmaligen Lektüre einlädt.

Bereits der bestimmte Artikel, also das erste Wort im Der Titel Titel der Novelle Der Tod in Venedig, zeigt diese Dichte an. Es handelt sich hier um mehr als einen beliebigen Todesfall in der beliebten Touristenstadt. Die oberflächliche Handlung ist schnell zusammengefasst: Ein erfolgreicher und gut situierter Autor, Gustav von Aschenbach, entschließt sich zu einer Reise gen Süden und landet schließlich in der Lagunenstadt, wo er sich, selbst jenseits der Fünfzig, in einen Vierzehn- oder Fünfzehnjährigen verliebt. Aufgrund der Nähe zu dem Jungen bleibt er in der Stadt, obwohl er um den Ausbruch der todbringenden Cholera weiß. Das Ende und der Tod des Protagonisten überraschen aufgrund des Titels kaum.

Das »Der« im Titel verweist auf die Personifizierung des Leitmotive: Der Tod …Todes, die besonders im Umgang mit Seuchen und Epidemien gang und gebe ist. Man denke nur an Bezeichnungen wie »Der Sensenmann« oder »Der schwarze Tod«. Auch in Thomas Manns Novelle ist der Tod scheinbar ständig anwesend. Zahlreiche Nebenfiguren und Gegenstände sind symbolisch aufgeladen und verweisen auf das tragische Ende der Geschichte.

Ein anderer Themenkomplex, der sich durch die gesamte Novelle zieht, ist ein ständiger Rückbezug auf die … und die Antike Antike: Die sprachliche Ausgestaltung und der Aufbau der Novelle hat ebenso antike Vorbilder wie die meisten der Nebenfiguren. Der platonische Dialog Phaidros wird mehrmals in längeren Abschnitten wörtlich zitiert und es finden sich zahlreiche Anspielungen auf die griechische und römische Mythologie, die sich auch in der Metaphorik Thomas Manns niederschlagen. Die beiden Leitmotive – Antike und Tod – treffen in verschiedenen Nebenfiguren aufeinander.

Die 1911 geschriebene und 1912 veröffentlichte Novelle wird von Literaturwissenschaftlern als Versuch angesehen, die deutsche Klassik im 20. Jahrhundert wiederzubeleben. Dieser Ansatz, der sogenannte Literarische Strömung: Neoklassizismus …Neoklassizismus, ist zeitgleich auch in der bildenden Kunst und in der Architektur zu erkennen. Für diese Zuordnung der Novelle spricht nicht nur die eben erwähnte Rückbesinnung auf die Antike, sondern auch der gehobene Stil Thomas Manns und das bewusste Zurücknehmen von modernen Elementen.

Andere Literaturwissenschaftler sehen im Tod in Venedig den Höhe- und Endpunkt der Literaturepoche … oder Fin de siècle?des sogenannten Fin de Siècle. Sowohl die Hauptfigur und ihr deutlich jüngeres Lustobjekt als auch der Hauptschauplatz Venedig weisen einige Dekadenz-Motive auf: Der (kulturelle) Verfall der Stadt zeigt sich nicht nur an ihren Gebäuden und Plätzen, sondern auch an ihren Bewohnern. Aschenbachs Niedergang ist zunächst psychischer und dann auch physischer Natur.

Der Tod in Venedig von Thomas Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL

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