Читать книгу Der Tod in Venedig von Thomas Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL - Mathias Kieß - Страница 5

2. Inhaltsangabe Erstes Kapitel

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Das erste Kapitel (S. 9–18) spielt in München, genauer am Nordfriedhof und der nahen Ungererstraße, wohin die Hauptfigur Gustav Aschenbach von seiner Wohnung in der Prinz-Regentenstraße aus einen Spaziergang unternimmt. Während der Ort der Handlung genau beschrieben wird und real nachvollziehbar ist, bleibt die Zeit ungenau: Es ist Anfang Mai im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Die Handlung setzt also in der Gegenwart beziehungsweise der unmittelbaren Vergangenheit des Autors Thomas Mann ein (Entstehungszeit der Novelle: 1911).

Aschenbach ist ein erfolgreicher Autor, der aufgrund seiner schriftstellerischen Leistung seit seinem fünfzigsten Geburtstag das Adelsprädikat »von« führen darf (S. 9). Seine Arbeit am Vormittag versetzt den Schriftsteller in eine rastlose Stimmung, so dass er seinen sonst üblichen Mittagsschlaf nicht halten kann und stattdessen Regeneration an der frischen Spaziergang durch München Luft sucht. Er beobachtet eine Weile das frühsommerliche Treiben im Englischen Garten und vor einem Wirtshaus, bevor er die Straßenbahn zurück in die Innenstadt nehmen will (S. 10). Während er an der menschenleeren Station wartet, zieht ihn die Aussegnungshalle des Nordfriedhofs in ihren Bann. Die Architektur der Halle wird beschrieben und Aschenbach liest die Inschriften auf den zum Verkauf stehenden Grabsteinen. So vergehen einige Minuten, bis der Protagonist einen fremden Mann bemerkt.


Abb. 1: Aussegnungshalle des Münchener Nordfriedhofs. – Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0/Rufus46

Der Fremde Dieser taucht scheinbar plötzlich vor dem Tor der Halle auf. Sein Äußeres wird genau beschrieben: Er ist mittelgroß, rothaarig, »mager, bartlos und auffallend stumpfnäsig« (S. 11), hat blasse Haut und Sommersprossen. Er sieht nicht bayrisch aus, auch wenn er einen landestypischen Rucksack trägt. Seine Füße sind gekreuzt, während er auf seinem Spazierstock lehnt. Als der Fremde den musternden Blick Aschenbachs kriegerisch erwidert, ist dieser »peinlich berührt« (S. 13) und setzt seinen Spaziergang entlang des Friedhofs fort.

Auch wenn er den Fremden nach wenigen Minuten aus seinem Bewusstsein verdrängt hat, so beeinflusst ihn »das Wandererhafte in der Erscheinung« (S. 13) doch unterbewusst. Ein Gefühl von Leidenschaft macht sich breit, und seine Sinne täuschen ihn. Einbildungskraft und Beobachtung des Protagonisten vermischen sich: So nimmt Aschenbach seine Umgebung nun als Wildnis von Farnen, Palmen und Bambus wahr. Er beobachtet fremdartige Vögel, schwimmende Blumen und sogar ein kauernder Tiger wird erwähnt (S. 14). Dies alles fasst Aschenbach als » Reiselust Reiselust« (S. 13) zusammen, die anschließend in »Fluchtdrang« (S. 16) und »Sehnsucht ins Ferne und Neue« (S. 16) gesteigert wird.

Auch wenn Aschenbach als Angehöriger des privilegierten Bürgertums stets nach Belieben verreisen kann, hat er das Reisen bisher als » Reisen als »hygienische Maßregel«hygienische Maßregel« (S. 14) betrachtet. Das bedeutet, es ist stets Mittel zum Zweck. Nach Phasen des intensiven Arbeitens ist Erholung vonnöten, damit die Produktivität des Autors aufrechterhalten werden kann. Eigentlich ist er »der Zerstreuung […] abgeneigt« und kein »Liebhaber der bunten Außenwelt« (S. 15). Alles, selbst seine Freizeitgestaltung, ist seiner schriftstellerischen Tätigkeit untergeordnet. Noch nie hat er Europa verlassen, und die meiste Zeit verbringt er in seiner Wahlheimat München oder auf dem nahegelegenen Landsitz. Mehr braucht es normalerweise nicht. Erst mit der Erscheinung des Fremden ändert sich dies. Zwar ist sich Aschenbach weiterhin seiner Liebe zur Arbeit bewusst, doch sie wird immer mehr zum täglichen Kampf, und der »wachsenden Müdigkeit« (S. 16) kann er immer weniger standhalten.

Auch wenn die Nation sein Werk lobe, so bemerkt der Autor, fehle es ihm längst an Feuer und Freude. Eine Reise scheint der einzige Ausweg: Weiter als zu seinem Landsitz mit den vertrauten Bergwänden und doch nicht bis zu den Tigern, sondern für drei oder vier Wochen an »irgendeine[n] Allerweltsferienplatze« (S. 18). Während er in die Straßenbahn einsteigt, schaut sich Aschenbach noch einmal nach dem geheimnisvollen Fremden um, findet ihn jedoch nicht. Er fasst den Entschluss zu reisen Entschluss, noch am Abend ein geeignetes Reiseziel zu suchen.

Die Äußere Handlung und innere Entwicklung äußere Handlung des ersten Kapitels ist denkbar schnell zusammengefasst: Aschenbach spaziert durch München, erblickt einen Fremden und tritt den Nachhauseweg mit der Tram an. Entscheidend ist jedoch die innere Entwicklung der Hauptfigur. Die scheinbar beiläufige Begegnung am Rande des Friedhofs löst einen Gedankenstrom aus, der mit dem Entschluss zu einer Reise nach Süden endet.

Der Tod in Venedig von Thomas Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL

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