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Es war noch nicht einmal Sommer, die erste Woche im Juni, und doch schon ein schwüler, dunstiger Tag auf dem Feuerschiff Texel. Alles dampfte: die See unter der stechenden Sonne, das geschrubbte Deck vor den geöffneten Bullaugen, das Haschee auf den Tellern der Maschinisten und Matrosen.

Der Koch, der den Männern wie gewohnt in der Reihenfolge ihrer Dienstjahre die Teller gefüllt hatte, war auf dem Weg zur Kombüse in der Tür stehen geblieben und hatte sich umgedreht, die leere Schüssel noch in den Händen.

So stand er da und schaute den Männern beim Essen zu.

Der jüngste Matrose blickte von seinem Teller auf und stieß den Maschinisten neben sich an. Der legte seine Gabel hin, und bald starrten alle den Koch an.

»Alles in Ordnung, Lammert?«, fragte Henk Kaag, der älteste Matrose.

Aber der Koch antwortete nicht.

Am Vormittag war es in der Kombüse ungewöhnlich heiß gewesen. So heiß, dass es Lammerts Routine störte. Nachdem er sich beim Schälen ein paarmal in die Finger geschnitten hatte, warf er sein Schälmesser klappernd auf die Arbeitsplatte, stieß die beiden widerspenstigen Verriegelungshebel der Tür zum Deck auf, legte die Schulter an das Metall und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen.

Langsam wie der Tag selbst setzte sich die schwere Stahltür in Bewegung.

Lammert betrat das Deck und kniff im gleißenden, vom Wasser zurückgeworfenen Licht die Augen zusammen. Er hatte Zwiebeln zu schneiden, das Wasser mit den Kartoffeln kochte auf hoher Flamme, das Schmorfleisch musste umgedreht werden, trotzdem blieb er stehen und blickte übers Meer.

Alles schien normal zu sein, doch unter dem Geräusch des Dieselgenerators, das aus dem Bauch der Texel aufstieg, schwoll ein tieferes Dröhnen an. Der Koch hatte mit den Händen den Rand des Schanzkleids umfasst. Er spürte, wie das Geräusch nicht nur den Schiffsrumpf mitschwingen ließ, sondern auch irgendetwas in einem wenig besuchten Winkel seiner Erinnerung. Er trat einen Schritt zurück, als wollte er sich im Schatten des überhängenden Bootsdecks verbergen, und drückte an der stählernen Wand der Kombüse den Rücken durch. Er hätte auch wieder hineingehen können, zu dem Fleisch, das in der heißen Butter karamellisiert wurde, zu dem Topf, in dem das Wasser halb verdampft war, zu den zur Hälfte geschälten Zwiebeln, die vom anschwellenden Dröhnen vibrierten.

Aber er blieb im Schatten stehen, bis er sah, wie der Bug eines vorbeifahrenden Schiffs die gläserne Wasserfläche wellte und durchbrach.

Es war ein Liberty-Frachter, von den Jahren gezeichnet, Rost um die Ankerklüse, Decksaufbau mittschiffs, Masten mit Ladebäumen vorn und achtern. Er hatte offensichtlich die Position der Texel angesteuert, wahrscheinlich, weil er nicht mit modernen Navigationsgeräten ausgerüstet war und sich deshalb anhand des Namens des Feuerschiffs vergewissern wollte, dass er den richtigen Kurs in Richtung Ostsee fuhr. Dieser Name stand mittschiffs in riesigen schwarzen Buchstaben auf weißem Hintergrund auf dem ansonsten feuerroten Rumpf der Texel. Obwohl es diesig war, konnte man ihn auch dann gut lesen, wenn man sicheren Abstand hielt.

Es gab also für das Liberty-Schiff keinen Grund, in weniger als dreißig Metern Entfernung am Feuerschiff vorbeizufahren, außer Gleichgültigkeit oder Leichtsinn. Und doch schob es sich backbord zwischen der Texel und ihrer östlichen Warntonne hindurch. Seine Bugsee drückte das Feuerschiff zur Seite und saugte es anschließend ein Stück zu sich hin. Die Ankerkette schlug gegen den Rand ihrer Klüse, die Antennen auf der Laterne schwangen hin und her. In der Kombüse kamen die Zwiebeln ins Rollen. Der Koch bewegte sich mit dem Deck auf und ab.

Als das Liberty-Schiff vorbei war, drehte er den Kopf ruckartig zur Seite und kehrte in die Kombüse zurück. Dort blieb er einen Moment zögernd und verwirrt stehen, fing sich wieder, goss Wasser in die Pfanne mit dem Fleisch, stellte die Flamme unter dem Kartoffeltopf kleiner und bückte sich, um die heruntergefallenen Zwiebeln aufzuheben. Dampf füllte die Kombüse und entwich wie ein Gespenst durch die offene Tür. Die Bugsee des Liberty-Schiffs war unter der Texel hindurchgerollt, alles kam wieder zur Ruhe.

Mehr war an dem Tag, als er in der Tür stehen blieb, um den Männern beim Essen zuzusehen, nicht passiert. Dem Haschee war nichts anzumerken. Das Rindfleisch war zart, das Püree sahnig, die bissfest gekochten Bohnen dufteten nach gemähtem Gras und frisch geriebener Muskatnuss.

Und auch für die Männer war diese Mahlzeit wie alle anderen: der gewohnte Trost, der ihnen während der vier Wochen Seetörn mit eiserner Regelmäßigkeit aufgetischt wurde. Die Mahlzeiten teilten die Tage in berechenbare Stücke auf; Bruchteile des Lebens, die sie aufgabelten, wortlos kauten und hinunterschluckten, sodass sie in jenem dunklen Labyrinth verschwanden, in dem auch alle früheren Tage ihres Arbeitslebens zu einem Brei fast unkenntlicher Erinnerungen verdaut worden waren.

Die Männer freuten sich auf die Mahlzeiten, weil sie wie Striche auf einer Zellenwand den Augenblick näher brachten, in dem sie das angekettete Schiff wieder verlassen durften. Sobald sie bei der Großen Ablösung über die Jakobsleiter an Bord geklettert waren, ihre Seesäcke in die Kojen geworfen hatten und die Zaandam, die sie gebracht hatte, mit der abgelösten Schicht in der Dämmerung verschwinden sahen, sehnten sie mit aller Kraft den Moment herbei, in dem derselbe Schließer wieder wie die aufgehende Sonne am östlichen Horizont erscheinen würde, um sie abzuholen.

»Der Schließer«, so nannten sie die Zaandam.

Der eine oder andere Matrose träumte nachts regelmäßig den gleichen Traum: dass er, sobald die Zaandam im Lee des Feuerschiffs lag, wie der Erlöser selbst übers Wasser laufen konnte, hinter sich eine flammende Fußspur aus Meeresleuchten. Und dass er so die Texel für immer verlassen würde, als wäre sie seine Mutter.

In Wirklichkeit mussten die Männer, wenn ihre vier Wochen Seetörn herum waren und die Zaandam in Lee lag, höllisch aufpassen, damit sie nicht auf der ersten Etappe der Fahrt zum Festland ertranken. Sie standen in einer Reihe an Deck und schauten zu, wie das Beiboot ausgesetzt wurde und mit einem leisen Platschen im Wasser landete. Nun wurde es ernst. Einer nach dem anderen kletterte die Jakobsleiter hinunter und warf zuerst seinen Seesack in das bockende Boot, dann kam der Moment, in dem er selbst den halsbrecherischen Sprung wagte, sich abstieß und vom Feuerschiff löste. Es war ein Sprung in die Freiheit, weg von diesem Gefängnis, von der Vergeblichkeit und Melancholie dieses verankerten Schiffs, das niemals fuhr und niemals ankommen würde.

Die Männer schauten den Koch an, er starrte zurück. Und nun begann die Texel leicht zu rollen, das erste Vorzeichen einer Wetteränderung. Der Koch bewegte sich mit dem Schiff. Und er begann zu sprechen.

»Gulai kambing«, sagte er, »Ziegencurry, aber von einem Böckchen, das noch nicht entwöhnt ist. Wenn man das einmal gekostet hat, weiß man, wie zart Schmorfleisch sein kann. Das vergisst man nie wieder.«

Der Schiffskoch

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