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Siege

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Wieso dieses Buch? Als ich als junger Chemiker am 1. Januar 1988 als Leiter des schweizerischen akkreditierten Dopingkontrolllabors in Magglingen begann, dachte ich nicht, dass ich während 30 Jahren in der Dopingbekämpfung arbeiten würde. Ein derart negativ behaftetes Thema, man gewinnt damit keine Medaillen, es ist ja nur ein Kostenfaktor. Ja, die Dopingbekämpfung kostet – und ja, die Geschichte zeigt, dass der Kampf gegen Doping stets unterfinanziert war. Obwohl der Sport längst ein »Big Business« ist und Milliardenumsätze durch Sponsoring, Werbung, Übertragungsrechte und Preisgelder generiert. Die Summen für die Dopingbekämpfung sind im Vergleich dazu lächerlich klein.

In den dreißig Jahren, in denen ich mich für einen sauberen Sport einsetzte, gab es immer wieder Siege und Niederlagen, Macht und Ohnmacht, Vertrauen und Misstrauen. Trotzdem empfand ich die Zeit als insgesamt erfolgreich. Oder siegreich. Zu Beginn hatte ich das Privileg, die damals besten Wissenschaftler in der Dopinganalytik zu treffen. Ich verbrachte mehrmals einige Wochen bei Manfred Donike im Kölner Labor, wo ich die neusten Entwicklungen in der Analytik und der Qualitätskontrolle mitverfolgen und erlernen konnte. Das Labor in Köln blieb in all den Jahren ein wichtiger Partner für mich, wir führten viele erfolgreiche Forschungsprojekte durch – und gelangten zu Ergebnissen, die mithalfen, Dopende zu überführen.

Aber es ging mir nie nur um die Überführung von Dopenden. Für mich war der Schutz der sauberen Athletinnen und Athleten noch wichtiger. Sie müssen geschützt werden. Klar, in erster Linie vor dopender Konkurrenz, aber auch vor falschen Anschuldigungen, unklaren Abläufen und Prozessen, vor überbordender Bürokratie und ungenügender Qualität. Und genau da erreichten wir verschiedene Siege.

Ich war damals in Magglingen nicht nur für die Analytik verantwortlich, sondern auch für die Bereitstellung des Kontrollmaterials. So saß ich jeweils im Keller und ritzte von Hand mit einem Diamantstift Nummern in ein Glasfläschchen, das bei der Kontrolle zuerst mit einem Gummipfropfen und danach noch mit einem einfachen Aludeckel verschlossen wurde. Keine Spur von Qualität und Fälschungssicherheit. Diese Erkenntnis war der Beginn der Entwicklung des heute weltweit wichtigsten und erfolgreichsten Dopingkontroll-Materials der Schweizer Firma Berlinger. Ich hatte ihn angestoßen und begleitet. Ein wichtiger Sieg zum Gewinn des Vertrauens von Athletinnen und Athleten in den Kontrollprozess.

Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung einer Medikamentendatenbank. Die Dopingliste führt verbotene Substanzen und Methoden auf. Wer diese Liste verstehen will, muss Chemiker oder Pharmazeutin sein. Aber wie können Athletinnen und Athleten in der Praxis damit umgehen, wenn sie ein Medikament verwenden müssen? Die Schweiz gehörte zu den ersten Ländern, welche die national zugelassenen Medikamente so auflisteten, dass sich mit wenig Aufwand überprüfen ließ, ob ein Medikament eine verbotene Dopingsubstanz enthält oder nicht. Seitdem gibt es in der Schweiz keine Dopingfälle mehr auf Grund einer Falschanwendung von Medikamenten. Ein wichtiger Sieg, denn für mich war ein verhinderter Dopingfall stets mindestens ebenso wichtig wie ein aufgedeckter.

Von diesen Erfahrungen handelt dieses Buch. Im ersten Teil werden verschiedene Dopingfälle aufgearbeitet. Dabei geht es weniger darum, die Fälle in Erinnerung zu rufen, vielmehr soll aufgezeigt werden, wie wichtig sie für die Weiterentwicklung der nationalen und internationalen Dopingbekämpfung waren. Der Fall als Niederlage, die Konsequenzen und Entwicklungen daraus aber als Siege. Auch wenn es dabei Momente gab, in denen ich dachte, jetzt geht es nicht mehr weiter, wir haben verloren, so ließen sich doch immer wieder Fortschritte und Verbesserungen erzielen.

Der zweite Teil besteht aus Interviews mit Persönlichkeiten, die in ihrem Gebiet Veränderungen erreichten – Siege im Kampf gegen Doping: ob als investigativer Journalist, als Jurist, als Leiter einer Anti-Doping-Agentur oder als Präsident eines internationalen Sportverbandes, als Analytiker oder als Athletin.

Der letzte Teil des Buches enthält Thesen, wieso und welche Änderungen notwendig sind, damit der Kampf gegen Doping nicht auf verlorenem Posten steht. Dabei kommt den Athletinnen und Athleten eine wichtige Rolle zu. Es gibt bereits vielversprechende und selbstbewusste Ansätze. Ich habe gelernt, Athletinnen und Athleten zu vertrauen. Sie wollen keinen durch Doping verseuchten Sport.

Ich habe viele Bereiche des Sports kennen und schätzen gelernt. Nicht nur den Spitzensport, sondern auch den Breiten- und Jugendsport. Der Sport ist tief in unserer Gesellschaft, in unserer Kultur verankert. Doping freizugeben, wäre deshalb kein gangbarer Weg. In den dreißig Jahren meiner Tätigkeit habe ich nie daran gezweifelt, dass man saubere Athletinnen und Athleten schützen soll und kann.

Matthias Kamber

Der vergiftete Sport

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