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Interview mit Martin Tschopp, Vice President eBay Marketplaces Germany


Abb.: Martin Tschopp eBay, Quelle: eBay

„Die neuen Technologien sind eine Chance für den Einzelhandel“

eBay ist einer der Pioniere und Marktführer des weltweiten E-Commerce. Im Unterschied zu anderen Online-Marktplätzen setzt das Unternehmen bis heute konsequent auf seine Rolle als Vermittler zwischen Verkäufern und Käufern im Internet. Da viele gewerbliche eBay-Händler aus dem stationären Handel stammen und das Unternehmen sich mit neuen Services mehr und mehr auch an den stationären Handel richtet, verfügt das E-Handelsunternehmen auch über eine fundierte Kenntnis der Entwicklung im Einzelhandel. Im Interview erklärt eBay-Deutschland-Chef Martin Tschopp, wie er den gegenwärtigen Wandel im Handel einschätzt und warum eBay jetzt seine Vermittlerrolle für den Handel noch einmal akzentuiert.

Herr Tschopp, der Strukturwandel im Handel setzt nun schon seit mehreren Jahren kleine und mittlere Fachgeschäfte verstärkt unter Druck. Inwiefern nimmt man auch bei eBay diese schwierigen Entwicklungen im stationären Handel wahr?

Tschopp: Es ist eine Realität, dass die Verbraucher heute anders einkaufen als vor zehn Jahren. Diese erste durch das Internet ausgelöste Revolution im Handel hat dem E-Commerce in den vergangenen Jahren starke Zuwächse beschert. Und natürlich hat das gleichzeitig dazu geführt, dass die Anteile des stationären Handels kleiner geworden sind. Viele stationäre Anbieter haben schnell erkannt, dass sie neue Wege gehen müssen, und haben dies auch getan. Eine Vielzahl der kleineren Händler auf dem eBay-Marktplatz kommt aus dem stationären Handel. Diese haben entweder ihr Geschäft auf das Internet verlagert oder betreiben den Handel bei eBay zusätzlich zum stationären Verkauf.

Auf der anderen Seite haben wir es in Deutschland mit einem fulminanten Wachstum der Online-Umsätze zu tun. Gerade in den letzten ein, zwei Jahren schien es noch einmal einen richtigen Push zu geben. Sieht man das auch bei eBay so und welche Entwicklung erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Tschopp: Im Moment befinden wir uns mitten in der zweiten durch das Internet ausgelösten Revolution im Handel. Jetzt sind es die mobilen Technologien, die die Spielregeln im Handel grundlegend verändern. Es entsteht ein völlig neues Handelsumfeld. Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Handel lösen sich durch die neuen Technologien zunehmend auf und werden bald ganz verschwunden sein. Ein Geschäft kann heute überall dort sein, wo der Kunde es sich wünscht. Darauf muss sich der Handel einstellen. Die mobilen Technologien erfordern von den Unternehmen eine völlig neue Sichtweise auf die verschiedenen Absatzkanäle und deren Integration.

Die Händlerstruktur im E-Commerce ist in den letzten Jahren merklich vielfältiger geworden. Neben reinen Online-Händlern verzeichnen heute auch zum Beispiel stationäre Händler und Hersteller signifikante Online-Umsätze. Beobachten Sie diese Entwicklung auch bei eBay?

Tschopp: Ja, absolut. Immer mehr stationäre Händler nutzen eBay im Rahmen einer Omnichannel-Strategie als zusätzlichen Vertriebskanal. Wir wissen von vielen Einzelhändlern, dass der zusätzliche Vertrieb über Online-Kanäle wie eBay es ihnen überhaupt erst möglich macht, ihr Ladengeschäft weiter zu betreiben. Aber auch immer mehr größere Einzelhändler setzen auf unseren Online-Marktplatz als zusätzlichen Absatzkanal. Die Händler können ihre Produkte über eBay 116 Millionen zusätzlichen potenziellen Kunden weltweit zugänglich machen. Und: eBay bringt als einer der führenden Anbieter im Mobile Commerce die Produkte der Händler auf die Smartphones und Tablet-PCs der Verbraucher.

Wie reif ist der deutsche E-Commerce-Markt Ihrer Meinung nach heute aus Kundensicht? Ist der Einkauf im Internet schon für eine Mehrheit der Konsumenten zu einer Alltäglichkeit geworden?

Tschopp: Drei Viertel der Deutschen betreiben mittlerweile Online-Shopping. Gerade für die junge Bevölkerung, die das Verbraucherverhalten in der Zukunft prägen wird, gehört das Einkaufen über das Internet heute zur absoluten Normalität. Ebenso steigt die Zahl der intensiven Online-Shopper immer weiter an. Und im Rahmen unserer Studie „Zukunft des Handels“ haben immerhin knapp 40 Prozent der befragten Online-Käufer gesagt, dass sie sich vorstellen können, in bestimmten Kategorien Waren zukünftig ausschließlich über das Internet zu beziehen. Dies alles zeigt, dass das Einkaufen über das Internet längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist.

Welche Rolle spielt der Online-Kauf über mobile Geräte heute in Deutschland?

Tschopp: Einerseits ist das Kaufen per Smartphone und Tablet-PC heute in Ländern wie den USA oder Großbritannien stärker verbreitet als in Deutschland. Dazu trägt sicherlich bei, dass Deutschland im Vergleich bei der Verbreitung von Smartphones noch etwas hinterherhinkt. Andererseits wächst der Mobile-Commerce-Markt auch in Deutschland enorm. Wurde bei eBay in Deutschland vor etwa einem Jahr noch etwa alle fünf Sekunden ein Produkt mobil gekauft, wechselt heute schon jede Sekunde ein Artikel mobil den Besitzer. Fakt ist, dass auch die deutschen Verbraucher zunehmend von den Vorteilen des mobilen Shoppings profitieren wollen – Kaufen jederzeit und überall. Mobile Endgeräte passen bequem in jede Hosentasche und doch hält der Nutzer mit ihnen ein komplettes Shopping-Universum in seinen Händen. Verbraucher können Einkäufe zum Beispiel dann erledigen, wenn sie Zeit mit Warten überbrücken müssen. Und sie können genau dann einkaufen, wenn ein Impuls zum Kaufen entsteht. Das ist enorm praktisch, bequem und spart Zeit.

In der letzten Zeit ist eine Reihe von E-Commerce-Innovationen entstanden – um nur einige zu nennen: zum Beispiel Crowdsourcing, Augmented Reality und Mass Customization. Wie gehen die Kunden an diese Innovationen heran: offen oder eher abwartend?

Tschopp: Im Rahmen unserer Studie „Zukunft des Handels“ haben wir uns einige dieser Trends einmal etwas genauer angeschaut. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verbraucher solchen Innovationen durchaus offen gegenüberstehen. Jeder vierte Internet-Nutzer kann sich beispielsweise vorstellen, sich in Zukunft per Crowdsourcing an der Auswahl der Produkte für eine Fashion-Kollektion zu beteiligen. Einen virtuellen Spiegel, der Verbrauchern zeigt, wie ein bestimmtes Kleidungsstück in einer anderen Farbe an ihnen aussehen würde, würde etwa die Hälfte der Verbraucher gerne ausprobieren. Ein Großteil der Konsumenten geht allgemein davon aus, dass sich diese und weitere Trends in der Zukunft weiter durchsetzen werden: Mehr als 70 Prozent glauben, dass wir zukünftig mithilfe von Virtual Tagging Mode- artikel leichter online finden werden. Über Fotos von Kleidung, die man in Zeitschriften, Schaufenstern oder auf der Straße gesehen hat, kann man sich damit das Produkt automatisch in anderen Shops sowie in ähnlichen Form- und Farbvarianten anzeigen lassen. Und jeweils 69 Prozent glauben, dass sich der virtuelle Spiegel und die virtuelle Anprobe als Trends im Bereich Fashion weiter durchsetzen werden.

Was bedeutet die rasante Umsatzentwicklung, aber auch die zunehmende Online-Orientierung der Kunden für den stationären Handel? Sehen Sie hier eher eine Chance oder eine Bedrohung?

Tschopp: Ich bin überzeugt davon, dass vor allem diejenigen Einzelhändler, die den neuen Technologien offen gegenüberstehen, eine durchdachte Multichannel-Strategie verfolgen und sich auf das geänderte Informations- und Kaufverhalten der Verbraucher einstellen, von den grundlegenden Veränderungen, die wir im Moment sehen, profitieren werden. Es gibt viele Konzepte, wie sich Online- und Offline-Handel effizient miteinander kombinieren lassen. Unterstützt durch Entwicklungen wie zum Beispiel QR-Code- und Barcode-Scanning oder Geo-Fencing werden die Verbraucher zunehmend zwischen den Absatzkanälen „springen“ und bald selbst nicht mehr unterscheiden können, ob sie nun gerade online, offline oder mobil kaufen. Sie werden im Ladengeschäft Barcodes scannen und mobil Preise vergleichen und dann mobil oder offline kaufen. Oder sie werden Waren über ihr Smartphone bestellen und bezahlen und dann im Ladengeschäft abholen. Die Kanäle werden verschmelzen.

In der einfachsten Variante bedeutet Multichannel die Verbindung von einem stationären Geschäft mit einem Online-Shop. Kann eine solche Standardlösung schon dazu beitragen, die Zukunft eines Handelsunternehmens zu sichern? Oder sollten sich Händler lieber um eine individuelle, ihrem spezifischen Handelsmodell entsprechende Herangehensweise an den Online-Handel bemühen?

Tschopp: Ich glaube nicht, dass es die eine erfolgreiche Lösung gibt. Jedes Geschäft ist individuell, und deshalb muss auch jeder Händler für sich selbst eine individuell zugeschnittene Strategie entwickeln. Eine wichtige Voraussetzung: Das neue Handelsumfeld muss wirklich verstanden werden, um eine sinnvolle Geschäftsstrategie entwickeln zu können. Händler müssen sich beispielsweise bewusst sein, dass der Online-Handel nicht einfach eine Erweiterung des Offline-Geschäfts ist. Online funktioniert völlig anders und braucht zum Beispiel hinsichtlich Pricing und Sortiment eine völlig eigenständige Strategie. Online darf nicht als eine weitere Filiale des Einzelhandelsgeschäfts verstanden werden, sondern muss als ein völlig neuer Vertriebskanal gesehen werden.

Schließlich gibt es auch Händler, die sich weiterhin dem Online-Handel verweigern. Als Alternative zum E-Commerce-Trend setzen einige von ihnen nun auf „Buy Local“-Kampagnen und versuchen auf diese Weise die Konsumenten für ihre Anliegen zu sensibilisieren. Was halten Sie davon?

Tschopp: Aus meiner Sicht kann es nicht die richtige Reaktion auf das veränderte Verbraucherverhalten sein, die Konsumenten sozusagen überreden zu wollen, anders einzukaufen, als es ihren eigentlichen Wünschen entspricht. Das geht an der Realität vorbei. Konsumenten wollen heute über alle Kanäle einkaufen. Das schließt den stationären Handel nach wie vor ein, allerdings ebenfalls die Kanäle Online und Mobile. In unserer „Zukunft des Handels“-Studie haben 74 Prozent der Verbraucher gesagt, dass sie es wichtig finden, die Möglichkeit zu haben, die Ware bei einem Händler sowohl stationär als auch online/mobil erwerben zu können. Dieser Realität sollten sich die Händler stellen. Über Marktplätze wie beispielsweise unseren ist es ohne großen Aufwand und finanzielle Investition möglich, neben der stationären Präsenz auch einen Online-Kanal aufzubauen. Daneben kann man die eigene Offline-Präsenz natürlich auch durch besondere Services wie intensive Beratungsleistungen stärken. Fakt ist aber: Die Verbraucher möchten heute alle Kanäle für den Einkauf nutzen, und darauf müssen sich Händler einstellen.

Welche Zukunft sehen Sie für den stationären Handel? Wie stark wird sich die lokale Einkaufslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?

Tschopp: Auch in zehn Jahren wird es selbstverständlich nach wie vor stationären Handel geben. Gleichzeitig wird der Handel über das Internet einen noch größeren Anteil am gesamten Handel haben, und in bestimmten Kategorien wird sich der Handel stärker als in anderen ins Web verlagert haben. Aus Sicht der Konsumenten, die wir im Rahmen unseres Projekts „Zukunft des Handels“ befragt haben, werden wir in Bereichen wie Tickets, elektronische Medien und Reisen besonders stark das Internet als Einkaufskanal nutzen; in Bereichen wie Lebensmittel, Fahrzeuge oder Möbel hingegen weniger. Die erfolgreichsten Händler werden diejenigen sein, die die verschiedenen Kanäle effizient und nahtlos miteinander zu verknüpfen und kombinieren wissen und den Verbrauchern so ganz neue innovative und inspirierende Möglichkeiten des Einkaufens anbieten können.

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