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Zweite szene

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Der Einsiedlerwald. Die Höhle des Chinesen.

Chinese.

Dies ist weitaus der bedeutendste Wald, und ich bin weitaus der bedeutendste Weise darin. Heute nacht las ich in den Sternen, daß demnächst ein neuer Einsiedler sich hier niederlassen wird, einer, der noch bedeutender ist als ich. Obwohl ich allem Irdischen abgestorben bin, tut mir dies doch leid. Es ist nicht schön der Zeit Weisester zu sein. Jetzt muß ich auch das noch lernen. Er seufzt. Ja, wenn man einmal angefangen hat sich zu läutern, dann nimmt das kein Ende mehr. Man ist nicht ungestraft Chinese.

Man hört Kasperle von weitem singen.

Kasperle.

Nix freut mich mehr, Sackerlot!

Kein Schweins- und kein Kalbshaxl.

Nix freut mich mehr. Der Tod

Schaut mir alleweil über die Achsel.

Chinese. An diesem Lied erkenne ich ihn. Es handelt von einem bedeutenden mystischen Erlebnis.

Kasperle kommt in die Höhle.

Chinese. Ich bin nicht wert, dir den Schuhriemen aufzulösen.

Kasperle. Nur nicht gar so bescheiden! Aber wissen Sie was, Sie kommen mir grad recht, oder nicht? Sie sind doch ein g’lernter Einsiedler, Herr Chinese? Zeigen Sie mir doch, wie man das macht, das Einsiedeln!

Chinese. Warum willst du denn Einsiedler werden? Für sich. Ich weiß nicht, ob er’s ist. Er sieht gar nicht so bedeutend aus.

Kasperle. Hör, Chinese, was mir passiert ist. Als ich neulich nach Haus kam – im Vertrauen g’sagt, ich war ziemlich blau an dem Abend – und meiner Alten ein Busserl geben wollt’, da hab’ ich auf einmal den leibhaftigen Tod im Arm. Seither freut mich kein Bier und kein Schnaps mehr; immer, wenn ich’s Glaserl heben will, kommt dem sein klapperdürres Knocheng’sicht, wenn man das ein G’sicht nennen soll, zwischen mich und mein Glaserl. Wenn man so ein G’sicht hat, das gar kein G’sicht ist, sollt’ man nicht so aufdringlich sein mit seinem G’sicht. Und seit ich das G’sicht immer vor mir seh’, freut mich ’s Leben nimmer. Deswegen will ich jetzt so eine Leimsiedelei eröffnen. Leise. Daß ich der Meinigen davonlauf’, sag’ ich dem Chinesen nicht. Laut. Des G’sicht, immer des G’sicht!

Chinese. Das Gesicht, das Gesicht! Er ist’s, wie könnte ich noch zweifeln. Das Gesicht, das andere Gesicht! Das Gesicht des Todes! O Abgrund des mystischen Erlebnisses! Nun höre wohl zu! Dies war die erste Stufe der Einweihung. Sie wurde dir geschenkt. Nun kommt die zweite Stufe, die mußt du erringen.

Kasperle. Was ist denn das für eine zweite Treppe, die ich ’naufsteigen soll?

Chinese. Du mußt dein Fleisch töten.

Kasperle. Mein Fleisch? Das werden die Schinken und Würst’ sein, die ich mir allemal kauf’. Die gehören mir, die sind mein Fleisch. Aber wie soll ich die denn töten? Die sind doch schon tot. Man tut doch eine Sau vorher schlachten, eh man Würste aus ihr macht. Aber wahrscheinlich meinst du, ich soll tüchtig hineinbeißen. Das wird schon b’sorgt.

Chinese. O peinliches Mißverständnis eines tiefen Gedankenganges! Er ist es nicht, ich habe mich in ihm getäuscht. Die dritte Stufe wirst du nie ersteigen.

Kasperle. Sag mir’s doch für alle Fälle, vielleicht steig’ ich doch ’nauf.

Chinese. Denke tief in dich hinab, denke dich selbst, denke die Dinge, denke das Wesen – dann denke das Nichts! Wenn du das Nichts zu denken gelernt hast, dann hast du die letzte Stufe der Weisheit erklommen.

Kasperle. Nichts denken, haha! Wenn’s weiter nix ist! Das tu’ ich ja immerfort, ohne daß ich mir große Mühe geb’!

An nichts zu denken sei der Gipfel,

Der Weisheit. Mein Chinese spricht’s.

Das ist famos. Ich dummer Zipfel,

Ich denke sowieso an nichts.

Jetzt sag mir aber noch, wo so eine Höhle ist, in der drin ich an nichts denken kann.

Chinese. Du mußt dort zwischen dem Eichenstrunk und dem alten Uhu, der auf dem Stein sitzt, mitten hindurchgehen, dann kommst du zu einer.

Kasperle. Servus, Chinese, und ich dank auch vielmals. Ab.

Chinese. Er ist es doch! Worum die Weisesten sich umsonst bemühen, das hat er in seiner Einfalt längst geübt.

Kasperle-Spiele für große Leute

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