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Vertrauen

Vertrauen ist in unserem menschlichen Bereich eine hochgeschätzte Qualität. Wir hören es immer wieder: „Du musst Vertrauen haben“. Wenn Dinge nicht so gut laufen: „Vertraue!“

Worauf soll ich eigentlich vertrauen?

Vor Jahren besuchte ich einen Workshop in Gewaltfreier Kommunikation und es wurde eine Übung zum Vertrauen angeleitet. Ich weiß nicht mehr den Inhalt dieser Anleitung, aber als wir fertig waren, war ich sehr erschüttert, feststellen zu müssen, wie wenig ich anderen Menschen vertraute. Ich erlebte stattdessen Misstrauen, Zweifel, Vorbehalte, Zurückhaltungen und Vorsicht und weit und breit kein Vertrauen.

Dann begann ich darüber nachzudenken, nachzufühlen und aus der Vergangenheit zeigten sich viele Situationen, in denen ich Menschen traute und erleben musste, dass oft versprochene oder vereinbarte Dinge einfach nicht eingehalten wurden. Vielleicht geschah das aus Unwissenheit, vielleicht aus Nachlässigkeit, vielleicht aus Unbedachtheit, egal warum. Es wurde etwas gebrochen, was eigentlich anders vereinbart war.

Was ist das eigentlich, Vertrauen?

In der Regel bedeutet Vertrauen ein gegenseitiges Verhältnis der Zuverlässigkeit.

Das Wort ‚trauen‘ steckt da offensichtlich drin. Das heißt im Klartext, dass ich jemandem oder etwas Anderem trauen kann, dass ich, eins zu eins, das Gesagte annehme und es genau so verstehe und annehme, wie es gesagt wurde. An dieser Stelle natürlich vorausgesetzt, dass die Interpretationsmöglichkeiten und auch Missverständnisse ausgeschlossen wurden.

Wenn sich also jemand mit mir zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort verabredet, ist das eine klare Vereinbarung, an der es einfach nichts zu deuteln gibt.

Ich traue, vertraue darauf, dass diese Verabredung auch so eingehalten wird.

Eine kleine Anekdote am Rande

Ich erinnere mich an die Situation, als ich das erste Mal „verarscht“ wurde.

Jemand sagte etwas zu mir und ich traute dieser Aussage. Dann lachte diese Person und meinte, ich sei gerade „verarscht“ worden.

Jemand erzählt mir etwas, ich nehme das Gesagte vertrauensvoll an, und dann stellt sich heraus, dass diese Person mir eine Unwahrheit erzählte, also log, und ich war dann der Dumme, eben der Verarschte!? Ich habe das nie verstanden!

Was dann zur Folge hatte, dass sich in bestimmten Situationen immer ein gewisses Misstrauen verfing und eine Vorsicht dem Gesagten gegenüber.

Aber die Erlebnisse mit einigen meiner Mitmenschen gingen dann weiter.

Ein sehr guter Freund bat mich, eine Bürgschaft für ihn zu übernehmen und ganz vertrauensvoll willigte ich ein mit dem Ergebnis, dass ich später mehrere Tausend Mark für ihn zahlen musste. Ein anderer guter Freund erzählte mir nach Jahren, dass er damals mit meiner Freundin zweimal geschlafen habe, und sie natürlich auch mit ihm.

Naja, da gab es noch mehrerer solcher Erlebnisse und jeder von uns hat da seine Geschichten.

Aber dann richtete ich meine Aufmerksamkeit auf einen anderen Aspekt.

Ich schaute auf das Leben selbst, auf seine Natürlichkeit. Ja, das gute Leben.

Die Dinge, die sich da ereignen, geschehen aus Bedingungen, aus Ursachen und Wirkungsprinzipien, einige sind kalkulierbar, andere nicht.

Und doch hatte ich noch nie das Gefühl, dass das Leben mich „verarscht“, belügt oder mir etwas vormacht. Und falls sich dieses Gefühl doch manchmal leise einschlich, hatte ich nur Informationen übersehen, die aber schon immer da waren. Man könnte sich am Ende des Lebens „verarscht“ fühlen, weil die Jugendlichkeit den Körper langsam verlässt, der sichere Tod mir gewiss ist, und das Leben anklagen, dass es jetzt so ist, wie es ist. Aber die Informationen, dass es so kommen wird, waren immer verfügbar, überall und immer. Was ich mit Informationen mache, ist meine Sache.

Das Leben zeigt sich manchmal in der Härte seiner existentiellen Anforderungen und seiner klaren Soheit, aber es macht mir nichts vor, ist nie zweideutig und immer sehr direkt.

Erst wenn Menschen ins Spiel kommen, wird es kompliziert, wir Menschen mit unserem Wollen, den Instinkten, den Gefühlen, den vielen Impulsen, unserem Mögen und Nichtmögen und den vielen Kräften in uns, die wir organisieren müssen und die unser Verhalten mitbestimmen.

Warum soll ich eigentlich vertrauen und was macht es mit mir, wenn ich das tue?

Wie viel Wert hat eine Aussage oder ein Versprechen eines anderen, wenn er oder sie dann von inneren Kräften bewegt etwas Gegenteiliges macht?

Kann ich mir eigentlich selbst trauen, wenn ich ein Versprechen ablege, in welcher Form auch immer? Habe ich nicht schon selbst genauso gehandelt, wie ich es mir von anderen nicht wünschte? „Ja, habe ich“, ist die Antwort.

Und hier werden wir in die eiskalte Wahrheit des Lebens geworfen, dass sich alles, jederzeit auf Grund von neuen Umständen, Bedingtheiten, Situationen, Gefühlen, Gedanken, Impulsen verändern kann. Im Fluss des Lebens gibt es kein Anhalten der Ereignisse, keine Erstarrung, alles bewegt sich in seiner Natürlichkeit.

Wem oder was soll ich dann eigentlich vertrauen?

Der Aussage meines Partners, dass er immer bei mir bleiben wird? Oder dem Versprechen: „Ich werde dieses oder jenes für dich tun“?

In dem Moment, wo das ausgesprochen wird, mag das auch so gefühlt werden und ist wohl auch so gemeint, aber es gibt hier keine Verlässlichkeit darüber, dass diese Aussage morgen auch noch Gültigkeit hat.

Dann kann ich den Kreis der Vertrauenswürdigen etwas einkreisen und die Erfahrungen, die ich mit ihnen hatte, hinzuziehen. Es gibt ein paar wenige, denen ich mein ganzes Geld geben würde, ohne einen Beleg dafür zu fordern. Anderen würde ich noch nicht einmal zwanzig Euro leihen, es sei denn, ich möchte aus rein akademischen Gründen ein Experiment machen, um vielleicht eines Besseren belehrt zu werden.

An dieser Stelle kommt mir die amerikanische Comicserie ‚Charlie Brown, Lucy und der Rugbyball‘ in den Sinn: Lucy nimmt diesen Ball, hält ihn mit einer Hand auf den Rasen gedrückt und sagt zu Charly, dass er ihn ruhig schießen könne. Hier muss angemerkt werden, dass Lucy den Ball immer wegzog, wenn Charly ihn wegschießen wollte, er also ins Leere trat und hinfiel. Aber Lucy kommt immer wieder und verspricht, ihn diesmal nicht wegzuziehen. Charly hat zwar seine berechtigten Zweifel, lässt sich aber immer wieder überreden, es wieder zu machen, nimmt Anlauf, will gegen den Ball treten und Lucy zieht den Ball natürlich wieder weg und Charly fällt auf die Nase.

Tja, so ist es auch manchmal im Leben.

Aber haben wir eine andere Chance, als es immer wieder zu probieren?

Weite ich meine sogenannten ‚schlechten‘ Erfahrungen nicht auch manchmal auf andere Menschen aus, die mit den Ursachen meines langsam gewachsenen Misstrauens nichts zu tun haben? Möchte ich in Verbitterung und Opferhaltungen hängen bleiben? Mich zurückziehen, erstarren und immer einen misstrauischen Blick auf alles haben?

Oder gibt es noch einen anderen Blick darauf, von einer ganz anderen Seite?

Wenn ich im Misstrauen hängen bleibe, werde ich immer zurückgezogen bleiben, werde immer einen zweiten, zweifelnden Gedanken haben und nehme mir selbst somit die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen.

Ja, es gibt diese Menschen, denen ich vertraue, und das konnte ich mir nur deshalb bewahren, weil ich diese Erfahrungen mit ihnen machte, die mich haben trauen lassen.

Ich las mal den Satz: „Vertrau auf Gott, aber binde dein Kamel fest“. Hier wird meines Erachtens auf die Möglichkeit hingewiesen, dass immer alles anders kommen kann, auch wenn ich weiterhin vertraue. Vielleicht auch, dass ich an bestimmten Stellen gewisse Vorkehrungen treffen muss. Aber das wird dann eine Entscheidung sein, die ich immer neu treffen werde, je nach Situation und den jeweiligen Menschen, mit denen ich gerade zu tun habe.

Wenn ich aber bereit bin, mich dem Leben hinzugeben, mit allem, was es mir anbietet, auch der Möglichkeit, enttäuscht zu werden, dann lasse ich die Kräfte des Lebens wirken und vertraue auf die Richtigkeit der Ereignisse, egal, welche Dinge da geschehen.

Auf sich selbst aufpassen

Ein Akrobat erklärte seiner Schülerin ein neues Kunststück: „Ich halte die Bambusstange auf meinem Kopf und du kletterst da hinauf. Während du hinaufkletterst, passe ich auf dich auf, und du passt auf mich auf. So werden wir unseren Lebensunterhalt verdienen.“

„Nein Meister!“, antwortete die Schülerin. „Wenn ich hinaufklettere, passe ich auf mich auf und du passt auf dich auf. So werden wir unseren Lebensunterhalt verdienen.“

Als Buddha von dieser Unterhaltung hörte, lobte er die Antwort der Schülerin.


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