Читать книгу Undercover Boss - Mathilde Berg - Страница 13
ОглавлениеLars
Mit einem Lächeln im Gesicht bin ich auf dem Weg zum Parkhaus. Es ist immer wieder wohltuend, mich mit meinem kleinen Bruder zu treffen. Er genießt es auch sichtlich. Wenn wir zusammen sind, lässt er seinen Gedanken freien Lauf; kann dann auch mal er selbst sein. Er blödelt gern herum, was bei mir auf fruchtbaren Boden fällt. Wenigstens das haben wir gemeinsam, wenn wir schon als Brüder nicht unterschiedlicher sein könnten. Während ich groß, dunkelblond mit blauen Augen und muskulös bin, ist er mit seinen 1,70 m eher klein, dunkelhaarig und von einer drahtigen Statur. Mit seinem asiatischen Aussehen und den dunklen, mandelförmigen Augen wickelt er jede Frau um den Finger. Im Verlag ist er eher zurückhaltend, denn jeder kennt ihn als Sohn des Chefs, der irgendwann sein Nachfolger sein wird. Jetzt ist er der Assistent der Geschäftsleitung und vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.
Mein Handy klingelt. Umständlich fingere ich es aus der Hosentasche. „Marek! Was gibt’s?“
„Hi, Lars. Ich hatte vergessen, dich an die Party am Wochenende zu erinnern. Hab’ es meiner Mom versprochen.“
„Party?“
„Ja, meine Mutter ist schon ganz aus dem Häuschen wegen den Vorbereitungen.“
„Ist das schon dieses Wochenende?“
„Ja klar! Du hast es doch nicht vergessen, oder?“
„Nein. Aber ich …“
„Du hast es vergessen. Gib’s zu!“
„Habe ich nicht, ich mag nur nicht die Art von Partys, die Meylin ausrichtet. Die aufgeblasenen Geldsäcke sind so oberflächlich wie sonst was. Und dazu noch langweilig und anstrengend. Außerdem habe ich schon einen Termin, den ich ungern verschieben möchte.“
„Aber sie und Vater freuen sich so, ihren verlorenen Sohn aus der Ferne in der Heimat, im Schoß der Familie, willkommen zu heißen.“
„Höre ich da versteckte Ironie? Papa hat nur ein schlechtes Gewissen, und Meylin organisiert für ihr Leben gern Cocktailpartys für die High Society.“
„Da könnte was dran sein.“
„Mist! Könnte die Feier eventuell auf einen anderen Tag verschoben werden? Es ist nur so, dass …“
„Wohl kaum. Die Einladungen sind längst raus. Sämtliche Freunde aus dem Golf- und Tennis-klub kommen, und Vater hat wichtige Geschäftsfreunde aus der Branche eingeladen. Er will dich mit allen bekanntmachen.“
Mir dreht sich bei diesem Gedanken der Magen um. „Marek, das geht nicht! Die merken doch gleich, dass ich von der Materie keine Ahnung habe.“
„Vielleicht solltest du unserem alten Herrn reinen Wein einschenken.“
„Nein, das geht nicht. Nicht jetzt!“
„Ehrlichkeit währt am längsten!“
„Na, dann fass’ dir mal lieber an die eigene Nase.“
„Schon gut! Aber Kneifen geht nicht.“
Ich hole tief Luft. Habe das Gefühl, ich drehe mich im Kreis. Weiß nicht, was ich tun soll. Gerade war ich froh, dass Hannah die Einladung zum Essen angenommen hat. Schwebe noch immer auf Wolke sieben und kann gar nicht fassen, dass wir ein Date haben. Es hat wirklich einiges an Mühe und Überredungskunst gebraucht, dass sie überhaupt zugestimmt hat. Ich möchte sie nicht enttäuschen und meine Chancen bei ihr zunichtemachen. Seit unserer Aussprache läuft es einwandfrei zwischen uns. Sie ist nicht nur eine wunderbare Kollegin, die mir viel und mit unendlicher Geduld alles zeigt und beibringt und so meine Wissenslücken schließt, sondern auch ein überaus warmherziger Mensch. Dazu ausgesprochen hübsch, auf ihre Art und Weise. Ich möchte ihr ungern absagen, aber darum werde ich wohl nicht herumkommen.
„Keine Sorge, tue ich nicht. Trotzdem würde ich lieber einen großen Bogen um das Tamtam machen, wenn ich könnte. Es passt mir nun mal nicht, wenn ich wie ein preisgekröntes Rennpferd allen vorgeführt werde.“
„Gönne es unserm alten Herrn, wenn er etwas mit seinem Erstgeborenen angeben möchte.“
„Ein bisschen spät! Findest du nicht?“
„Besser spät als nie. Ich bin immer nur der Zweitplatzierte und komme an die Nummer eins nicht ran.“
„Außerdem bist du viel kleiner!“, necke ich ihn. Ich weiß, wie sehr ihn das ärgert.
„Dafür aber wesentlich gutaussehender als du!“, kontert er.
„Punkt für dich! Dann sag Meylin, dass ich mich wahnsinnig auf die Party freue, auch wenn das gelogen ist.“
„Hey, so schlimm wird es schon nicht werden. Es gibt gut zu essen und reichlich zu trinken. Ein bisschen Blabla hier, ein bisschen Bussi-Bussi dort. Außerdem bin ich auch noch dort und werde dich, wenn es sein muss, vor Beverly retten.“
„Ach, du Schreck! Die kommt auch? Dann muss ich vorher schon was trinken. Die wird wie eine Klette die ganze Zeit an mir kleben.“
„Ja, genau. Besonders wenn Papa eure Verlobung verkündet! Immerhin bist du als zukünftiger Verlagschef eine gute Partie.“
Das saß. Automatisch verziehe ich mein Gesicht zu einer Grimasse, als würde ich in einen Apfel beißen, der von innen gammelig ist.
In meiner Erinnerung ist Beverly ein verzogenes, dickes Mädchen, das uns aufs Auge gedrückt wurde, wenn sich unsere Eltern besuchten. Mit Leidenschaft spielte sie gern Mutter, Vater, Kind. Marek sollte immer das Kind sein. Wenn wir uns wehrten, was eigentlich ständig war, fing sie an, zu plärren, und beschwerte sich bei ihren Eltern. Das Ende vom Lied war, dass die Erwachsenen auf der Seite von Beverly waren, sodass wir uns, unter Androhung von Strafe, zu fügen hatten und uns mit ihr beschäftigen mussten.
Einmal haben Marek und ich uns vor ihrem Besuch aus Verzweiflung absichtlich mit Schaumküssen überfressen, damit wir uns übergeben mussten. Wir haben furchtbar gelitten, aber das war es wert gewesen, denn wir durften zu Hause bleiben.
„Nee, lass mal lieber! Eher gehe ich ins Kloster und schwöre ewige Enthaltsamkeit.“
„Was für ein Verlust für die Frauenwelt! Du kannst doch deine Freundin mitbringen. Wo liegt das Problem?“
„Äh, Freundin? Ich habe keine Freundin, jedenfalls zurzeit nicht.“
„Und was ist mit der Frau, mit der du verabredet bist? Wer ist sie eigentlich? Kenn’ ich sie?“
„Nee, kennst du nicht!“, versuche ich, einzulenken. „Und ich habe nie behauptet, dass ich mit einer Frau verabredet bin.“
„Was denn sonst? Komm, Bruderherz, mir kannst du nichts vormachen. Du benimmst dich seit ein paar Tagen wie ein verliebter Schuljunge. Es ist die Kleine aus dem Büro, stimmt’s?“
„Bin ich bei der Inquisition, oder was?“, sage ich verärgert. Ich mag nicht, welche Richtung dieses Gespräch nimmt. „Sie ist mir wichtig. Okay? Sie hilft mir in meinem Job. Das ist alles. Mehr ist da nicht!“
„So, so. Du weißt schon, was Papa von einem Techtelmechtel unter Kollegen hält.“
„Ja!“ Ich seufze, dann zitiere ich: „Keine Liebelei am Arbeitsplatz! So was gibt nur Probleme. Einer muss dann gehen.“ Dass Hannah ihren Job verliert, ist das absolut Letzte, was ich ihr wünsche.
„Keine Angst, ich sag’ ihm nichts. Ich werde schweigen wie ein Grab, das weißt du. Sei du bloß vorsichtig, dass er keinen Wind davon bekommt. Sag’ ihr ab, sie wird das schon verstehen.“
„Ja klar. Vermutlich wird sie dann überhaupt nicht mehr mit mir reden.“
„So schätze ich sie nicht ein.“
„Na, du musst es wissen. Du bist ja der Frauenversteher unter uns.“
„Durchaus! Ich weiß, was Frauenherzen begehren. Darum bin ich die ideale Shopping-Begleitung. Da kannst du alle meine Freundinnen fragen.“
„Wie dem auch sei. Auf jeden Fall kannst du Meylin berichten, dass ich am Wochenende da sein werde.“
„Okay, Bruderherz. Wir sehen uns morgen, und überleg dir was Einfallsreiches für deinen Gang nach Canossa, damit es nicht so schlimm wird.“
„Für sie oder mich? Fraglich ist nur, welcher der steinigere Weg ist, der nach Canossa führt. Party oder Büro?“
Damit beende ich das Gespräch. Mir schwirrt der Kopf, und wieder ärgere ich mich darüber, dass ich mich auf diesen Schlamassel eingelassen habe. Daher beschließe ich, am Wochenende mit meinem Vater zu reden. Ich weiß zwar nicht, wie oder was ich ihm sagen will, aber eins habe ich erkannt: Dies ist der falsche Weg. So wie es jetzt ist, fühle ich mich nicht wohl in meiner Haut. Darüber, wie es nach dem Gespräch weitergehen wird, werde ich mir anschließend Gedanken machen. Im schlimmsten Fall habe ich nächsten Montag keinen Job mehr und kann am Monatsende meine Miete nicht bezahlen. Dafür hätte ich aber immerhin ein reines Gewissen. Ich sehe mich schon unter einer Brücke kampieren.
Jetzt habe ich aber erst einmal einen Mordshunger. Bei psychischem Stress muss ich immer etwas Gutes essen. Ich steige in das Auto, das mir mein Vater zur Verfügung gestellt hat, und steuere den nächsten Supermarkt an.