Читать книгу Die Lumpenpuppenhexe - Matthias M. Rauh - Страница 7

Nachhilfe-Unterricht

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Frau Kron war klein und dick, hatte lila Haare und trug eine riesige Warze auf der Nase spazieren. Ihr Gesicht sah lustig aus, und doch besaß es diese gewisse Strenge, die keine Widerworte erlaubte. Kurzum: Frau Kron war eine Zauberlehrerin wie aus dem Bilderbuch.

Mathilda sah aus wie Struwwelpeter - kein Wunder, nach dem Sturz vom Kamin! Nun hatte sie auf einem viel zu kleinen Stuhl Platz genommen und wunderte sich, dass sie die einzige Schülerin im Klassenzimmer war.

Klassenzimmer?

Gut, das Haus in der Schiefen Turmgasse 7 war sicher alles andere als eine Schule. Frau Kron unterrichtete mitten in einer, ja... wie sollte man dies nun nennen?

„Eine Hexenküche!“, schnaubte Henk. Das kleine Buch lag auf dem Lehrerpult, streckte sich genüsslich und begann dann leise zu schnarchen.

„Landet mit dem Koffer auf dem Kamin“, sagte die Alte kopfschüttelnd. „So etwas habe ich auch noch nie gesehen. Kind, ist dir aufgefallen, dass deine Haare bedenklich qualmen? Wenn du vorhast, deinen Kopf zu entzünden, dann solltest du bedenken, dass du kein Streichholz bist!“

„Ich... ich wollte...“, stammelte Mathilda.

„Ach ja! Du wolltest!“, fiel ihr die Lehrerin ins Wort. „Die hohe Kunst der Hexerei. Nur mit der Umsetzung hapert es noch ein wenig!“


Mathilda ließ den Kopf hängen und hatte das Gefühl, der kleine Stuhl, auf dem sie saß, wäre gerade ein merkliches Stück geschrumpft.

„Woher wissen Sie, dass ich..?“

„Mauern haben Ohren“, sagte Frau Kron und zog dabei ein staubiges Tuch von einer riesigen Glaskugel. „Und ein bisschen sehen kann ich natürlich auch. Wie kann man nur so dumm sein, seine Zornfistel nach unten plumpsen zu lassen?“

„Hmmm...“

„Nun, kein Grund zum Trübsal blasen!“, meinte die Alte. „Schließlich ist noch keine Hexe aus dem Ofenrohr gefallen. Nun sehen wir uns erst mal deine Schulsachen an.“

Oh je, die Schulsachen! Die hatte Mathilda vor lauter Aufregung doch glatt vergessen. Prompt schrumpfte ihr Stuhl auf Zwergenformat.

„Aufgewacht, Schlafmütze!“, befahl die Schulmeisterin und schlug mit dem Zauberstab auf den Tisch. Schwankend, gähnend und knarzend zugleich erhob sich der Stuhl und beförderte die zu Tode erschrockene Schülerin in ganz neue Höhen.

„So ist´s recht“, zischte die Lehrerin und wandte sich nun dem Ofen zu. Auf eine eher beiläufige Bewegung hin entzündete sich darin ein wildes Feuer, welches rasch wuchs und sich schließlich violett färbte. Ohne Bedenken griff Frau Kron in die tobenden Flammen und hielt auf einmal Mathildas lichterloh brennende Schultasche in der Hand.

„Oh je, oh je! Schlecht! Schlecht!“, urteilte die Alte und warf die knisternden Hefte zurück ins Feuer. „Mit diesen Leistungen wirst du es ganz sicher nie zu etwas bringen. So schüren wir gehörig damit ein, dann wird es wenigstens warm in der Stube.“

„Ich habe einfach kein Talent“, seufzte Mathilda und stellte die qualmende Schultasche auf den Boden.

„Ooooh! Kein Talent?“, fuhr Frau Kron in die Höhe. „Hast du das gehört, mein treuer Schürhaken? Auf, auf! An die Arbeit! Überprüfe, ob sich etwas finden lässt.“

In diesem Augenblick fegte plötzlich ein wildgewordener Hexendiener durch das qualmende Ofenrohr und scheuchte eine kleine flatternde Kreatur hervor. Es war Lumpikus.

„Ja, was haben wir denn da für einen lustigen Kerl?“, freute sich die Lehrerin, während ihr der kleine Wicht um den Kopf sauste. „Da hast du dir aber Mühe gegeben. Fortgeschrittene Magie aus der 47. Murenabgangsstufe. Hast du noch weitere Gehilfen erschaffen?“

„Nein“, flüsterte Mathilda. Was natürlich gelogen war. Aber musste man gleich jedes Geheimnis verraten?

Da begann es plötzlich irgendwo zu knistern und zu kratzen.

„Ehrwürdigste Frau Hexenmeisterin... kratz... wenn ich Sie um kurze Aufmerksamkeit bitten dürfte...“

Hilfe, was war das denn jetzt? Keine zwei Meter von Mathilda entfernt hatte sich ein uraltes Grammophon wie von Zauberhand in Bewegung gesetzt! Fast wirkte es, als starrte ihr der riesige Trichter direkt ins Gesicht. Er musterte sie kurz und wandte sich dann der Lehrerin zu. „Ehrwürdigste Frau Hexenmeisterin, ich möchte kurz anmerken, dass Sie soeben... kratz... ziemlich dreist belogen wurden. Diese Schülerin hier gab an, keine weiteren Gehilfen erschaffen zu haben. Dies entspricht keineswegs der Wahrheit. So erfüllt es mich mit Argwohn, dass dieses unsägliche Kind hier... kratz... kürzlich gar ein ganzes Ebenbild von sich erschuf. Ein Ebenbild in Form einer sehr behelfsmäßig zusammengeflickten Puppe. Sicher mag dies in gewissen Kreisen als dummer Schülerstreich abgetan werden... kratz... doch sie tat dies in voller Absicht, zur Täuschung. Nach Paragraph 36a der Allgemeinen Hexereiverordnung ist das Erschaffen von Zweithexen...“

„Ruhe!“, donnerte Frau Kron.

„Sehr wohl, ehrwürdigste Meisterin.“ Etwas beleidigt rümpfte das petzende Ding den Trichter und wandte sich ab.

„Mist!“, stöhnte Mathilda.

„Da fällt einem ja Fallobst auf die Birne“, sagte die Lehrerin. „Kein Talent und bastelt ganz nebenher eine Zweithexe von sich selbst. Wusstest du nicht, dass Zweithexen tiefste Schwarze Magie sind?“

Mathilda ließ abermals den Kopf hängen.

„Eine Puppe also...“, dachte Frau Kron laut nach.

„Wenn ich Sie kurz unterbrechen dürfte, ehrwürdigste Frau Hexenmeisterin...“

„Hilfe!“, schlug Mathilda die Hände über dem Kopf zusammen. Etwas empört starrte sie das verräterische Grammophon an.

„Bedauerlicherweise verlor diese Schülerin ihr Werk rasch aus der Kontrolle. Eben erwähnte Puppe... kratz... erwies sich als sehr reiselustig und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Ich muss an dieser Stelle ja wohl nicht betonen, was das noch alles nach sich ziehen kann. Tsissss...“

„Ruhe jetzt!“, donnerte Frau Kron. Die Lehrerin wandte sich ihrer neuen Schülerin zu: „Nun, da hast du dir ja einen schönen Schlamassel eingebrockt. Eine streunende Zweithexe von sich zu erschaffen ist meisterlich. Sie aber nicht befehligen zu können, ist dumm. Nimm deinen Zauberstab.“

Murrend kramte die junge Hexe in ihrer qualmenden Schultasche herum. „Hier ist der Zauberstab.“

„Nun versuche, die Puppe herbeizurufen.“

„Hmmm“, sagte Mathilda, begann brav mit dem Zauberstab zu wedeln und sprach dabei ihr vertrautes Hex, hex, Mathilda!

Prompt begann es über ihrem Kopf zu regnen. Die Lehrerin scheuchte die irrtümlich erschaffene Wolke mit einem Wisch davon. „Na ja, immerhin haben deine Haare nun aufgehört, vor sich hin zu qualmen. Aber Hex, hex, Mathilda! ist kein Spruch, mit dem man eine Zweithexe befehligen kann. Er ist viel zu billig. Wer weiß noch von diesem Spruch?“

„Niemand.“

Da meldete sich das petzende Grammophon: „Ehrwürdigste Frau Hexenmeisterin... kratz... in diesem Punkt hat Ihnen dieses unsägliche Kind abermals nicht die volle Wahrheit erzählt. Bedauerlicherweise schrieb sie ihren Zauberspruch auf einen Zettel, welchen sie dann im Rock der Puppe verbarg. Folglich ist anzumerken, dass ein derart schlechter Spruch... kratz... in den Händen Dritter schon oft zu schlimmen Unglücken führte.“

„Oh je“, stöhnte Frau Kron.

„Oh je“, seufzte Mathilda.

Die Lehrerin atmete tief durch und sagte dann: „Das Gute ist: Keine Hexe der Welt wäre so dumm, sich mit dem billigen Spruch im Rock deiner Puppe näher zu befassen.“

„Puh, Glück gehabt“, freute sich Mathilda. Da ahnte sie auch noch nicht, dass die Lehrerin ihren Gedanken noch nicht vollendet hatte.

„Doch in den Händen eines ahnungslosen Menschenkindes...“

„Oh nein!“


Die Lumpenpuppenhexe

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