Читать книгу Undercover Boss - Mathilde Berg - Страница 5
ОглавлениеHannah
„Ui, da hatte aber jemand einen schlechten Tag! Was hast du denn mit dem gemacht?“
Lisa und ich gehen gemeinsam zum Parkplatz. Während ich meinen Fahrradhelm zurechtrücke, höre ich, wie jemand seine Autotür mit voller Wucht zuknallt. Ein Motor heult auf. Als ich dem Geräusch folge, sehe ich, wie mein neuer Kollege und Tischnachbar mit einem Kavalierstart grußlos an uns vorbeifährt und vom Gelände prescht. Der Drang, ihm die Zunge rauszustrecken, ist unwiderstehlich und nur mit Mühe zu unterdrücken.
„Wieso?“, frage ich bewusst unschuldig.
„Na, der kann es ja gar nicht abwarten, vom Hof zu kommen.“
Ich zucke mit den Schultern. „Vielleicht hat er noch einen Termin? Soll ja vorkommen!“
„Ach, komm schon. Der ist bestimmt nett, so wie der aussieht!“
„Wer? Lars der Eisbär? Vielleicht ist er in der Realität aufgewacht und hat gemerkt, dass er selber arbeiten muss und sein Äußeres keine Wirkung auf mich hat, im Gegensatz zu dir und den anderen. Der muss nicht denken, nur weil er aussieht, als wäre er einem Modekatalog entstiegen, springe ich, wenn er mich ansieht. No way, Lisa.“
„Lars der Eisbär?“, lacht Lisa. „Wie kommst du denn darauf?“
„Na, er sieht doch aus wie einer. Alle oder besser gesagt jede möchte ihn knuddeln und ihm durch sein volles Haar strubbeln. Ihr bekommt alle gleich einen glasigen Blick, wenn ihr ihn seht. So wie bei einem Hundebaby.“
„Na, wenn das Lars der Eisbär ist, dann möchte ich mich gern mal an sein Eisbärfell kuscheln.“
„Tu dir keinen Zwang an. Lars ist für uns alle da. Das hat Frau Peschke ja heute Morgen gesagt.“
Lisa schaut mich seltsam von der Seite an. „Findest du nicht, dass du etwas zu fies zu ihm warst? An seinem ersten Tag? Für sein Aussehen kann er ja nichts.“
Schlechtes Gewissen keimt in mir auf. „Schon. Aber … aber ich wollte auf gar keinen Fall, dass er denkt, er könne mir auf der Nase herumtanzen und mich rumschupsen wie einige andere. Anwesende ausgeschlossen. Nur weil er zufällig gut aussieht …“
Lisa seufzt und nickt zustimmend. „Hmhm.“
„… braucht er nicht zu denken, dass ich Prinz Charming ergeben zu Füßen sinke und ihm seine sündhaft teuren Lederschuhe küsse. Ich hoffe für ihn, er weiß, woher das Leder für diese Schuhe kommt. Nicht, dass ein artengeschütztes Tier sein Leben lassen musste, damit er Eindruck auf die Frauenwelt machen kann.“
„Was macht dir mehr Angst? Dass du ihn gut findest oder er dich toll findet?!“
„Quatsch!“, bestreite ich. „Weder noch. Wir sind viel zu verschieden. Dieser arrogante Schnösel und ich? Niemals, nur über meine Leiche!“
Mittlerweile sind wir am Fahrradstand angekommen. Ich verabschiede mich von Lisa und entriegele das Zahlenschloss an meinem Hollandfahrrad.
***
Der warme Wind pustet mir ins Gesicht. Es riecht nach Sommer. Ich genieße die Sonnenstrahlen auf der Haut und das Fahren ohne Jacke und Schal. Die Girlande aus Seidenblumen am Lenker flattert im Luftstrom. Bei jedem Hubbel auf dem Radweg macht die verrostete Fahrradklingel ein leises Ping. Meinen ganzen Ärger vom Tag kann ich jetzt wegstrampeln. Unwillkürlich muss ich an das Gespräch mit Lisa denken. Wenn ich ehrlich bin, würde es mir mehr Angst machen, wenn Lars mich mögen würde. Dass er mich wahrscheinlich nicht leiden kann, ist jedoch offensichtlich. Zumindest seiner säuerlichen Miene nach zu urteilen. So kann ich ihn wenigstens im Verborgenen anschmachten und mich auf mein Ziel konzentrieren.
Lars hat sicherlich gedacht, er würde mit jemandem wie Lisa zusammen in einem Büro sitzen und nicht mit einer Vogelscheuche wie mir. Es hat mich einfach geärgert, dass ich jetzt den Babysitter für ihn spielen darf und er an meinen Hacken klebt wie ein ausgespuckter Kaugummi.
Leider musste er die Kisten mit den Ordnern wirklich allein in den Keller schaffen, weil Nils mir wieder seine supereiligen Sachen mit den Worten „Deadline läuft, Dickerchen!“ aufs Auge gedrückt hatte. Auf dem Weg nach draußen habe ich die ‚supereilige Sache‘ dann in seinem Korb auf dem Schreibtisch gesehen. Er hatte sich meinen Bericht noch gar nicht angeschaut. So viel dazu. Aber diese Schikane bin ich mittlerweile gewohnt.
Andererseits soll Lars nicht denken, dass er nur mit den Fingern zu schnippen braucht, damit ich freudestrahlend vor ihm auf die Knie falle wie die anderen Weiber im Büro. Schon klar, würde ich auch, wenn ich so aussehen würde wie die. Er hat dunkelblondes, dichtes Haar, und am liebsten möchte ich meine Hände darin vergraben und … Hallo, Hannah, aufwachen! Verdammt. Es ärgert mich, dass mir dieser Typ nicht aus dem Kopf geht.