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Neuntes Kapitel.

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Nicht lange nach diesen Tagen, wie aber immer noch der blaue Glanz des Herbsthimmels über dem Moore stand, lief ein braunes Segel im Schiffgraben daher.

Dort, wo Ham Rugens Graben, der vom Einhause herüberleitete, in den breiteren Fahrweg mündete, legte das Boot an, und Clas Böschen kletterte die Böschung empor. Er spähte nach der Hütte herüber.

Hinnerk und Gesche Stelljes, die den unverkauft gebliebenen Torf unter Dach und Fach schleppten und damit auch die dünnen Wände des Ziegenstalles aussetzen wollten, liessen die Torfstücke fallen, die sie gerade erfasst hatten.

„Dat’s Clas Böschen“, sagte Hinnerk.

„Clas Böschen?“ fragte Gesche. „Welkeen is dat?“

Hinnerk vergass zu antworten und starrte mit weit geöffnetem Munde nach dem Standort des Torfschiffers.

Überdem war Ham Rugen aus der Hütte getreten und stapfte Clas Böschen entgegen.

Wöbke Dierks kam mit dem Kind auf dem Arme heraus und schaute dem Alten nach. Manchmal liess sie ihre Augen nach Hinnerk und Gesche Stelljes in den Torfstich über den Feldern gehen — was die wohl dazu sagen würden?

Nun sahen sie vom Torflager aus, wie Ham Rugen Clas Böschen die Hand gab. Die beiden hatten die Rücken gegen die Stelljes gewendet und deuteten nach dem Boot im Graben. Dann schritten sie den schmalen Graben entlang bis zur Hütte und schoben das flache Boot, das in der Wasserrinne unter den Buschkiefern lag, mit dem Staken den Graben hinauf.

„Wat schall denn dor wesen?“ fragte Gesche ihren Mann und stieg aus den Torf, um besser sehen zu können.

Dann standen die beiden wieder still wie die Stämme der Birken.

Und die Herbstsonne warf ihr goldenes Licht in die schwarze Torfkuhle.

Währenddem war Clas Böschen in das Segelboot gesprungen, hatte die Leinwand gerefft und schob Balken aus dem einen Boot ins andere. Dann stieg er heraus, und mit zwei Haken schoben Ham Rugen und Clas Böschen, der eine diesseits, der andere jenseits des Grabens, das Boot der Hütte entgegen.

„Wat schall denn dor wesen? kreischte Gesche herüber.

Während Clas Böschen die Balken, die das Dach seiner Hütte tragen sollten, herauswarf, stapfte Ham Rugen zu den Stelljes und erzählte ihnen, was Clas vorhabe. Er sagte auch, dass Böschen gestern Hochzeit gehalten.

Gesche bückte sich und begann von neuem, Torfstücke auf die Trage zu laden. Hinnerk stand noch eine Weile in stummem Sinnen.

„Dor mösst he tau’s Eenhus kamen?“ fragte sie.

Ham Rugen sagte: „He makt, wat he mög“ und stapfte wieder zu Clas Böschen.

Gegen Mittag tauchte ein zweites Segel im Schiffgraben auf.

„Dat’s Wischen!“ rief Clas, als er die braune Leinwand lautlos durch das Moor schwimmen sah.

Und nicht lange nachher lag das Boot der jungen Frau vor der Stauklappe, die die Gräben schied, wo es von Hain Rugen und Clas erwartet worden war.

Ein Sechzehnjähriger war mit Wischen (Lieschen, Luise) Böschen im Boot — Jan Klüwer, der Bruder von Wischen, die gestern noch Wischen Klüwer war.

Ham Rugen liess sein Auge froh auf den drei jungen Menschen ruhen. Und sein altes Herz begann zu lachen, als er in die blanken Augen der dreie sah.

Ehe der Mittag herankam, war das Holz von den Booten geladen.

Das Rohr und Stroh zur Dachung der Hütte komme bald nach, sagte Wischen und hob die Hand an die Stirn, um in die Richtung zu spähen, aus der sie das Boot segeln zu sehen vermeinte.

Ham Rugen hatte während der letzten Tage einen Standort für die Hütte Clas Böschens gewählt, der ein wenig weiter von der des Hinnerk Stelljes ablag, als ursprünglich in Aussicht genommen war. Der Alte hatte Clas die Gründe dafür flüsternd auseinandergesetzt und dabei mehrfach Bewegungen mit dem Kopfe gegen Gesche Stelljes gemacht.

Clas Böschen verstand.

Während Wischen und Jan Klüwer ein Feuer anzündeten, um das mitgebrachte Essen zu wärmen, begab sich auf den Ruf Gesches auch Ham Rugen zum Essen in die Hütte.

Gesche, die ihren Platz neben dem Alten hatte, setzte sich breiter an den Tisch als sonst und gab Ham Rugen Gelegenheit, ihre Kehrseite zu sehen.

Der Alte richtete einige Fragen an Wöbke Dierks, die zwischen ihm und dem Fenster sass. Es war, als habe ihn das Zusammensein mit den frohmütigeren Menschen, die im Verkehr mit anderen beweglicher geworden, gesprächig gemacht.

„Welkeen’ is dat — bi Clas Böschen?“ fragte Gesche nach einer Weile.

„Sien Fru“, antwortete Ham Rugen, „wat vördem Wischen Klüwer wier.“

„Un de Jong?“

„Jan Klüwer.“

„Blievt de ok?“

„Woll, woll.“

Dann war wieder nichts hörbar als das Abstreichen der Löffel am Schüsselrande.

„Wat wöll he dor?“ fragte Gesche, als sie ihren Löffel auf den Tisch gelegt hatte. Hinnerk schnitt sich noch ein Stück Schwarzbrot ab und kaute bedächtig weiter.

„Wat schall he wöllen?“ antwortete Ham Rugen, „wat anner ook.“

„Hät he Land köpt?“

„Hät he.“

Von wem, wollte Gesche wissen.

„Mien eegen“, sagte Ham Rugen gelassen.

„Dien? Dien?“

Gesche stand auf und stemmte die Arme in die Seiten.

„Dien?“ sagte sie noch einmal, und „Mien“ sagte der Alte.

Und weil jetzt auch Hinnerk die Zeit für gekommen hielt, das Kauen einzustellen, da ihm in diesem Augenblicke das Hören wichtiger schien, erzählte Ham Rugen:

„Das ist schon lange und war zu der Zeit, da die Hannöversche Regierung das Land verschenkte, wenn einer war, der sich darauf ansiedeln und das Land bebauen wollte — was man die ‚Kolonisten‘ nennt. Damals hat mein Vater zweihundert Morgen erhalten, und wie er starb, siel es mir zu. Was kann ich dafür, dass niemand oder doch nur wenige darum wissen? Wert is ja nix. Aber — ich hab’ mir das Einhaus doch nicht zum Vergnügen mitten ins Teufelsmoor gebaut und doch nu mal gar nicht aus Angst vor die Kontrollörs.“

„So! So!“

„Und Ham Rugen hat für die 40 Taler sauer erspartes Geld Gesche und Hinnerk Stelljes nur die Ecke Moorheide gegeben? So!“

Gesche zischte wie eine Heidenatter und kreischte wie ein Kiebitz, den der Sturm unter den Flügeln fasst und in das Röhricht wirft. Darüber wolle sie noch mit Ham Rugen rechnen! Sie fuhr auf der Diele umher wie eine verflogene Eule.

Hinnerk Stelljes griff von neuem nach dem Löffel, um den Rest der Grütze am Boden der Schüssel zusammenzustreichen. Gesche zog ihm den Napf unter dem Löffel fort.

Ham Rugen ging aus der Hütte. Im Gehen wickelte er sich ein Knöllchen Shag; er schob das Papier in die Tasche und das Röllchen in den Mund.

Gesche Stelljes keifte hinter ihm drein.

„Vom Moor is die nich“, dachte Ham Rugen in diesem Augenblick, „im Moore sind die Leute geübter im Schweigen.“

Und Hinnerk Stelljes trottete dem Alten nach — hinüber zu Clas Böschen und seiner Frau.

Ob Hinnerk Stelljes mit bauen helfen wolle? fragte Wischen Böschen.

Da wandte sich Hinnerk Stelljes mit einem deutsamen Blick zurück nach der Hütte. Wie er aber vernahm, dass er Stundenlohn erhalten solle, begann er Balken aus dem Haufen Holz zu ziehen, das die Boote gebracht hatten. Er war also mit dem Vorschlag einverstanden.

In der Ferne lief lautlos ein braunes Segel. Und da noch eins: die Boote führten Stroh und Röhricht zur Dachung herbei. Den Heidesoden für den First hatte Ham Rugen schon gestochen.

Und der Bau der Hütte, die Clas Böschens und seines Weibes junges Glück beschirmen sollte, begann.

Wie die Nacht die weissen Nebel aus den Mooren spann und die Gräben ringsum in die Dämmerung zu rauchen begannen, fuhren Clas und Wischen in dem einen, Jan Klüwer in dem andern Boote heimwärts.

Das Gerüst der Hütte stand.

Und die kommenden Tage sahen die gezäunten Giebelwände, sahen das Dach entstehen.

Während Hinnerk Stelljes den Lehm zum Bewurf der Zäunung rührte und bedächtig das braune Moorwasser über die zähe Erdmasse goss, zählte er die Stunden zusammen, die er an der Arbeit gewesen war, und berechnete den Lohn. Er hoffte damit Geschcs Zorn zu dämpfen.

Und wie auch der Lehm gegen die gezäunten Felder geworfen und glatt gestrichen war, erschien das Boot mit dem kärglichen Hausrat, das Jan Klüwer führte.

Dann ward die ‚Hüsung‘ bereitet. Und Clas Böschen mit seinem jungen Weib und mit seinem jungen Glück zog ein. Der Bettkasten ward aufgeschlagen; die Hühner hatten ihre Horde und die Ziegen ihren Stand.

Das Moordorf

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